Ein antiisraelisches Dogma
Dass es bis heute vor allem israelische Orientalisten gewesen sind, die das Israel-Bild Irans unter die Lupe genommen haben, verwundert kaum, angesichts der immer wieder gegen Israel ausgestoßenen Drohungen aus Teheran.
Im Mittelpunkt des Interesses steht dabei namentlich die Analyse jenes Feindbildes, das das islamische Regime geschaffen hat und mit dem es sich ganz bewusst von seinem Vorgängerregime abgrenzt.
Der Tel Aviver Iranologe David Menashri erinnert in seiner Publikation "Iran, Political Islam and Israel. Challenge and Response" daran, dass das Land unter Schah Mohammed Reza Pahlewi weitverzweigte Beziehungen, nicht zuletzt auch im Militär- und Sicherheitsbereich, zum israelischen Staat unterhielt.
Der Feind meines Feindes ist mein Freund
Es war nicht nur ihre westliche Orientierung, die die beiden Staaten einander näherbrachte, sondern auch ihre Andersartigkeit inmitten einer hauptsächlich von sunnitischen Arabern bevölkerten Region. Man handelte nach der Devise: Der Feind meines Feindes ist mein Freund.
Wie ausgeprägt die Israel-Feindschaft war, die in der vom Schah unterdrückten islamistischen Opposition gärte, zeigte sich gleich nach der Revolution von 1979. Augenblicklich wurde Israel neben den lange Zeit mit der Schah-Regierung verbündeten Vereinigten Staaten zu einem der Hauptfeinde des Islams erklärt.
Und so wurde der israelisch-arabische Konflikt in Teheran von nun an als eine in erster Linie religiös motivierte Auseinandersetzung gesehen, in die sich Iran mit seiner Unterstützung für die libanesisch-schiitische Hizbullah und später für die palästinensischen Kampforganisationen Islamischer Dschihad und Hamas einzumischen begann.
Die von Ayatollah Khomeini propagierte Nichtanerkennung des Existenzrechts Israels, die Diffamierung und indirekte Bekämpfung sind, so Menashri, bis heute Maxime iranischer Außenpolitik. Nach Auffassung des Mullah-Regimes dürfen Juden nicht – und erst recht nicht im traditionellen Verbreitungsgebiet des Islams – über Muslime herrschen, sondern müssen sich einer islamischen Herrschaft unterordnen.
"Verräter an der islamischen Sache"
Wer, wie manche arabischen Staatsoberhäupter, den israelischen Staat anerkennt, gilt in Teheran als "Verräter an der islamischen Sache". Bei der Charakterisierung Israels bedient man sich einer besonders radikalen Rhetorik: Der israelische Staat sei, so schrieb etwa 1999 das Regierungsblatt "Dschomhuri-ye Eslami" ("Islamische Republik"), ein Bazillus, der die gesamte Region infiziert habe und deshalb beseitigt werden müsse.
Dass diese Zeilen während der ersten Amtszeit des reformorientierten Präsidenten Mohammed Khatami geschrieben wurden, wundert Menashri nicht weiter.
Denn gerade in den 1990er Jahren, nachdem der Irak militärisch geschlagen und Libyen politisch marginalisiert war, sah man in Teheran die Chance, unter dem Banner der iranisch-islamischen Revolution die damals im Nahen Osten bröckelnde antiisraelische Front wiederzubeleben und sich so als Regionalmacht zu profilieren.
Auch unter der Präsidentschaft Khatamis gab der religiöse Führer Irans, Ayatollah Ali Khamenei, weiterhin den Ton an und markierte Palästina mit religiösem Vokabular als Front eines anhaltenden Heiligen Krieges gegen die Ungläubigen.
Im Mai 1998 erklärte Khamenei im Staatsfernsehen, dass die Islamische Republik Iran den Staat Israel nicht einmal für eine einzige Stunde anerkennen und seine "krebsartige Expansion" weiter bekämpfen werde.
