Internationale Autoren kritisieren Litprom

Die palästinensische Autorin Adania Shibli sollte auf der Buchmesse in Frankfurt den LiBeraturpreis der Vereins Litprom erhalten. Doch die Preisverleihung wurde auf unbestimmte Zeit verschoben. Internationale Autorinnen und Autoren kritisieren die Entscheidung.
Die palästinensische Autorin Adania Shibli sollte auf der Buchmesse in Frankfurt den LiBeraturpreis der Vereins Litprom erhalten. Doch die Preisverleihung wurde auf unbestimmte Zeit verschoben. Internationale Autorinnen und Autoren kritisieren die Entscheidung.

Die palästinensische Autorin Adania Shibli sollte auf der Buchmesse in Frankfurt den LiBeraturpreis der Vereins Litprom erhalten. Doch die Preisverleihung wurde auf unbestimmte Zeit verschoben. Weltweit kritisieren Autoren die Entscheidung. Von Nikolas Fischer

Von Nikolas Fischer

In einem Offenen Brief, der zuerst auf der Plattform Arablit.org veröffentlicht wurde und den mehr als 1200 Autoren, Redakteure und Verleger unterzeichnet haben, wird der Organisator des deutschen LiBeraturpreises, der gemeinnützige Verein Litprom, der unter anderem von der Frankfurter Buchmesse unterstützt wird, mit massiven Vorwürfen konfrontiert.

Die Verleihung des LiBeraturpreises 2023 an die palästinensische Autorin Adania Shibli für deren kontrovers diskutierten Roman "Eine Nebensache" (Berenberg Verlag 2022) wurde auf einen noch nicht definierten Zeitpunkt verschoben und fand nicht mehr wie ursprünglich geplant am 20. Oktober, also während der Buchmesse, statt.

"Zu einer Zeit, in der die Messe eine Erklärung herausgegeben hat, in der es heißt, sie wolle israelische Stimmen 'auf der Messe besonders sichtbar machen', schließen sie den Raum für eine palästinensische Stimme", heißt es dazu im Offenen Brief. Unterzeichnet wurde er unter anderem von den Literaturnobelpreisträgern Annie Ernaux, Abdulrazak Gurnah und Olga Tokarczuk sowie der Booker Preis-Gewinnerin Anne Enright.

Die Verschiebung sei "skandalös", hatte auch der slowenische Philosoph Slavoj Zizek in seiner Eröffnungsrede bei der Buchmesse gesagt. Eine öffentliche Diskussion mit Adania Shibli und ihrem Übersetzer Günther Orth war ebenfalls abgesagt worden.

 

Nach dem bestialischen Angriff von Hamas-Terroristen auf Israel mehren sich Stimmen, die die Auszeichnung für Adania Shibli auf der Frankfurter Buchmesse kritisieren. Aber: "Kein Buch wird anders, besser, schlechter oder gefährlicher, weil sich die Nachrichtenlage ändert." /2 pic.twitter.com/V5q8Yb0S6q

— PEN Berlin (@pen_berlin) October 13, 2023

 

Shibli an Verschiebung offenbar nicht beteiligt

Die Absage von kulturellen Veranstaltungen sei "nicht der richtige Weg", so die Autorinnen und Autoren des Offenen Briefs. "Wir erinnern uns an die Frankfurter Buchmesse, die türkische Verleger unterstützt hat, und an die voraufgezeichnete Ansprache des ukrainischen Präsidenten Selenskyj letztes Jahr." Die Buchmesse habe die "Verantwortung, palästinensischen Schriftstellern Raum zu geben" und "ihre Gedanken, Gefühle und Überlegungen (…) nicht abzuschalten", heißt es weiter.

"Einer der Zwecke von Literatur ist es, das Verständnis und den Dialog zwischen den Kulturen zu fördern", zitiert der Offene Brief Shiblis britischen Verleger Jacques Testard vom Verlag Fitzcarraldo. "In einer Zeit, in der so viel Gewalt und Herzschmerz herrschen, hat die größte Buchmesse der Welt die Pflicht, sich für literarische Stimmen aus Palästina und Israel einzusetzen."

