Kirchen als Vermittler der Religionen
Die katholische und die evangelische Kirche haben dazu beigetragen, dass zwischen Muslimen und Deutschen Brücken geschlagen und psychologische Barrieren abgebaut wurden.
Die Kirche ist auf die muslimischen Studenten zugegangen, die während der achtziger und neunziger Jahre nach Deutschland geströmt sind. So stellte man ihnen Räumlichkeiten zur Verfügung, in denen sie ihren Gottesdienst abhalten und religiöse Feste feiern durften.
Mit dem Ende des Kalten Kriegs, zu Beginn der neunziger Jahre, rückte der Islam als Ersatz für das verlorene Feindbild ins Blickfeld. Die Kirchen, besonders die evangelische, veranstalteten Diskussionsforen zu islamischen Themen. Zuerst kamen nur vereinzelt einige muslimische Studenten, dann entwickelten sich daraus Veranstaltungen, an denen sich auch die islamischen Vereinigungen beteiligten.
Verschiedene Motive
Die Motive beider Seiten waren sehr unterschiedlich. Auf christlicher Seite wollte man mehr über die islamische Religion und das Leben als gläubiger Muslim erfahren und war bestrebt, Gemeinsamkeiten hervorzuheben, um Konkurrenzdenken oder Konflikten zuvor zu kommen. Die Muslime waren bemüht, ihre Religion darzulegen und das Bild zu korrigieren, das man sich hier vom Islam macht und das viele Muslime als verzerrt empfinden.
Der Westen hat seine stereotypen Bilder zum Islam entwickelt, genauso haben aber auch viele Muslime stereotype Vorstellungen über das westliche Leben und die christliche Religion. Bedenkt man, dass die meisten der muslimischen Studenten aus undemokratischen Ländern stammen, versteht man vielleicht, warum viele Diskussionsforen für die Beteiligten auf christlicher Seite oftmals recht unerfreulich verliefen. Die meisten Muslime hatten einfach nicht gelernt, wie ein konstruktiver Dialog geführt wird, bei dem man die Meinung des anderen annimmt und eigene Schwächen anerkennt.
Ich möchte die Aufmerksamkeit auf einige Resultate dieser Diskussionsrunden lenken, die auf muslimischer Seite zu verzeichnen sind. Dabei erreichten die Foren zwar meist nicht die Ebene eines Dialogs, doch sie förderten Diskussionen und den Informationsaustausch.
Persönliche Kontakte stärken Vertrauen
Für die beteiligten Muslime stellten die Foren ein Fenster dar, durch das sie einen Einblick in die deutsche Gesellschaft bekamen. Durch die wiederholten Treffen entstanden Bekanntschaften und Freundschaften, die das gegenseitige Vertrauen fördern. Die Muslime verbesserten dank der Diskussionen in den Foren ihr Deutsch und konnten dies im Umgang mit der deutschen Bürokratie anwenden.
Viele Muslime bekamen erstmalig die Chance, die Meinung des anderen zu hören und eigene Vorurteile über den Westen abzubauen. Aus gesellschaftspolitischer Sicht sehr positiv zu bewerten sind die Erfahrungen, die die deutsche Kirche in den gemeinschaftlichen Projekten gemacht hat.
Viele der an den Diskussionsforen beteiligten Muslime würdigen inzwischen die positiven Seiten des Anderen, nehmen Abstand von Fehleinschätzungen und davon, alles im Licht der Extreme als "absolut richtig" oder "absolut falsch" zu betrachten.
Die Foren haben in direkter Weise zur Mäßigung extremer religiöser Meinungen einiger Muslime beigetragen. Sie waren der Zugang, Bereiche anzusprechen, die den Muslimen als unstrittig, ja unantastbar gelten. So der Kommentar eines muslimischen Teilnehmers: "Ich schäme mich, wenn ich mich an mein Auftreten während der ersten Treffen erinnere."
Durch die erfolgreiche Unterstützung der muslimischen Ansprüche und die Hilfe bei der Lösung von Problemen, die viele Muslime während gemeinsamer Arbeitsgruppen von deutscher Seite erfuhren, wuchs ihr Vertrauen in die hiesige Gesellschaft.
Die Foren förderten ein gegenseitiges Verständnis und initiierten Arbeitsgruppen, in denen beide Seiten sich für ihr gemeinsames Wohl einsetzen. Dies ist ein Teil dessen, was die christlich-islamischen Treffen bislang bewirkten.
Muslime sollen sich aktiv beteiligen
Für die Beteiligten auf beiden Seiten bleibt dennoch viel zu tun, besonders angesichts des internationalen Terrorismus, der inzwischen auch Europa in Furcht und Schrecken versetzt. Einige junge Muslime aus der Generation, die in Europa geboren wurde, sind darin verwickelt, aufgebracht wohl durch misslungene Integration, Außenseitergefühle und dem Empfinden, die Mehrheitsgesellschaft würde von oben auf sie herabschauen.
Gerade in dieser kritischen Situation muss die gemeinsame Arbeit fortgesetzt werden, so dass endlich ein ehrlicher und gleichberechtigter Dialog stattfinden kann. Klare Arbeitsfelder müssen definiert werden, die die chronischen und tiefgehenden Probleme in Angriff nehmen, mit denen man die Muslime allein gelassen hat.
Mit den Aktivitäten muss ein breiterer Kreis der Muslime erreicht werden, damit mehr von ihnen beginnen, sich in die Gemeinschaft der Deutschen zu integrieren und aus ihrer Ignoranz und dem isolierten Leben am Rande der Gesellschaft heraus zu kommen.
Die muslimische Minderheit sollte aktiv zur Lösung ihrer dringenden sozialen Probleme beitragen, indem sie sich als vollwertiges Mitglied der Mehrheitsgesellschaft begreift, mit allen Rechten und Pflichten. Sie muss verstehen, dass sie ihre Probleme nicht allein lösen kann.
Muhammad Abu al-Qumsan
Aus dem Arabischen von Stefanie Gsell
© Qantara 2005
Muhammad Abu al-Qumsan war fünf Jahre lang Präsident der Islamischen Gemeinde Erlangen und ist Gründungsmitglied der Islamischen Religionsgemeinschaft in Erlangen. Er ist ebenfalls Gründungsmitglied sowie Sprecher einer Anti-Terrorismus-Kampagne, die unter dem Motto "Nicht im Namen des Islam" auftritt. Seit 1990 ist er als Mitglied diverser christlich-islamischer Diskussionsforen sowie der Christlich-Islamischen Arbeitsgemeinschaft in Erlangen aktiv.
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