Was der Krieg mit Menschen macht

Unter der Überschrift "Was hat der Krieg mit dir gemacht?" geben die "Gaza-Monologe" erschütternde Einblicke in das Leben Jugendlicher in Gaza. Das Theaterstück wurde in 40 Städten weltweit aufgeführt.

Von Bettina Marx

​​Meterhohe graue Betonwände begrenzen die halbrunde Bühne im Saal C der Berliner Schaubühne. Sie dienen als spärliche aber eindrucksvolle Kulisse für das Stück "Gaza-Monologe", das hier nur ein einziges Mal aufgeführt wird. In den Zuschauerrängen sitzt ein bunt gemischtes Publikum, die ersten Reihen sind für Angehörige der arabischen Botschaften in Berlin reserviert.

Die jungen Schauspieler sind barfuß. Sie tragen einfache Jeans und T-Shirts, die meisten Mädchen haben langes Haar, locker zusammengebunden oder hochgesteckt.

Aus den Lautsprechern dringt verhalten arabische Musik, die langsam verklingt, während die Schauspieler vortreten und sich vorstellen: "Mein Name ist Marie und ich spreche heute für Jasmin." "Ich bin Fabian und ich spreche den Monolog für Hanan." "Ich bin Alex und ich spreche für Tamer", "Flora für Suha."

Fast zwanzig junge Schauspieler von verschiedenen Berliner Jugendtheatern sprechen Texte, die Altersgenossen im Gazastreifen geschrieben haben.

"Im Ganzen sterben"

Zu hören sind Zitate wie dieses: "Unser Traum ist es, einen guten Tod zu sterben und nicht ein gutes Leben zu leben", oder: "Wer wird zu meinem Begräbnis kommen?" Oder: "Ich möchte im Ganzen sterben und nicht in Hundert Stücke gerissen werden."

Es sind Monologe voller Angst und Verzweiflung, aber auch voller Träume. Sie sind entstanden nach dem Gazakrieg um die Jahreswende 2008/2009.

Unter der Überschrift "Was hat der Krieg mit dir gemacht" bieten sie erschütternde Einblicke in das tägliche Leben während des Krieges und danach.

Die Idee für die Aufführung stammt von "Ashtar", einer Nichtregierungsorganisation, die in Ramallah, Ostjerusalem und Gaza eine Schauspielausbildung anbietet und an der Entwicklung des palästinensischen Theaters arbeitet. Da die Jugendlichen den Gazastreifen nicht verlassen können, hat Ashtar über 40 Theater auf allen Kontinenten dafür gewonnen, die Texte gleichzeitig mit jungen lokalen Schauspielern zu präsentieren.

In Berlin haben Jugendliche verschiedener Jugendtheaterclubs an der Aufführung mitgewirkt. Inszeniert wurde das Stück von der Theaterregisseurin Lydia Ziemke und der Theaterpädagogin Uta Plate. Die Arbeit an dem Stück und mit den Jugendlichen sei ein großartiges Geschenk gewesen, sagt Plate.

Verschiedene Welten

Nur elf Tage lang hatten die Jugendlichen Zeit, das Stück zu proben, berichtet Regisseurin Ziemke. Zuvor aber mussten sie viel lernen über Gaza und seine Bewohner, über den Krieg und das Alltagsleben.

"Die erste große Erfahrung war: Es ist wunderbar, das tägliche Leben der Menschen kennenzulernen, Persönliches zu hören, jenseits von Politik, Staatengebilden und Mauern. Es ging um die Frage: Wie geht es unseren Altersgenossen?", erklärt Ziemke. Es sei für sie der größte Anreiz gewesen, dies herauszufinden und sich dazu in Beziehung zu setzen.

​​Zudem hätten die Jugendlichen nicht viel über die Situation in Gaza gewusst: "Das haben wir langsam in Gesprächen versucht, verständlich zu machen. Das ist natürlich alles sehr kompliziert", erinnert sich die Regisseurin.

Bei einem gemeinsamen Wochenende wurden die jungen Schauspieler auf das Leben ihrer Altersgenossen im Gazastreifen eingestimmt. Immer wieder stellten sie sich dabei die Frage: "Wie wäre es, wenn hier bei uns Krieg wäre?"

Für die Jugendlichen war es nicht leicht, sich in die für sie so fremde Welt einzufinden. Sie habe nicht viel über den Gazastreifen gewusst, berichtet die siebzehnjährige Sophia nach der Aufführung. Die Erlebnisse ihrer Altersgenossen seien ihr aber unter die Haut gegangen. Für ihren Auftritt habe sie sich bewusst den Monolog von Fatima ausgesucht, einer jungen Palästinenserin, die über ihre Träume spricht. Mit diesen Träumen, sagt Sophia, könne sie sich gut identifizieren.

Weitere Aufführung geplant

Ganz anders war es für Mohammed, denn er ist Palästinenser. Sein Vater kommt aus dem Westjordanland und seine Mutter aus einem Flüchtlingslager im Libanon. Er selbst wurde in Deutschland geboren und spielt bei der Theaterinitiative "Grenzen-Los" in Berlin-Moabit mit.

Die Arbeit an dem Stück über junge Palästinenser sei für ihn sehr emotional gewesen, berichtet er. Gleichzeitig habe er sich über das große Interesse und Engagement seiner Mitschauspieler gefreut, die von ihm viel über Palästina und die Palästinenser wissen wollten, aber auch über sein Leben in Deutschland.

Nur eine Aufführung der Gaza-Monologe gab es in Berlin bislang. Die beiden Regisseurinnen aber würden sich freuen, wenn das Stück noch mal auf die Bühne käme. Zum "Internationalen Tag der Solidarität mit dem palästinensischen Volk" am 29. November soll es in New York am Rande einer UN-Sitzung von einem anderen Ensemble noch einmal aufgeführt werden.

Der größte Traum von Lydia Ziemke und Uta Plate wäre es jedoch, die Jugendlichen aus Gaza nach Berlin einzuladen und mit ihnen und den ihren deutschen Altersgenossen gemeinsam Theater zu spielen.

Bettina Marx

© Deutsche Welle 2010

Redaktion: Nimet Seker/Qantara.de

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