Kritisches Denken unter Terrorverdacht

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Bahrain galt als demokratischer Vorreiter in der Golfregion, doch seit einiger Zeit sind die Reformbemühungen zum Stillstand gekommen. Im Vorfeld der Unterhaus-Wahlen ging das Herrscherhaus sogar mit einer Verhaftungswelle gegen die schiitische Opposition vor.

By Hanna Labonté
Wahlplakate vor einer Moschee in Bahrain; Foto: Hanna Labonté
Demokratie auf dem Rückzug: "Der demokratische Reformprozess Bahrains hat sich in den letzten Jahren enorm verlangsamt, die Opposition spricht sogar von einer Rückwärtsbewegung", schreibt Hanna Labonté; Foto: Hanna Labonté

​​Seit Jahren grassiert ein Namensstreit zwischen den arabischen Golfstaaten und Iran um den angrenzenden Golf: Gruppieren sich die Staaten nun um den persischen oder den arabischen Golf?

Bahrain, der Name des kleinen Landes bedeutet "zwei Meere", liegt nicht nur geographisch inmitten der so umstrittenen Meeresbucht, es ist auch kulturell, religiös und politisch sowohl vom schiitischen Iran als auch den mehrheitlich sunnitischen arabischen Golfstaaten geprägt. Verstärkt wird der Gegensatz dadurch, dass die Schiiten in Bahrain zwar fast 70% der Bevölkerung stellen, die politische Macht aber bei der sunnitischen Herrscherfamilie liegt.

In arabischen Ländern sind Wahlen selten, freie Wahlen noch seltener und auch, wenn das bahrainische Unterhaus eine recht geringe legislative Macht innehat, so ist es doch etwas Besonderes, dass in der konstitutionellen Monarchie am vergangenen Samstag zum dritten Mal, nach 2002 und 2006, ein Parlament gewählt wurde.

Die schiitische Gruppierung Wifaq konnte sich dieses Jahr 18 von insgesamt 40 Sitzen des Unterhauses sichern und so den Trend der letzten Wahl bestätigen. Wifaq stellt damit zwar weiterhin die Mehrheit im Unterhaus, ihre politische Handlungsfähigkeit bleibt jedoch durch die Verfassung eingeschränkt. Die Schura, das vom König eingesetzte und mehrheitlich sunnitisch geprägte Oberhaus, behält auch nach der Wahl die Macht im Königreich.

Konflikte zwischen Regierung und der schiitischen Minderheit

Der demokratische Reformprozess Bahrains hat sich in den letzten Jahren enorm verlangsamt, die Opposition spricht sogar von einer Rückwärtsbewegung. Auch bei den Wahlen kam es nach Angaben der Opposition zu Unregelmäßigkeiten: Wähler wunderten sich, dass ihre Namen plötzlich nicht mehr im Wählerverzeichnis registriert waren, andere sollen direkt an der Stimmabgabe gehindert worden sein.

Leute stehen Schlange vor dem Wahlbüro in einem Einkaufszentrum; Foto: Hanna Labonté
Junge Tradition: Nach 2002 und 2006 durften die Bahrainer zum dritten Mal ein Parlament wählen. Doch bei den Wahlen kam es immer wieder zu Unregelmäßigkeiten; Foto: Hanna Labonté

​​Bereits im Vorfeld der Wahlen war es wiederholt zu Auseinandersetzungen zwischen der Regierung und Mitgliedern der schiitischen Minderheit gekommen. Viele Schiiten fühlen sich als Bürger zweiter Klasse; in den vergangenen Wochen machten sie ihrer Wut und Enttäuschung über das sich politisch verschlechternde Klima mit regelmäßigen Straßenblockaden Luft.

Die Regierung reagierte Anfang September mit einer Verhaftungswelle mehrerer hundert Protestierender, darunter 23 prominente schiitische Oppositionelle, denen terroristische Umtriebe vorgeworfen werden.