Neben der Verschiebung der Preisverleihung kritisiert der Offene Brief auch die Verbreitung von Unwahrheiten: "Aufgrund des Krieges in Israel" habe man "gemeinsam mit der Autorin" beschlossen, die geplante Preisverleihung auf der Frankfurter Buchmesse abzusagen, war auf der Litprom-Website am 13. Oktober zu lesen. 

Laut Offenem Brief ist das falsch - demnach wurde Adania Shibli gar nicht gefragt, ob sie mit der Verschiebung der Preisverleihung einverstanden ist. Die Entscheidung sei ihr nur vorgelegt worden. Hätte die Zeremonie stattgefunden, so hätte sie "die Gelegenheit genutzt, um über die Rolle der Literatur in diesen grausamen und schmerzhaften Zeiten nachzudenken", wird Shibli im Offenen Brief zitiert. Inzwischen sind Korrekturen auf der Website von Litprom vorgenommen worden, von einer Beteiligung Shiblis an der Absage ist nichts mehr zu lesen.

Die Autorin und PEN-Sprecherin Eva Menasse; Foto: Christoph Soeder/dpa/picture-alliance
Grundfalsche Entscheidung: PEN-Sprecherin und Autorin Eva Menasse kritisiert die Entscheidung des Vereins Litprom, die Verleihung des LiBeraturpreises an Adania Shibli zu verschieben. "Kein Buch wird anders, besser, schlechter oder gefährlicher, weil sich die Nachrichtenlage ändert", sagt Menasse. "Entweder ist ein Buch preiswürdig oder nicht. Die schon vor Wochen getroffene Entscheidung der Jury für Shibli war nach meinem Dafürhalten eine sehr gute. Ihr den Preis zu entziehen, wäre politisch wie literarisch grundfalsch."

Entweder preiswürdig oder nicht

Die Preisvergabe an Shibli, eine Auszeichnung für Autorinnen aus dem Globalen Süden, deren Buch neu auf Deutsch erscheint, stand laut Litprom indes "zu keinem Zeitpunkt in Frage" - trotz der Kritik an Shiblis Roman "Eine Nebensache", dem manche Rezensenten antisemitische Narrative vorwerfen. "Die in Teilen der Presse erhobenen Vorwürfe und Diffamierungen gegen die Autorin und den Roman weist Litprom entschieden und als inhaltlich nicht begründet zurück", heißt es dazu auf der Werbsite von Litprom.

Shiblis Roman sei ein "streng durchkomponiertes Kunstwerk, das von der Wirkmacht von Grenzen erzählt und davon, was gewalttätige Konflikte mit und aus Menschen machen". Ihre Entscheidung hatte die Jury des LiBeraturpreises bereits viele Monate vor dem Angriff der islamistischen Hamas auf Israel getroffen. Die Hamas wird von Israel, den USA, Deutschland und weiteren Ländern als Terrororganisation eingestuft.

Zuvor hatte sich schon der Autorenverband PEN Berlin zur Kritik an dem Buch geäußert. "Kein Buch wird anders, besser, schlechter oder gefährlicher, weil sich die Nachrichtenlage ändert", so PEN Berlin-Sprecherin Eva Menasse. "Entweder ist ein Buch preiswürdig oder nicht. Die schon vor Wochen getroffene Entscheidung der Jury für Shibli war nach meinem Dafürhalten eine sehr gute. Ihr den Preis zu entziehen, wäre politisch wie literarisch grundfalsch."

Die 1974 geborene Autorin Adania Shibli lebt und arbeitet in Deutschland und Jerusalem. 2021 hatte sie die Friedrich-Dürrenmatt-Gastprofessur für Weltliteratur an der Universität Bern inne. "Eine Nebensache", ihre erste Buchveröffentlichung auf Deutsch, stand 2022 auf der Shortlist des Internationalen Literaturpreises. Die englische Übersetzung war für den ­National Book Award (2020) und den ­International Booker Prize (2021) nominiert. 

Nikolas Fischer

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