Im Spiel ist Frieden erreichbar

In seinem Roman "Ein schönes Attentat" bietet Assaf Gavron ungewohnte Blickwinkel: Er beleuchtet die Innenwelten eines israelischen Terroropfers und eines palästinensischen Selbstmordattentäters. Ariana Mirza hat sich mit dem israelischen Autor unterhalten.

Assaf Gavron; Foto: Moti Kikayon
Assaf Gavron, Autor von "Ein schönes Attentat"

​​Herr Gavron, Sie sind nicht nur als Schriftsteller tätig. Sie waren auch an der Entwicklung eines Computerspiels namens Peacemaker beschäftigt.

Assaf Gavron: Ja, das ist ein Spiel, in dem man entweder die Rolle des israelischen Premierministers oder des palästinensischen Präsidenten einnimmt. Ziel ist es, einen dauerhaften Frieden zu schaffen. Dabei muss man alle Interessengruppen und verschiedenste Vorfälle berücksichtigen. "Peacemaker" soll aufzeigen wie komplex dieser Konflikt ist. Es gibt da kein Schwarz und Weiß, keine einfache Lösung. Meine Rolle bei der Entwicklung von "Peacemaker" war die des Texters, ich habe alle Textpassagen geschrieben und war auch an der Bildauswahl beteiligt.

Sind viele Spieler erfolgreich in der Lösungsfindung?

Gavron: Ich weiß, dass man gewinnen kann. Der Gewinn ist, dass man Frieden erreicht und den Nobelpreis verliehen bekommt. Im Spiel ist es machbar. Ich weiß nicht, ob es im wahren Leben möglich ist, aber im Spiel schon.

Waren eigentlich auch Palästinenser an der Entwicklung des Spiels beteiligt?

Gavron: Ja. Das Spiel wurde an der Universität von Pittsburgh in den USA produziert. Und Studenten der dortigen Universität, darunter palästinensische Studenten, wurden in die Entwicklung mit einbezogen. Genauso wie Leute aus Palästina, Politiker und andere Repräsentanten, die "Peacemaker" Probe gespielt haben. Vor zwei Monaten hat das Peres Center für Frieden 100.000 Kopien des Spiels kostenlos an israelische und palästinensische Teenager verteilt. "Peacemaker" hat also schon viele Menschen erreicht.

In ihrem Buch wird unter anderem der Mangel an gegenseitigem Interesse thematisiert. Wann haben Sie persönlich begonnen sich für die Lage der Palästinenser zu interessieren?

Gavron: Ich war eigentlich schon immer an der anderen Seite interessiert. Und ich glaube während der zweiten Intifada, während all dieser militärischen Auseinandersetzungen, der Selbstmordanschläge und Bombardements, musste man sich einfach für die andere Seite interessieren. Jedenfalls gilt das für mich, nicht jeder hat so gedacht. Aber für mich war es ein wichtiger Prozess zu versuchen zu verstehen.

Dabei meine ich nicht nur die palästinensische Sichtweise generell, sondern auch die Motivation derjenigen, die sich dafür entscheiden zu kämpfen: die Mitglieder der Terrororganisationen, so wie Fahmi, die Figur in meinem Buch. Ich meine, der Versuch zu verstehen, heißt nicht, damit einverstanden zu sein oder damit zu sympathisieren. Aber ich fand es sehr wichtig, einen Blick in die Köpfe zu werfen und die Beweggründe zu erforschen. Deshalb habe ich auch in der Ich-Form aus der Sicht dieser Figur geschrieben.

Wie haben Sie den Charakter ihres palästinensischen Protagonisten denn konkret entwickelt?

Gavron: Ich habe viel recherchiert. Eine sorgfältige Recherche ist mir sehr wichtig. Ich habe gelesen, was immer ich an Zeitungsartikeln oder Büchern über das Leben in der West Bank finden konnte. Einige sehr gute Dokumentarfilme, auch über Selbstmordattentäter, waren wichtige Quellen.

Und dann habe ich das Manuskript an Palästinenser, die Hebräisch lesen können, geschickt. Das waren Lehrkräfte der Universität in Gaza. Die palästinensischen Probeleser waren sehr gespannt auf das Buch und lieferten mir ungemein wertvolle Hinweise. Insgesamt stieß das Buch dort auf eine ausgesprochen positive Resonanz. Die Palästinenser fanden die Figur glaubwürdig und die Beschreibungen der Lebensumstände zutreffend.

Glauben Sie, dass Literatur einen Einfluss auf Politik oder die öffentliche Meinung hat?

Gavron: Auf die Politik nicht, glaube ich. Es wäre naiv zu denken, dass Schriftsteller die Welt verändern könnten. Aber ein Einfluss auf die öffentliche Meinung ist schon da. Gerade in Deutschland habe ich viele positive Reaktionen von Lesern bekommen. Die haben jahrelang nur die eindimensionalen Schlagzeilen gelesen, und bekommen durch das Buch erstmals einen tieferen Einblick in den Konflikt, ohne die gängigen Vorurteile. Ja, ich glaube Literatur kann Menschen beeinflussen und auch bilden.

Haben Sie schon ein Thema für Ihr nächstes Buch?

Gavron: Mein nächstes Buch spielt in der Zukunft, in Israel, oder besser, dem, was dann von Israel noch übrig geblieben ist. Die Geschichte spielt in ungefähr 60 Jahren und der Wassermangel ist besorgniserregend. Die Macht liegt vollkommen in den Händen der Wasser-Konzerne. Israel ist sehr klein geworden. Der Rest ist Palästina, und dort sitzen auch die Wasserfirmen, die alles kontrollieren. In diesem Kontext ist die eigentliche Geschichte angesiedelt, die von einer Frau handelt, die ihren verschwundenen Mann, einen Ingenieur der Wasserbetriebe, sucht.

Das ist eine interessante Fiktion. Wie stellen Sie sich die reale Situation im Mittleren Osten in 60 Jahren vor?

Gavron: In 60 Jahren? Ich weiß nicht. Schwer zu sagen. Ich denke, es gibt zwei Optionen. Eine ist die Zwei-Staaten-Regelung. Ich bin mir aber sicher, selbst wenn es zwei Staaten gäbe, gäbe es nach wie vor Kriege und Konflikte. Vielleicht mit dem Iran oder irgendeinem anderen Staat. Die andere Möglichkeit ist ein Staat, der auf jeden Fall demokratisch sein müsste.

Demographisch gesehen gäbe es dann mehr Araber beziehungsweise Palästinenser in dem Staatsgebiet. Dann würde ein demokratischer Staat wahrscheinlich von einem palästinensischen Premierminister regiert. Hoffentlich wäre ein friedliches Zusammenleben der beiden Bevölkerungsgruppen dann möglich und das Leben von gegenseitigem Respekt geprägt. Aber, das ist schwierig zu sagen. In Wirklichkeit habe ich wenig Zutrauen in die Zukunft. Ich weiß nicht, wie es weiter geht. Aber ich denke, das sind die beiden Optionen.

Das Interview führte Ariana Mirza

© Qantara.de 2008

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