"Wie jede andere konfessionelle Schule"
Die Islamische Grundschule Berlin (IGS) ist eine staatlich anerkannte Privatschule. Bekannt ist sie, seit Ferestha Ludin, die Lehrerin, die die Kopftuchdebatte auslöste, an der IGS unterrichtet.
Staatliche Anerkennung bedeutet, dass die Schule ein Unterrichtsprogramm anbieten muss, wie es an jeder anderen entsprechenden staatlichen Schule zu finden ist. Also auch Musik, Sport oder Sexualkunde. Themen, die in Teilen der muslimischen Community umstritten sind. Die Lehrer müssen natürlich eine entsprechende Ausbildung vorweisen. Was ist also so besonders islamisch an der IGS?
Abgesehen davon, dass ein Teil der 14 Lehrkräfte - wenn auch nicht die Mehrheit - gläubige Muslime sind, sind natürlich die Kinder muslimisch. Die meisten Mädchen tragen ein Kopftuch, wie auch die Direktorin Christa Petersen. "Die Eltern möchten, dass ihre Kinder eine islamische Identität entwickeln. Im Prinzip unterscheidet die Schule sich aber nicht von jeder anderen konfessionellen Schule."
Die Unterrichtssprache ist Deutsch. Zusätzlich zu den Pflichtfächern bietet die IGS islamischen Religionsunterricht, sowie Türkisch und Arabisch für Muttersprachler an.
Religion mit vielen Facetten
Religion ist ein Schwerpunkt, wenn auch nicht Pflichtfach. Vier Stunden die Woche steht das Fach in den ersten vier Jahren auf dem Stundenplan, in Klasse fünf und sechs sind es, wie an vielen anderen Schulen auch, nur noch zwei.
Die Religionslehrerin, eine deutsche Konvertitin wie Petersen, ist studierte Religions- und Islamwissenschaftlerin. Da der Islam eine Religion mit vielen Facetten ist, "setzen wir hier nur den Konsens der verschiedenen islamischen Rechtsschulen um", so Petersen. Also das, worin sich alle Muslime einig sind.
"Wir zeigen unseren Schülern aber auch, dass zum Beispiel verschiedene Arten zu beten existieren. Die Kinder sollen wissen, dass es unterschiedliche Praktiken unter Muslimen gibt."
Großer Bedarf
Die meisten der 145 Kinder sind Sunniten. 60 Prozent kommen aus türkischen Familien. Die anderen zu etwa gleichen Teilen aus arabischen oder gemischten Ehen. Jedes Jahr kann die Schule 25 neue Plätze vergeben. Bewerber gab es zuletzt 160.
"Der Bedarf ist da", sagt Petersen. Sie schätzt, dass die meisten ihrer Klienten der Unter- und unteren Mittelschicht angehören. Bei der Auswahl der Bewerber spielt eine Rolle, ob die Kinder gut Deutsch sprechen. Bevorzugt werden auch Familien, die beim Aufbau der Grundschule mitgewirkt haben.
Eltern haben Vertrauen
Die Schule geht auf die religiösen Befindlichkeiten der Eltern ein. Teilweise wird der Unterricht nach Geschlechtern getrennt abgehalten. So der Schwimmunterricht oder das Thema Sexualkunde. An den Klassenfahrten nehmen alle Kinder teil. "In der Regel ist das Vertrauen der Eltern zu uns da", sagt Petersen. Sie wissen, dass die muslimischen Lehrer ihre Bedenken kennen.
Sind Eltern mit dem Lerninhalt nicht einverstanden, verweist Petersen notfalls auf die staatlichen Vorgaben. So wollte ein Vater Musikinstrumente aus dem Musikunterricht verbannen, weil er der Meinung war, Musikinstrumente seien für Muslime verboten. Meistens kann Petersen besorgte Eltern aber auch so überzeugen. "Die Eltern entwickeln sich mit uns zusammen".
"Wir unterscheiden uns nicht sehr"
Nach der sechsten Klasse müssen die Kinder an eine weiterführende Schule wechseln. Petersen fordert dann die Eltern auf, sich die Schulen anzusehen. Ehemalige Schüler werden eingeladen, um von ihren Erfahrungen zu berichten.
Petersen sieht beim Schulwechsel keine außergewöhnlichen Probleme. Die weiterführenden Schulen seien nur größer, es werde weniger individuell auf die Kinder eingegangen.
Natürlich sind dort die Wände nicht mit Kinderzeichnungen von Moscheen dekoriert. Es gibt keine Koranlesewettbewerbe. Islamische Feiertage finden im Schulalltag nicht statt. Man begrüßt sich anders. Trotzdem findet Petersen: "Wir unterscheiden uns nicht so sehr von anderen Schulen."
Lennart Lehmann
© Qantara.de 2004