Der Versuch, ein Problem wegzudefinieren
Was für ein "patenter" Ansatz: Ein Problem, das man nicht lösen kann oder nicht lösen will, beseitigt man durch seine Neu-Definition. Den jüngsten Schritt in diese Richtung versucht die Trump-Administration in der Frage des Problems zwischen Israel und den Palästinensern zu unternehmen: An diesem Kern des Nahostkonflikts haben sich schon sämtliche Vorgänger Donald Trumps versucht. Mit unterschiedlichem Geschick, aber durchweg alle erfolglos. Und nun dies: Im Weißen Haus versucht man, das Palästinenserproblem einfach wegzudefinieren. Wo kein Problem, da gibt es nach dieser Logik nämlich auch keinen Grund zum Konflikt.
Das "Problem" waren bisher die palästinensischen Flüchtlinge. Besonders jene knapp fünf Millionen, die als anerkannte Flüchtlinge im Nahen Osten selbst leben: im Gazastreifen, auf dem Westufer des Jordan, aber auch in Jordanien, Syrien und im Libanon. Ein beträchtlicher Teil von ihnen lebt bis heute in Flüchtlingslagern - zum Teil seit der Gründung Israels 1948, zum Teil seit dem Sechstagekrieg von 1967 und zum Teil seit anderen Ereignissen, die sie zur Flucht zwangen.
Eine UN-Organisation hält den Nahost-Konflikt am Leben?
Seit Dezember 1949 kümmert sich die UNRWA (United Nations Relief and Works Agency) um diese Menschen. Das älteste UN-Hilfswerk wird vor allem durch freiwillige Zahlungen der Mitgliedsstaaten und Spenden finanziert. Seine Tage könnten nun aber gezählt sein. Denn Washington, das als größter Mittelgeber bisher mehr als ein Viertel des Jahres-Etats von rund 1,2 Milliarden US-Dollar aufbrachte, tritt unter Donald Trump nun mächtig auf die Bremse. Nachdem im vergangenen Januar bereits massiv gekürzt worden war, wollen die USA nun überhaupt nichts mehr zahlen.
Das Argument: Die UNRWA halte das Flüchtlingsproblem künstlich am Leben, vergeude die Hilfsgelder und verhindere damit eine Lösung des Gesamtkonflikts. Unausgesprochen bleibt dabei das eigentliche Motiv: Wenn nämlich die UNRWA erst einmal in die Knie gezwungen und die Zahl der anerkannten Flüchtlinge drastisch reduziert ist, werden erheblich weniger Palästinenser als bisher das Recht auf Rückkehr in ihre alte Heimat beanspruchen können. Und Israel kann sich dann dort mit seinen Siedlungen weiter festsetzen.
Trumps Schwiegersohn, Jared Kushner, der als wichtiger Berater im Weißen Haus agiert, hat dies schon vor Monaten am Beispiel Jordaniens vorgerechnet: Wenn Amman den in Jordanien lebenden palästinensischen Flüchtlingen den Flüchtlingsstatus aberkenne und sie zu jordanischen Bürgern mache, dann sei ein wichtiger Teil des Problems gelöst. Das Königshaus ging nicht darauf ein, weil dies unabsehbare Folgen für Jordanien selbst hätte, denn die Zahl Menschen mit palästinensischen Wurzeln könnte dann die Bevölkerungsmehrheit stellen. Ihr Anteil liegt irgendwo zwischen 40 und 60 Prozent - den genauen Wert kennt niemand.
Endgültige Beerdigung der Zwei-Staaten-Lösung
Bleiben die gegenwärtigen Zustände erhalten, stellt dies aber eine dauerhafte Herausforderung für Israel dar. Denn die Zahl der Flüchtlinge in den Nachbarländern plus die Palästinenser, die in Israel und den Autonomiegebieten leben, wird die Zahl der Juden in Israel bald übersteigen. Deswegen setzt Washington nun direkt bei der UNRWA an: ohne Geld keine Flüchtlingshilfe, ohne Flüchtlingshilfe keine formell anerkannten "Flüchtlinge" und ohne diesen Statuts kein Anspruch auf Rückkehr der Vertriebenen und ihrer Nachkommen.
Vor allem aber: Dies wäre zugleich die endgültige Beerdigung der Zwei-Staaten-Lösung. Seit dem UN-Teilungsplan für Palästina 1947 war diese Lösung als einziger Weg betrachtet worden, ein friedliches Neben- wenn schon nicht Miteinander von Israelis und Palästinensern im historischen Palästina zu ermöglichen.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu macht schon längst keinen Hehl daraus, dass er die Zwei-Staaten-Lösung ablehnt. Der Einzug Donald Trumps ins Weiße Haus hat ihm den Rücken gestärkt: Den kommenden demografischen Verschiebungen will er mit dem neuen Nationalitäten-Gesetz in Israel einen Riegel vorschieben, Washington hat sich mit der Verlegung seiner Botschaft nach Jerusalem und der Frage des Atomabkommens mit dem Iran bereits vorbehaltlos hinter Netanjahu gestellt.
Und nun soll das Flüchtlingsproblem mit finanziellem Druck und windigen Argumenten aus der Welt geschafft werden. Doch wenn das so einfach wäre: Mit diesen Schritten drohen die Probleme im Gegenteil nur noch größer zu werden.
Peter Philipp
© Deutsche Welle 2018
Peter Philipp war 23 Jahre lang Nahostkorrespondent in Jerusalem.