Khatami unterstützte zwar im Großen und Ganzen den von seiner Regierung eingeschlagenen außenpolitischen Kurs, versuchte mitunter aber auch, die Spannungen zu mildern.
So erklärte er Ende 1997, dass der Staat Israel einen hegemonialen, rassistischen und aggressiven Charakter besitze, was sich in systematischen und groben Verletzungen des Völkerrechts, im Staatsterrorismus und in der immer weiter vorangetriebenen Entwicklung von Massenvernichtungswaffen, die die ganze Region gefährde, äußere.
Palästinensischer als die Palästinenser
Hingegen verkündete er bei anderer Gelegenheit, dass Iran ein Friedensabkommen zwischen Palästinensern und Israelis nicht torpedieren würde; ein solches hielt er allerdings aufgrund des israelischen Verhaltens für ohnehin nicht realisierbar.
Bisweilen wurden in Iran aber auch Stimmen laut, die das antiisraelische Dogma kritisch hinterfragten. Man solle nicht versuchen, "palästinensischer als die Palästinenser" zu sein, bemerkte schon 1994 der Teheraner Politikwissenschaftler Ahmad Naqibzadeh, der sich auch die Frage erlaubte, ob Iran denn überhaupt in der Lage sei, die von ihm propagierte Vernichtung Israels in die Tat umzusetzen.
Andere gaben zu bedenken – allerdings ohne ausdrücklich von Israel zu reden –, dass religiöse Dogmen den aktuellen Entwicklungen angepasst werden müssten, ja dass sogar Khomeinis Auffassung nur ein Glied in einer langen Kette möglicher Interpretationen der islamischen Religion sei.
Für solche Ansichten gab es seit dem Jahr 2000 in der iranischen Öffentlichkeit keinen Platz mehr. Die Kampagne zur Unterdrückung der Reformbewegung und den Ausbruch der zweiten palästinensischen Intifada nahm die iranische Führung zum Anlass, ihren israelfeindlichen Kurs zu verschärfen.
Khameneis jetzt noch zugespitzter formulierte Parolen von der Liquidierung des "zionistischen Regimes" in Palästina erfuhren nun eine bedenkliche Konkretisierung durch keinen Geringeren als den auch heute noch einflussreichen Expräsidenten Ali Akbar Rafsandschani.
Anfang 2001 verkündete er öffentlich, der Einsatz einer einzigen Atombombe gegen Israel würde dort weit mehr Zerstörung anrichten, als es ein entsprechender israelischer Angriff gegen Muslime je vermöchte.
Die Anschläge des 11. September 2001 und ihre Folgen führten zu einer Radikalisierung nicht nur der antiamerikanischen, sondern auch der antiisraelischen Haltung Teherans. Dort warf man Israel jetzt vor, hinter der amerikanischen Kampagne gegen das der "Achse des Bösen" zugeschriebene iranische Regime zu stehen.
Doktrinärer Wandel unter Ahmadinedschad
Präsident Ahmadinedschad tat zunächst nichts weiter, als die Vernichtungsdrohungen Khameneis und Rafsandschanis aufzugreifen und mit einer verschärften antiamerikanischen Rhetorik zu verknüpfen. Eine Welt ohne die Vereinigten Staaten und den Zionismus, sagte er etwa im Oktober 2005, sei sehr wohl denkbar.
Neu an der antiisraelischen Propaganda Ahmadinedschads war allerdings die breitflächig betriebene Holocaust-Leugnung, die schon bald durch die Veranstaltung der berüchtigten internationalen "Holocaust-Konferenz" im Dezember 2006 in Teheran und die staatliche Förderung ähnlich tendenziöser Veröffentlichungen zur Staatsdoktrin avancierte.
Obgleich sie mitunter auch im Land kritisiert wurde, schien sie Ahmadinedschads Ansehen keinen Abbruch zu tun. Menashri schließt zwar nicht aus, dass der Präsident der Islamischen Republik, auch weil er messianisch eingestellt sein soll, ebenso an die Notwendigkeit der Vernichtung Israels glaubt wie offenbar ein Teil der iranischen Führung.
