Keine falschen Bilder lehren

Feindbilder, Vorurteile und Klischees können schon in der Schule entstehen. Das Georg-Eckert-Institut hat es sich zur Aufgabe gemacht, Unterrichtsmaterialien auf ihre Inhalte hin zu untersuchen und Schulbuchautoren zu beraten. Petra Tabeling berichtet.

Feindbilder, Vorurteile und Klischees können schon in der Schule entstehen, zum Beispiel durch einseitige Darstellungen nationaler Kulturen in Schulbüchern. Das Georg-Eckert-Institut hat es sich zur Aufgabe gemacht, Unterrichtsmaterialien auf ihre Inhalte hin zu untersuchen und Schulbuchautoren zu beraten. Petra Tabeling berichtet.

Das Georg-Eckert-Institut
Das Georg-Eckert-Institut

​​Die Idee für eine Schulbuchrevision auf internationaler Ebene entstand bereits nach dem Ersten Weltkrieg. Damals erkannte der Völkerbund: Die Feindbilder sollten aus den Schulbüchern verschwinden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg führte die UNESCO diese Arbeit fort. Der Braunschweiger Historiker und spätere Vorsitzende der Deutschen Kommission, Georg Eckert, gründete das gleichnamige Institut in Braunschweig.

200.000 Schulbücher zu den Themen Geografie, Wirtschaft, Politik und Sozialkunde werden hier archiviert. Damit ist es das einzige Institut weltweit, das internationale Schulwerke vergleicht. Für seine Arbeit erhielt das Georg-Eckert-Institut bereits 1985 den UNESCO Preis für Friedenserziehung.

Durch Schulbücher Friedenserziehung fördern

Auch in Regionen mit aktuellen politischen und ethnischen Konfliktsituationen wie in Südosteuropa, Israel und Palästina, selbst im Irak wird die Beratung der Fachleute des Instituts angefordert. Vor allem nach den Ereignissen des 11. September 2001 und dem anschließenden Afghanistan-Krieg rückte die wechselseitige Wahrnehmung in schulischen Medien zwischen der islamischen Welt und dem Westen in den Vordergrund.

"Man erkannte, dass die Wahrnehmung des Islam auch in der Bildung eine wichtige Rolle spielte, und die Nachfrage bei uns war groß", so der heutige Leiter des Instituts Wolfgang Höpken.

Dazu werden internationale Tagungen durchgeführt, Schulbuchverleger und -autoren beraten, Gutachten erstellt, Forschungsarbeiten unterstützt, die Erkenntnisse in Publikationen veröffentlicht.

Der Darstellung des Islam hat sich das Georg-Eckert-Institut bereits in den achtziger Jahren angenommen und deutsche Schulbücher auf dessen Darstellung untersucht und Vorschläge zu einer differenzierteren Sichtweise und zu einem interkulturellen Dialog in den Schulbüchern ausgearbeitet.

Gemeinsame israelisch-palästinensische Geschichte

Ein wegweisendes Projekt zur gemeinsamen Annäherung im Nahen Osten ist die Realisierung eines israelisch-palästinensischen Geschichtsbuches.

Der israelische Psychologe Dan Bar-On und der palästinensische Professor Sami Adwan entwarfen für kleine Schulkinder ein Geschichtsbuch, in dem auf der linken Seite die israelische und auf der rechten Seite die palästinensische Geschichte dargelegt ist. In der Mitte ist nichts - Platz für die eigene Geschichte der Schüler.

Im August werden israelische, deutsche und palästinensische Fachleute entscheiden, inwiefern das Buch dann für den Unterricht eingesetzt werden kann, so Wolfgang Höpken.

Und da palästinensische Schulbücher sogar anti-israelische Inhalte vermittelten, werden neue Schulbücher in dieser Region nun auch vom Georg-Eckert Institut unter die Lupe genommen und bewertet.

Und ein just eingerichtetes Stipendium soll palästinensischen Fachbuchautoren die Möglichkeit geben, sich dafür zu qualifizieren.

Indirekte Einflüsse mit Wirkung

Aber nicht nur klassische Schulbücher werden untersucht, auch multimediale Unterrichtswerke werden analysiert oder auch gemeinsam erarbeitet. Zusammen mit dem Cornelsen-Verlag entwickelte das Institut zum Beispiel eine Lern-CD-ROM über den Nationalsozialismus.

Aber solch direkte Zusammenarbeit sei eher selten, so Höpken. Die Arbeit besteht meistens indirekt, durch Konferenzen oder Ergebnisanalysen, die dann von den jeweiligen Bildungseinrichtungen zur Orientierung und Beratung herangezogen werden können.

"Wir sind keine Instanz, über Schulbücher zu entscheiden, dass lassen sich die verantwortlichen Bundesländer natürlich nicht nehmen."

Ent-Saddamisierung

Als die UNESCO im Rahmen eines Projektes im Irak tätig wurde, wurde im Sommer 2003 auch der Rat eines Mitarbeiters des Georg-Eckert-Instituts angefordert, der insbesondere naturwissenschaftliche Bücher unter die Lupe nahm.

Denn Bilder von Saddam Hussein oder eine vorwiegend dominante Baath-Ideologie gebe es durchaus auch in Mathematikbüchern, so Institutsmitarbeiter Dr. Georg Stöber, der diese Bücher einen Monat lang untersuchte.

Allerdings wurde die UNESCO in die Analyse der Geschichts- und Sozialbücher nicht involviert. Doch inwiefern es bis heute gelingt, alte Schulbücher komplett aus dem Schulalltag zu entfernen oder neu zu bearbeiten, bleibt spekulativ. Dafür fehlen Mittel und Kapazitäten, und außerdem ist dies jetzt Sache des neuen Bildungsministeriums im Irak.

Finanzierung auf der Kippe

Gerade in den arabischen Ländern möchte man noch aktiver werden als bislang möglich, so Höpken. Zum Beispiel untersuchen, wie die westliche Welt in Schulbüchern der Türkei, Algeriens oder Indonesiens wahrgenommen wird.

Doch es gibt ein Problem: Das Bundesland Nordrhein-Westfalen will sich als Finanzgeber Mitte 2005 aus dem Projekt verabschieden. Dann würde der zweitwichtigste Geldgeber fehlen, und somit stünden auch interkulturelle Projekte im Orient auf der Kippe. An Ideen jedoch mangelt es nicht.

Petra Tabeling

© Qantara.de 2004

Webseite des Georg-Eckert-Instituts für internationale Schulbuchforschung