In vielen Kriegen und Krisen behütet

Im Jahr 1856 gründeten im Libanon ansässige Ausländer die evangelische Gemeinde Beirut. Wichtig war den Gemeindemitgliedern die Durchführung von Gottesdiensten, des Abendmahls, Taufen und Beerdigungen. Martina Waiblinger stellt die Gemeinde vor.

Im Jahr 1856 gründeten im Libanon ansässige Ausländer die evangelische Gemeinde Beirut. Wichtig war den Gemeindemitgliedern die Durchführung von Gottesdiensten, des Abendmahls, Taufen und Beerdigungen. Martina Waiblinger stellt die Arbeit der Gemeinde vor.

Bischof Dr. Wolfgang Huber und Pfarrerin Weltzien; Foto: Martina Waiblinger
Bischof Dr. Wolfgang Huber, Ratsvorsitzender der EKD, reiste zu Ehren des 150jährigen Jubiläums der evangelischen Gemeinde nach Beirut

​​Trotz des Libanonkriegs im Sommer 2006 feierte die evangelische Gemeinde in Beirut im Herbst letzten Jahres ihren 150. Geburtstag. Für das Pfarrerehepaar Weltzien war diese Festwoche, zu der auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber, mit einer Delegation anreiste, "eine wichtige Ermutigung" nach den Schrecken der 34 Tage, in denen die Gemeinde – einmal wieder - ein wichtiges Zentrum für viele Flüchtlinge geworden war.

Mitte des 19. Jahrhunderts hatte sich unter den deutschsprachigen und den französischsprachigen evangelischen Europäern, die als Kaufleute in Beirut ansässig waren, der Wunsch nach einem evangelischen Gemeindeleben entwickelt. Nach langen Verhandlungen wurde Pastor Kraemer als erster Pfarrer 1856 von Deutschland nach Beirut entsandt.

Offiziell angeschlossen war die neue Beiruter Gemeinde an die preußische Landeskirche. Die Gottesdienste fanden abwechselnd in französischer und deutscher Sprache statt, und nach fünfjähriger Amtszeit hatte Pastor Kraemer eine lebensfähige zweisprachige Gemeinde mit über 60 Mitgliedern aufgebaut und eine Gemeindeschule gegründet.

Bereits der Erste Weltkrieg aber führte zur Trennung der deutschen und französischen Gemeindemitglieder, was zur Folge hatte, dass die französische Mandatsregierung im Libanon das Pfarrhaus und den Friedhof den französisch sprechenden Mitgliedern übergab.

Eine neue Kirche

Die deutsche Gemeinde legte erst kurz vor dem Zweiten Weltkrieg, am 3. November 1938, den Grundstein für eine Kirche, die im Frühjahr 1939 fertig gestellt wurde und bis heute ein zentraler Ort des Gemeindelebens ist.

Der Zweite Weltkrieg hatte dann erneut den Verlust aller Gebäude an den neu gegründeten libanesischen Staat zur Folge. Das Pastorat wurde als Schulhaus und die Kirche als Turnhalle genutzt.

Gottesdienst zum 150jährigen Bestehen der ev. Gemeinde in Beirut; Foto: Martina Waiblinger
Gottesdienst zum 150jährigen Bestehen der evangelischen Gemeinde in Beirut

​​1954 nahm Pastor Gustav-Adolf Kriener die Arbeit auf und im März 1955 gab die libanesische Regierung der Gemeinde die Kirche und das Gemeindehaus zurück. Eine Zeit des Aufbaus und des Aufschwungs begann, für den Libanon - damals "Schweiz des Orients" genannt – ebenso wie für die Gemeinde, die ein Zentrum für unzählige Besucher wurde.

"Die Stadt Beirut war eine bunte Metropole, in der Kulturen und Sprachen, Moden und Essgewohnheiten aus Ost und West einander begegneten ...", schreibt die Ehefrau von Pastor Kriener in ihren Erinnerungen.

