Ein "jüdisches Schiff" für Gaza
Sie wollen mit einem eigenen kleinen Schiff nach Gaza fahren: ein Dutzend Juden aus Deutschland, die sich in der Organisation "Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden im Nahen Osten" zusammengeschlossen haben.
Bewusst stellen sie sich gegen die Mehrheit der in Deutschland lebenden Juden, die Kritik an der israelischen Regierung ablehnen und die Abriegelung des Gazastreifens nicht in Frage stellen.
Ende Juli wollen sie in See stechen und Hilfsgüter nach Gaza bringen, sagt Dr. Kate Katzenstein-Leiterer, eine der Organisatorinnen des Schiffes.
An Bord werden sie Schulranzen haben, die sie an Schulen in Nordrheinwestfalen und Berlin als Spenden eingesammelt haben, Musikinstrumente und Fischereiutensilien, wie Außenbordmotoren und Fischernetze. "Wir haben nur ein kleines Boot, daher können wir nur wenige und eher symbolische Hilfsgüter mitbringen", erklärt Katzenstein-Leiterer.
Die Blockade durchbrechen
Wichtiger als die humanitäre Hilfe ist den Organisatoren das politische Signal, das sie aussenden wollen. Denn sie wollen mit ihrem Boot die Seeblockade durchbrechen, die Israel über Gaza verhängt hat.
Diese Blockade sei vollkommen illegal und stehe im Widerspruch zu allen internationalen Konventionen, so Katzenstein-Leiterer. Und die deutschen Juden wollen noch mehr: "Wir wollen den Palästinensern im abgeriegelten Gazastreifen zeigen, dass es auch Juden gibt, die nicht mit Bomben und Gewehren zu ihnen kommen, sondern mit Hilfe!", sagt sie.
"Keine Gewalt"
Doch ob sie überhaupt in Gaza landen werden, ist fraglich. Bisher hat Israel die meisten Schiffe, die versuchten, die Blockade zu durchbrechen, aufgehalten.
Was also werden die Aktivisten an Bord des jüdischen Schiffes tun, wenn sie von Israel gestoppt werden? "Das kann passieren. Dann werden wir protestieren, aber keinerlei Gewalt anwenden", so die Organisatorin.
Ende Mai war eine Flotille internationaler Aktivisten im Mittelmeer von der israelischen Marine aufgebracht worden. Bei den Auseinandersetzungen an Bord des Passagierschiffes "Mavi Marmara" wurden neun türkische Reisende getötet. Ihnen werde so etwas nicht passieren, davon ist Kate Katzenstein-Leiterer überzeugt: "Wir werden von unserer Seite aus keinerlei Gewalttaten verüben."
Sollte man gestoppt werden, werde man umkehren und es später erneut versuchen, den Gazastreifen mit dem Schiff zu erreichen. Auf keinen Fall wollen die jüdischen Helfer Ägypten oder den israelischen Hafen Ashdod anlaufen und dort die Hilfsgüter auf Lastwagen umladen. Zu groß sei das Misstrauen, so Katzenstein-Leiterer, ob tatsächlich alle Spenden ihr Ziel erreichten.
Deutsche Juden für Gaza
Seit einem dreiviertel Jahr organisieren sie die Schiffsreise nach Gaza: die Biologin und Hirnforscherin Kate Katzenstein-Leiterer in Berlin und die Lehrerin Edith Lutz in der Eifel. Letztere ist promovierte Judaistin und engagiert sich schon lange für die Menschen im abgeriegelten Gazastreifen.
2008 gelang es ihr, an Bord eines kleinen Schiffes der internationalen "Free Gaza-Bewegung" den Gazastreifen zu besuchen.
Im Januar versuchte sie es erneut, diesmal auf dem Landweg. Doch der geplante Protestmarsch von mehr als 1000 Aktivisten aus 47 Ländern wurde in Ägypten gestoppt. Nur wenige Teilnehmer durften in den Gazastreifen einreisen. Edith Lutz war nicht darunter. Nun will sie es an Bord des jüdischen Schiffes wieder versuchen.
In den israelischen Medien habe ihr Vorhaben bereits für Aufsehen gesorgt, erzählt Lutz. Die Reaktionen seien negativ und von Unverständnis geprägt. Sie habe nur wenig Zustimmung bekommen. Die meisten Israelis könnten nicht verstehen, dass Juden aus dem Ausland den Palästinensern Hilfe bringen wollen, sagt sie, anstatt sich an die Seite Israels zu stellen.
Für sie und Kate Katzenstein-Leiterer ist das Engagement für die Palästinenser in Gaza nicht nur eine politische Frage, sondern auch ein Gebot der Mitmenschlichkeit, das ihnen ihre jüdische Religion aufträgt. "Das verträgt sich nicht mit den Judentum", sagt Katzenstein-Leiterer. Die Unterdrückung eines anderen Volkes sei mit der Lehre des Judentums nicht zu vereinbaren.
Autorin: Bettina Marx
© Deutsche Welle 2010
Redaktion: Nimet Seker/Qantara.de
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