"Die Gefangenen gehören unterschiedlichen politischen Gruppierungen an", sagt Mohammed al-Maskati von der Bahrain Youth Society for Human Rights (BYSHR), "aber sie alle eint der Wunsch nach Freiheit und der feste Glaube an die Menschenrechte". Die BYSHR hat nach der ersten Verhaftungswelle im September und nachdem andere Menschenrechtsorganisationen in Bahrain unter Druck der Regierung gerieten, beschlossen, ihre Arbeit vorerst aus Europa weiterzuführen.

Bloggen als terroristischer Akt

Unter den Angeklagten befinden sich auch Dr. Abdul Jalil Al-Singace, der Vorsitzende der Menschenrechtskommission der Haqq-Bewegung, die bisher die Wahlen aus Protest gegen die vom König eingesetzte Verfassung boykottiert hat, sowie der junge Blogger Ali Abdulemam.

Wahlplakate; Foto: Hanna Labonté
Wahlen ja, Freiheit nein: Bahrain ist seit 2008 auf dem Pressefreiheits-Index der "Reporter ohne Grenzen" um 48 Plätze auf Rang 144 gesunken; Foto: Hanna Labonté

​​Abdulemam, der laut der staatlichen bahrainischen Presseagentur wegen der "Verbreitung von erfundenen und böswilligen Nachrichten und Gerüchten über Bahrains innenpolitische Lage, die die Sicherheit und Stabilität des Königreichs gefährden" inhaftiert wurde, leitete das wichtigste oppositionelle Internet-Diskussionsforum in Bahrain, Bahrainonline.org, dessen Tolerierung bisher als Messlatte für die Öffnung des Landes stand.

Die Seite ist in Bahrain, wie dutzende andere Seiten von Bloggern, Oppositions- und Menschenrechtsorganisationen, gesperrt, Abdulemam seit Anfang September inhaftiert und Bahrain seit 2008 auf dem Pressefreiheits-Index der "Reporter ohne Grenzen" um 48 Plätze auf Rang 144 gesunken.

Abdulemam äußert sich in seinen Beiträgen sehr kritisch über die Regierung und scheut dabei nicht vor drastischen Worten zurück. Zum Verhängnis wurden ihm vermutlich aber vor allem die noch kritischeren Forumsbeiträge anderer Nutzer.

Prozessauftakt unter strickten Sicherheitsbestimmungen

Zum Prozessauftakt am Donnerstag haben mehrere Gefangene, denen bis dato kein Kontakt zu ihren Anwälten gewährt wurde, Foltervorwürfe gegen die bahrainischen Sicherheitskräfte erhoben. Zu Beginn des Verfahrens, das unter enormen Sicherheitsvorkehrungen in Manama eröffnet wurde, haben sich alle Angeklagten als nicht-schuldig bekannt. Nachdem die Verhandlungen auf den 11. November verschoben wurden, konnten die Gefangenen erstmals Kontakt zu ihren Anwälten aufnehmen.

​​"Was wir hier sehen, geschieht, weil Menschen wegen ihrer Gruppenzugehörigkeit diskriminiert werden und fundamentale Freiheiten und Rechte eingeschränkt wurden" sagt al-Maskati, der kritisiert, dass die Einhaltung der Menschenrechte von westlichen Regierungen nicht ausreichend eingefordert wird. Al-Maskati spielt damit auf die regionalpolitischen Interessen der USA an, die in Bahrain ihre 5. Flotte auf letzter Bastion vor dem Iran stationiert haben.

Die USA dürften wenig Interesse daran haben, dass die schiitische – dem Iran zugewandte – Bevölkerungsmehrheit auch die politische Macht in Bahrain übernimmt. Man kann davon ausgehen, dass man auch deswegen in Washington vor jeglicher Kritik absieht, die die sunnitische Regierung schwächen könnte. Die Menschenrechtler und Oppositionelle sind also vorläufig auf sich alleine gestellt.

Hanna Labonté

© Qantara.de 2010

Redaktion: Lewis Gropp/Qantara.de