Auf Augenhöhe mit dem Abendland
Muslime und muslimisches Leben - das gibt es in spürbarem Ausmaß erst seit ungefähr 40 Jahren in Deutschland, bedingt durch die Einwanderung so genannter Gastarbeiter, die später hierzulande heimisch wurden.
Dennoch gibt es bereits seit 100 Jahren ein Museum für Islamische Kunst, beheimatet auf der so genannten Museumsinsel in der Hauptstadt Berlin.
"Berlin hat das Glück, eine der größten Sammlungen islamischer Kunst in der Welt zu besitzen" so Museumsdirektor Claus-Peter Haase.
"Von Objekten aus dem einstmals muslimischen Andalusien in Spanien bis hin zu Exponaten aus dem islamischen Indien der Mogul-Zeit sind hier wirklich Ausstellungsstücke aus allen wichtigen Regionen und Perioden versammelt. Man kann sich hier über Ägypten, Palästina, Syrien, Anatolien, Zentralasien und Iran informieren, vor allem natürlich darüber, was dort zu verschiedenen Zeiten die Spitzenleistungen auf künstlerischem Gebiet waren."
Der Museumsdirektor ist stolz auf die umfangreiche Sammlung islamischer Kunst, die nun bereits seit 100 Jahren in Berlin zur Schau gestellt wird.
Das Museum für Islamische Kunst auf der Berliner Museumsinsel gehört laut seinen Worten mit etwa 330.000 Besuchern pro Jahr zu den am besten besuchten Museen dieser Art weltweit.
Damit entspricht es auch heute noch den Absichten von Museumsgründer Wilhelm von Bode, der damals, bei der Einrichtung des Museums vor 100 Jahren, durchaus auf Widerstand gestoßen war.
"Eine geniale Idee"
"Es war eine geniale Idee des damaligen Generaldirektors der Museen zu Berlin, Wilhelm von Bode, die außereuropäischen Künste stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken zu wollen und vor allen Dingen die Islamische - und zwei Jahre später auch die Ostasiatische Sammlung - auf Augenhöhe mit der abendländischen Kunst zu heben."
"Dies war damals aber nicht gleich auf Gegenliebe gestoßen. Im Gegenteil, die Presse war etwas überrascht und war eigentlich dem Gedanken, man müsse sich mehr mit islamischer Kunst beschäftigen, feindlich gegenübergestellt. Aber die Kunstgeschichte hat sich dann doch um diese großartigen Objekte gekümmert: um die großen Architekturteile der Schlossfassade aus Jordanien aus frühislamischer Zeit, oder um die Mihrabs - Gebetsnischen aus Iran und Konya."
"Die Kunstgeschichte hat durch das Berliner Beispiel eigentlich erst begonnen, islamische Kunst so in Perioden und Regionen einzuteilen, wie wir das heute allmählich als festes Wissen weiterreichen."
Dem Museumsgründer Wilhelm von Bode ging es zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor allem darum zu zeigen, dass islamische Kunst sich nicht auf ein paar Orientteppiche beschränkt, sondern große Werke der Kulturgeschichte von bleibender Schönheit hervorgebracht hat.
Der Sprung in die Moderne
Der heutige Direktor Haase hingegen will durchaus auch frischen Wind in die museale Tradition bringen und zeigt deshalb zum Beispiel eine moderne Installation der iranischen Künstlerin Farkhondeh Sharoudi.
Die Künstlerin lebt seit 1990 in Deutschland und kombiniert in ihrer Arbeit eine osmanische Prunkrüstung mit einem modernen militärischen Tarnanzug - was einen Bezug zu heutigen Zeit schafft und künstlerisch wohl die in westlichen Ländern um sich greifenden Ängste vor einer angeblichen "islamischen Bedrohung" variiert.
Auf die Frage, welches er denn für das wertvollste oder bedeutendste Ausstellungsstück in seiner Sammlung Islamischer Kunst hält, antwortet Direktor Claus-Peter Haase betont diplomatisch:
Reichhaltige Sammlung
"Das ist schwer zu sagen, denn es hängt natürlich auch von den Leidenschaften des Betrachters ab. Natürlich sind die Großobjekte wie das Architekturteil der jordanischen Schlossfassade mit seinen unendlich vielen Motiven und Darstellungen etwas besonders Wertvolles."
"Aber das gilt natürlich auch für den ältesten erhaltenen islamisch-spanischen Teppich aus dem frühen 14. Jahrhundert und für einige der frühesten anatolischen Teppiche."
"Außerdem haben wir hier auch diese wunderbaren Koran-Prachthandschriften aus der Blütezeit der Safawiden-Dynastie im Iran im 16. Jahrhundert. Diese Exponate sind eigentlich alle gleichrangig und einmalig in ihrer Art."
Stolz ist Haase auch auf das in Berlin ausgestellte berühmte "Aleppo-Zimmer" aus einem christlich-orientalischen Wohnhaus im heutigen Syrien. Es ist reich an Inschriften und wird vom Direktor als "Enzyklopädie der Religionen und Kulturen" einer osmanischen Stadtgesellschaft im 16. und 17. Jahrhundert gewürdigt.
Die ägyptische Familie Soliman
Zum 100-jährigen Bestehen präsentiert das Museum eine Sonderausstellung, die auch Leihgaben anderer Museen umfasst. Ein Teil dieser Schau ist der Familie Soliman aus Ägypten gewidmet, die bereits seit vielen Generationen in Deutschland lebt.
Mohamed Soliman gehörte um 1906 zu den Filmpionieren der Stadt. Erst vor kurzem hat seine Tochter, Hamida Soliman, die mit 100 Jahren genau so alt ist wie das Museum, trotz ihres hohen Alters die Ausstellung besucht, wie Museumsdirektor Haase stolz berichtet:
"Eine ägyptische Familie, die seit fünf Generationen in Berlin lebt: Das ist sozusagen unser Sprung in die Gegenwart - denn wir fragen: Was ist dieser Familie an orientalischer, ägyptischer, auch muslimischer Identität noch bewusst?"
"Der Patriarch, Mohamed Soliman, hatte einen Zirkus und die ersten Lichtspielhäuser in Berlin gegründet. Es war eine geschäftlich sehr erfolgreiche Familie, und dies ist sie bis heute."
"Die Familie hat sich in ihrem Heim so eine Art alter 'Orient-Ecke' bewahrt. Und diese Ecke durften wir hier ausstellen - einige Möbel, die zwar in Ägypten hergestellt wurden, die aber schon deutlich für den europäischen Geschmack bestimmt sind."
"Es ist zwar orientalische Ornamentik erkennbar, aber insgesamt sind die Möbel doch für ein europäisches Zimmer bestimmt - also eine herrliche Verbindung der beiden Kulturen. Vielleicht steht dies auch symbolisch dafür, was einer Minderheit, die einer fremden Kultur entstammt, nach so vielen Generationen an Identitätsgefühl bleibt."
Sabine Ripperger
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