Engagierte Sozialarbeit

Mit dem 15 Jahre dauernden Bürgerkrieg im Libanon (1975-1990) kamen große Herausforderungen auf die Gemeinde zu. Schon einige Jahre zuvor war ein neuer wichtiger Bereich der Gemeindeaktivitäten entstanden: eine engagierte Sozialarbeit, die in der Gemeindesatzung festgeschrieben wurde und 1973 zur Anstellung einer Sozialarbeiterin führte.

Bewaffnetes Fahrzeug auf Beiruter Straße im Bürgerkrieg 1975; Foto: AP
15 Jahre - von 1975 bis 1990 - dauerte der Bürgerkrieg im Libanon

​​Zwei Gruppen mussten betreut werden: einerseits ansässige deutschsprachige Frauen, die mit Libanesen verheiratet waren, andererseits Auswärtige, die in Beirut gestrandet oder ins Gefängnis gekommen waren.

Vor dem Krieg im Sommer 2006 kamen wöchentlich etwa 300 Menschen in die Gemeinde. Mit den angebotenen Aktivitäten werden auch viele Nicht-Mitglieder erreicht. Seit der Aufstockung des Gemeindehauses zu einem achtstöckigen Haus, das 2001 fertig gestellt wurde, verfügt die Gemeinde über die nötigen Räumlichkeiten für ihre Aktivitäten.

"Unser konzeptioneller Ansatz ist, dass wir eine offene, einladende Kirche sein wollen. Das ist wichtig, weil wir alle integrieren möchten. Deshalb wurde auch der Bereich der interkulturellen Arbeit z.B. mit deutschen Frauen, die konvertiert sind und mit Kindern, die den muslimischen Glauben des Vaters haben, intensiviert", erzählt Pfarrerin Friedericke Weltzien, die seit sieben Jahren mit ihrem Ehemann Pfarrer Uwe Weltzien für die Gemeinde verantwortlich ist.

Ein Stück Heimat

Zu den Aktivitäten der Gemeinde gehört der traditionell wichtige Frauentreff, von dem aus ein berühmter Weihnachtsbasar organisiert und bestückt wird. Dann gibt es den Kindernachmittag, die Erwachsenenbildung mit Vorträgen, ökumenische Aktivitäten, Ausflüge und die Sozialarbeit, für die Pfarrerin Weltzien das Zentrum für Seelsorge und psychosoziale Beratung ins Leben gerufen hat:

Pfarrerin Friedericke Weltzien; Foto: privat
Pfarrerin Friedericke Weltzien

​​"Frauen, die hier verheiratet sind, sind oft mit Gewalt konfrontiert, mit Ehrenmorden und Kindesentführungen. Auch Frauen, die muslimische Kinder haben, brauchen oft Beratung: Soll ich konvertieren, wie kann ich den Kindern die christlichen Traditionen vermitteln. Wir arbeiten auch mit verschiedenen NGOs im Land zusammen, z.B. mit dem Netzwerk gegen Gewalt, und wir sind im Kontakt mit schiitischen Scheichs, mit denen wir im Konfliktfall gemeinsam nach Lösungen suchen."

Der zentrale Punkt der Gemeindearbeit ist aber nach wie vor der sonntägliche Gottesdienst und das Treffen danach, bei dem die Themen der Woche behandelt und spirituell bearbeitet werden.

Auch für Frau Marlies Guder, die als "mitausreisende Ehefrau" ihren Mann während des fünfjährigen Aufenthalts im Libanon für die GTZ begleitet, ist die Gemeinde ein wichtiges Zentrum: "Es ist ein kleines Zuhause hier. Der Kontakt ist sehr wichtig für mich." So steht es auch im Prospekt: "Ein Stück Heimat für Deutschsprachige". Und das ist es für viele.

Martina Waiblinger

© Qantara.de 2007

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