Gemeinsam Musizieren für einen vereinten Sudan

Der südsudanesische Rapper Emmanuel Jal hat mit dem nordsudanesischen Musiker Abdel Gadir Salim eine CD aufgenommen – als Vorbild für die Zukunft des Sudan, wo endlich Frieden zwischen Süden und Norden geschlossen wurde.

Von Max Annas

Es ist nur ein paar Monate her, da erschien der "Rough Guide to the Music of Sudan": Die wie üblich akribische Arbeit des Londoner Labels "World Music Network", ein ganzes Land auf einer CD musikalisch darzustellen. Im Falle des Sudan doppelt schwierig: Denn es geht hier nicht nur um den Gegensatz traditionell versus modern, sondern auch um den zwischen arabischem Norden und afrikanischem Süden.

Nach dem Hören der CD bleibt der dringende Wunsch, von einem bestimmten Künstler mehr zu hören. Bald wird man dazu Gelegenheit haben: "Gua" von Emmanuel Jal ist dieses Versprechen auf ein kommendes Album.

Zu Beginn des Tracks wird man von einem Frauenchor in extrem hoher Tonlage gefesselt, dann hört man eine männliche Stimme mit weichem Gesang, bevor Jal mit seinen leicht ins Erzählende tendierenden Reimen übernimmt. Sehr sparsam instrumentiert, ein bisschen Rhythmus, ein paar synthetische Klänge.
Zuletzt wird man von den Frauenstimmen aus dem Track geworfen, mit dem einen Wunsch: mehr davon!

"'Gua' ist ein Track über den Frieden, den cry for peace", erklärt Emmanuel Jal, Mitte 20. "Es geht darum, dass die Leute nach Hause wollen, sie wollen nicht mehr abhängig sein von fremder Hilfe." Jal kommt aus dem Süden des Sudan, dem größten Land Afrikas.

Mehr als 20 Jahre tobte ein Bürgerkrieg zwischen dem mehrheitlich von Christen bewohnten Süden und dem muslimisch geprägten Norden mit der Zentralregierung in der Hauptstadt Khartoum. Jal wurde gezwungen, als Kindersoldat in der "Sudan People’s Liberation Army" (SPLA) Krieg zu führen.

Gemeinsame CD als politisches Zeichen

Auf "Gua" folgt nun mit "Ceasefire" ein ganzes Album – aber das ist alles andere als die logische Fortsetzung des ersten erfolgreichen Tracks. "Ceasefire" ist eine Kooperation zwischen Emmanuel Jal und dem Altmeister der nordsudanesischen Tanz- und Cafémusik, Abdel Gadir Salim, ein weltweit gereister Star internationaler Bühnen.

Das Album ist mehr als eine normale CD, es ist ein politisches Zeichen. "Wir wollten zeigen, dass es möglich ist, dass ein christlicher und ein muslimischer Musiker zusammenarbeiten; "Ceasefire" ist das Symbol für eine Vision – für die Zukunft des Sudan."

​​Auf dem Album stammen mehr Tracks von Jal als von Salim, und er ist präsenter in Salims Songs als dieser umgekehrt in Jals. Der Rapper nutzt die arabophile Musik von Salim als Grundlage, um seine den Beats angepasste Art der Rede sparsam darauf zu platzieren. Salim hingegen fügt bei Jals Tracks meist nicht viel mehr als ein paar versöhnliche Klänge seiner Combo hinzu, meist Saxofon oder Oud. Trotz des politischen Anspruchs des Projekts ist eine sehr ordentliche CD dabei heraus gekommen.

Keine Zensur in der Musik

Mit Emmanuel Jal zu reden heißt, von der Musik schnell auf die Politik zu kommen. "Musik spricht zur Seele. Sie hat sehr viel Macht. Sie macht, dass die Menschen kämpfen, sie macht, dass die Menschen sich lieben, und sie ist die Ursache für die Kommunikation unter den Menschen."

"Musik kann Dinge, die andere Medien nicht können. Was nicht in den Zeitungen stehen kann oder was niemand im Radio erzählen darf, das kann Musik transportieren." – "Musik kann Menschen zusammen bringen."

Wer den letzten Satz schnell als Plattheit abtut, ignoriert, was er in einem zerstörten Land wie dem Sudan bedeuten kann. Jal setzt darauf, dass die staatliche Einheit die ethnischen und religiösen Spaltungen überwinden kann – gerade so, wie es "Ceasefire" vormacht.

"Das ist eine Herausforderung für die Regierung, sie muss jetzt zeigen, dass sie etwas für die Menschen tun will." Den Tod des Ex-Rebellenführers John Garang, der Ende Juli bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben kam, sieht Jal als Chance: "Das hat den Süden neu vereint. Sein Nachfolger hat eine bessere demokratische Legitimation."

Erfolg in Kenia

In Kenia hat Emmanuel Jal bereits ein ganz anderes Album veröffentlicht. Es heißt "Gua", so wie die Single, und hat den boomenden lokalen Rap-Markt ziemlich bewegt. "Ich wollte eigentlich nur sehen, ob die Leute meine Musik mögen ... Ich konnte nicht ahnen, dass ich so viel Erfolg haben würde."

Die Dinge müssen schon zusammen kommen. Mit der Geschichte als Kindersoldat allein macht man weder in Afrika noch in Europa einen Popstar. Kommt zu der Geschichte aber ein Song wie "Gua", dazu ein Aufsehen erregendes musikalisch-politisches Projekt wie "Ceasefire", dann gewinnen die Dinge an Dynamik. Ob der Sudan freilich die Vorlage von Jal und Abdel Gadir Salim aufnimmt, bleibt offen.

Max Annas

Qantara.de 2005

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Musikwelten
In der islamischen Welt und Europa hat sich längst eine eigenständige, moderne Musikszene entwickelt, die sich fernab von Bauchtanz- und Folkloreklischees bewegt. In diesem Dossier stellen wir einige ihrer wichtigsten Akteure, Stilrichtungen und Begegnungen vor.