Die Erklärung für die ungemein israelfeindliche Haltung des jetzigen Regimes sieht der israelische Iranologe aber vor allem darin, dass sie diesem sowohl innen- als auch außenpolitisch einen Nutzen verschafft: Die Drohgebärden des Präsidenten lassen nicht nur alle anderen iranischen Radikalen geradezu pragmatisch erscheinen, sondern böten der iranischen Führung auch einen gewissen Spielraum, sich im Falle eventueller Verhandlungen mit dem Westen doch etwas "moderater" zu geben.
Eine ähnliche Erklärung für die konsequent radikale Haltung Irans gegenüber Israel hat Menashris Kollege Meir Litvak vom "Center for Iranian Studies" an der Tel Aviver Universität.
Seiner Ansicht nach dient sie nicht zuletzt dazu, die zahlreichen innenpolitischen Kompromisse, die das Teheraner Regime seit Beginn der islamischen Revolution immer wieder eingehen musste, zu kompensieren und beim sonst in vielen Fragen zerstrittenen Klerus wenigstens für einen Grundkonsens zu sorgen.
Die Holocaust-Leugnungs-Maschinerie des islamischen Regimes, die der Autor detailliert darstellt, hat sämtliche Medien im Land erfasst. Diese inszenierten sich bisweilen als Schutzherren westlicher Holocaust-Leugner, darunter etwa der deutschstämmige Australier Fredrick Toben oder der Franzose Roger Garaudy, zu dessen Unterstützung das Regime Unterschriftsaktionen veranstalten ließ und dem "Verfolgten" auch finanziell unter die Arme griff.
Allerdings scheint diese Politik in Iran ihren Zenit bereits überschritten zu haben. Wie der israelische Orientalist Ze'ev Maghen darlegt, befindet sich das Israel-Bild des Teheraner Regimes seit einiger Zeit im Wandel.
In der Staatspropaganda verlören nun die antisemitischen Bilder vom angeblichen allmächtigen "Weltjudentum" und von der "jüdisch-zionistischen Weltverschwörung" zunehmend an Bedeutung.
Man sei vielmehr dazu übergegangen, Israel als einen angeblich schwachen, ja bereits im Untergang begriffenen Staat darzustellen. Hierfür verwendet Ahmadinedschad beispielsweise die Metapher vom "verfaulten Baum", der beim ersten Sturm umknicke, und verspricht, den islamischen Boden bald von diesem "Schandfleck" zu säubern.
Untermauert wird das Bild vom schwächelnden israelischen Staat mit dem Verweis auf den Rückzug der israelischen Armee aus dem Libanon im Jahr 2000 und den Abzug aus dem Gazastreifen 2006.
Sie werden als Paradebeispiele dafür angeführt, dass die Israelis bei militärischen Auseinandersetzungen mit jenen islamistischen Kräften, die Iran aktiv unterstützt, längst unterliegen. Die suggerierte Schwächung Israels geht mit der triumphalen Selbstdarstellung Irans als unaufhaltsam aufsteigende Nuklearmacht einher.
Anders als Menashri und Litvak nimmt Maghen die Vernichtungsdrohungen aus Teheran sehr ernst und tadelt jeden, der dies nicht zu tun bereit ist. Als Mitglied des Jerusalemer "Shalem Center", der Denkfabrik der neuen israelischen Rechten, steht er auch der Likud-Partei nahe.
Deren Kopf, Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, hatte schon 1995 Iran als einen den Westen bald gefährdenden terroristischen Atomstaat beschworen – das iranische Atomprogramm steckte damals wohlgemerkt noch in den Kinderschuhen.
Joseph Croitoru
© Qantara.de 2009
Joseph Croitoru ist Experte für den politischen Islam. Seine jüngste Veröffentlichung "Hamas. Der islamische Kampf um Palästina" erschien im C. H. Beck-Verlag.
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