Die Logik des Terrorismus
Beirut, Bagdad und das irakische Wüstendorf Kafr Karan – das sind die Schauplätze in Yasmina Khadras neuem Roman "Die Sirenen von Bagdad". Yasmina Khadra ist das Pseudonym des 1956 geborenen Mohammed Moulesshoul. Als hoher Offizier der algerischen Armee konnte er erst seinen wahren Namen preisgeben, als er im Jahr 2000 ins französische Exil ging.
In seinem packenden neuen Thriller erzählt er die Geschichte eines jungen Irakers. Beirut ist die Endstation dieses namenlosen Ich-Erzählers und zugleich der Ausgangspunkt des Romans. In der libanesischen Hauptstadt wartet der junge Mann in einem Hotel auf seinen Abflug nach London – mit einem Auftrag: "Es handelt sich um die größte Operation in feindlichem Gebiet, über die je berichtet wurde, mit einer Durchschlagskraft tausendmal größer als die Anschläge vom 11. September."
Vom Werdegang eines Terroristen
Der Leser folgt in Rückblenden dem Weg des jungen Mannes zu einem hasserfüllten Menschen. Er wächst friedlich in Kafr Karan auf, aber der Krieg kommt auch dorthin. Eines Nachts zerren US-Militärs auf der Suche nach Waffen die Dorfbewohner aus ihren Betten. Diese Razzia erschüttert den Ich-Erzähler in seinen Grundfesten. Die Ehre seiner Familie ist zerstört. Für die als sehr brutal geschilderten GIs ist das nicht nachvollziehbar. Hier, so meint Yasmina Khadra, treffen zwei Welten aufeinander:
"In der arabischen Welt ist die Würde der zentrale Nerv. Ohne Würde kann man nicht leben. Das ist der einzige Reichtum des Armen. Wenn man ihm die nimmt, ist er vollkommen verloren. Für sich selbst und für die anderen."
Auf der Suche nach Vergeltung lässt Khadra den jungen Mann nach Bagdad ziehen, wo er zu einer leichten Beute der Dschihadisten wird.
Junge Männer ohne Zukunft
Wie Frustration und Verzweiflung junge Menschen in die Hände der Fundamentalisten treiben – dieses Thema zieht sich wie ein Leitmotiv durch Khadras Werk. Eigentlich träumten sie nur von einer Arbeit, einem Haus, einem Mädchen. Aber sie hätten keine Zukunft, so Khadra:
"Wir haben Regierungen, die nur an sich denken, die lügen und betrügen. Die Jungen sind voller Energie und Ehrgeiz und verstehen nicht, warum sie nicht in ihrem Land mit gestalten können. Wenn sie dann zu den Fundamentalisten gehen, ist das zuerst einmal ein politischer Akt."
Afghanistan, Israel, Irak – Yasmina Khadras letzten drei Romane spielen an den Brennpunkten der Welt. Der Schriftsteller sieht sich als Vermittler und möchte dem Westen die arabische Denkweise erklären. Die Länder, über die er schreibt, hat er allerdings nie bereist, die Schauplätze entspringen seiner Phantasie. Aber, so Khadra, seine eigenen Erfahrungen als Militär in Algerien ließen sich ohne weiteres auf die anderen Länder der arabischen Welt übertragen. Ein Dorf in der Sahara unterscheide sich eben nicht sonderlich von Kafr Karan im Irak.
Allerdings kommt seine Trilogie über den Terrorismus streckenweise als Erklärstück daher. Die Personen geben Statements wieder wie Schauspieler ihre Rollen.
Die feine Charakterisierung und psychologische Durchdringung der Figuren gehören nicht unbedingt zu Khadras Stärken. Der Autor setzt mehr auf das Politische. Das macht seine spannend geschriebenen Bücher immerhin hochaktuell und erklärt mehr als so manche politische Analyse es vermag. Und – er hat Erfolg: drei Millionen Bücher, übersetzt in beinahe zwanzig Sprachen.
Susanne von Schenck
© Deutsche Welle 2008
Qantara
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