Zukünftige Nobelpreisträger entdecken
Seit fast 25 Jahren setzt sich die Gesellschaft zur Förderung der Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika unermüdlich als Vermittlerin zwischen literarischen Werken der so genannten Dritten Welt und deutschsprachigen Verlagen und Lesern ein. Ihre Instrumente sind u. a. ein Übsetzungsförderungsprogramm, eine Zeitschrift sowie diverse Berater- und Werbetätigkeiten.
"Unser Job ist es, zukünftige Nobelpreisträger zu entdecken", sagt Peter Ripken, Geschäftsführer der Gesellschaft, und lacht. Das meine er natürlich nur im Spaß, fügt er hinzu.
Und dennoch, es ist etwas Wahres dran. Denn die Liste derer, die von der Gesellschaft für das deutschsprachige Publikum entdeckt und später mit einem wichtigen literarischen Preis ausgezeichnet wurden, ist mittlerweile recht lang.
1985 z. B. begann die Gesellschaft ihr Übersetzungsförderungsprogramm mit dem Ägypter Nagib Machfus, dem 1988 der Nobelpreis für Literatur verliehen wurde. Der Marokkaner Tahar Ben Jelloun, 1986 von der Gesellschaft zur Übersetzung vorgeschlagen, erhielt 1987 den renommierten Prix Gancourt. Die Algerierin Assia Djebar, ebenfalls ein "Kind" der Gesellschaft, wurde im Jahr 2000 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet.
Stärkere Auseinandersetzung mit der Kultur des Südens
Die Gesellschaft wurde 1980 u. a. von Verlegern, Übersetzern und Mitarbeitern der evangelischen Kirche gegründet. Damals war Schwarzafrika Schwerpunkt der Frankfurter Buchmesse und machte noch einmal deutlich, wie unterentwickelt der deutsche Büchermarkt war, wenn es um Literatur der südlichen Halbkugel ging.
Es gab schließlich drei handfeste Argumente, eine Gesellschaft zur Förderung dieser Literatur zu gründen, erinnert sich Peter Ripken. Zum einen äußerte die Frankfurter Buchmesse das Bedürfnis nach einem kompetenten Partner, der sie bei der Auswahl von so genannter Dritte-Welt-Literatur beraten würde.
Zum anderen hatten sich bis dahin Übersetzer bei den Verlagen immer wieder blutige Nasen geholt, wenn sie ein Buch vorschlugen, dessen Autor gänzlich unbekannt war. Es fehlte eine neutrale Instanz, die Hintergründe und Einschätzungen von Autoren und ihren Werken aus dem Süden leisten konnte.
Das dritte Argument kam von der evangelischen Kirche, die eine stärkere Auseinandersetzung des Nordens mit der Kultur des Südens forderte.
Abbau von Vorurteilen
'Dialog durch Literatur' ist das Motto der Gesellschaft. Denn Literatur öffnet die Türen zu unbekannten Welten, lässt den Leser fremde Kulturen und Gesellschaften kennen lernen, gewährt ihm Einblick in andere Gedankengänge.
Literatur kann einen Beitrag zur Auflösung von Vorurteilen und Stereotypen, zum Abbau von Misstrauen und Ablehnung gegenüber dem Fremden leisten.
Die Aktivitäten der Gesellschaft sind vielfältig. Seit 1983 gibt sie die Zeitschrift LiteraturNachrichten heraus, die vierteljährig in Form von Rezensionen, Interviews, Porträts und Leseproben über außereuropäische Literatur informiert.
1984 gründete sie ein Übersetzungsförderungsprogramm, das vom Auswärtigen Amt und der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia finanziert wird und die Bezuschussung von jährlich rund 20 Übersetzungen ermöglicht. 1985 rief sie den Anderen Buchklub ins Leben, dessen Mitglieder in Absprache mit den Verlagen regelmäßig mit ausgewählten Neuerscheinungen versorgt werden.
Vielfältige Beratungs- und Werbetätigkeiten
Darüber hinaus informiert die Gesellschaft die Verlage kontinuierlich über literarische Entwicklungen und Tendenzen der drei Kontinente und empfiehlt interessante Werke für eine Übersetzung. In Zusammenarbeit mit Buchhandlungen organisiert sie Lesungen und Lesereisen.
Einmal im Jahr veranstaltet sie in Iserlohn gemeinsam mit der Evangelischen Akademie eine internationale Tagung zu einem bestimmten Land und seinen Autoren. Auf der Frankfurter Buchmesse wird das Internationale Zentrum, Ort literarischer Begegnungen und Debatten, von der Gesellschaft organisiert.
Guck mal übern Tellerrand
Wann fängt die Gesellschaft an, sich mit einer Region zu beschäftigen? "Wenn wir Fehlentwicklungen oder Defizite in deren Wahrnehmung bemerken", antwortet Peter Ripken. Die Karibik z. B. gehörte dazu. Mit Afrika fing die Arbeit der Gesellschaft an – und ist es bis heute geblieben.
Immer noch herrschen subtile und manifeste Vorurteile in unseren Köpfen, weiß Peter Ripken, denen es entgegenzusteuern gilt. Ende der 90er Jahre tat die Gesellschaft dies mit diversen Aktionen sowohl für das erwachsene Lesepublikum ("Afrikanissimo") als auch für Kinder ("Guck mal übern Tellerrand") und deren Lehrer und Erzieherinnen, die mit entsprechendem Lehrmaterial versorgt wurden.
Eine Mitarbeiterin der Gesellschaft hat sich inzwischen auf die Fortbildung von Pädagogen fokussiert, weil da so manche Lücke entdeckt wurde. Das letzte Schwerpunktthema war die arabische Welt, die im Übrigen – auf Anregung der Gesellschaft hin – auch Ehrengast der Frankfurter Buchmesse im Oktober war.
Nadja Encke
Freie Journalistin, Mannheim
© Goethe-Institut, Online-Redaktion 2004
Gesellschaft zur Förderung der Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika