Menschenrechtler: Weiter keine Aufarbeitung nach «Massaker» 2013 in Kairo

Kairo. Die gewaltsame Auflösung zweier Protestlager in Ägypten mit Hunderten Toten im August 2013 ist Menschenrechtlern zufolge auch zehn Jahre später nicht aufgearbeitet. «Die ägyptischen Behörden haben es ein Jahrzehnt lang versäumt, irgendwen zur Rechenschaft zu ziehen wegen der größten Massen-Tötung in der modernen Geschichte Ägyptens», teilte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch am Montag mit. Die Ereignisse des 14. August 2013 blieben ohne Aufarbeitung eine «offene Wunde», sagte Adam Coogle, bei Human Rights Watch unter anderem zuständig für Nordafrika und den Nahen Osten.



Nach dem Sturz des islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi im Sommer 2013 hatte es landesweit Demonstrationen und Kundgebungen gegeben. Sicherheitskräfte lösten zwei Protestlager in Kairo gewaltsam auf. Hunderte von Demonstranten, die gegen Mursis Entmachtung protestiert hatten, kamen ums Leben. Nach offiziellen Angaben starben etwa 600 Zivilisten. Menschenrechtler schätzen dagegen, dass vermutlich mehr als 1000 Menschen ums Leben kamen.



Der Nationale Menschenrechtsrat räumte der Polizei in einem Untersuchungsbericht anschließend zwar das Recht ein, sich gegen Angriffe bewaffneter Demonstranten zur Wehr zu setzen. Die Sicherheitskräfte hätten aber zu schnell zu viel Gewalt eingesetzt und es versäumt, einen sicheren Korridor für diejenigen zu schaffen, die freiwillig abziehen wollten. Dem Bericht zufolge wurden mehr als 600 Menschen binnen weniger Stunden getötet, darunter 8 Polizisten.



Die zehn Jahre seitdem könnten nur als «Jahrzehnt der Schande» bezeichnet werden, teilte Philip Luther von der Organisation Amnesty International mit. Mangels einer koordinierten Reaktion habe auch die internationale Gemeinschaft «Militär und Sicherheitskräften erlaubt, buchstäblich mit Massenmord davonzukommen». Kein Politiker und kein Vertreter des Militärs sei zur Rechenschaft gezogen worden, teilten auch zwei weitere Organisationen in einer gemeinsamen Stellungnahme mit, darunter die ägyptische Menschenrechtsorganisation CIHRS. (dpa)