Zweitpass meist rechtswidrig
Ursache ist das seit dem 1. Januar 2000 geltende neue Staatsangehörigkeitsrecht, das die Einbürgerung erleichtert hatte. Gleichzeitig entfiel aber auch die so genannte Inlandklausel, die es bis dahin ermöglichte, als frisch gebackener Deutscher zusätzlich wieder die alte Staatsbürgerschaft anzunehmen. Seither geht in diesem Fall automatisch der deutsche Pass verloren.
Von den über 80 Millionen Menschen in Deutschland sind etwas mehr als sieben Millionen Ausländer. Sie in die deutsche Bevölkerung zu integrieren, ist das erklärte Ziel aller demokratischen Kräfte. Ein wichtiger Integrationsschritt ist der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit.
Die deutsche Staatsangehörigkeit kann - von Ausnahmen abgesehen - erteilt werden, wenn der ausländische Bewerber mindestens acht Jahre in Deutschland gelebt hat, hier einen festen Wohnsitz hat, uneingeschränkt geschäftsfähig ist und keine Ausweisungsgründe gegen ihn vorliegen.
Außerdem muss der Neubürger auf seine bisherige Staatsbürgerschaft verzichten. Doppelstaatsbürgerschaften und damit verbundene mögliche Loyalitätskonflikte sollen so von vorne herein vermieden werden.
Doppelstaatler mit Wissen der türkischen Regierung
Für zahlreiche in Deutschland lebende Türken war und ist der notwendige Verzicht auf ihre türkische Staatsbürgerschaft ein entscheidender Hinderungsgrund, Deutscher zu werden. Das hat nicht nur mit emotionalen Bindungen an die alte Heimat zu tun, sondern auch mit ganz handfesten Konsequenzen, zum Beispiel beim Erbrecht. Wer nicht türkischer Staatsbürger ist, kann seinen Erbanspruch in der Türkei verlieren.
Deshalb haben nicht wenige türkischstämmige Deutsche die Möglichkeit genutzt, im Nachhinein wieder einen türkischen Pass zu beantragen. Die türkische Regierung hatte dies sogar gefördert. Noch im September 2001 hatte sie angeordnet, dass der nachträglich Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit durch türkischstämmige Deutsche gegenüber deutschen Behörden geheim zu halten sei.
Im Zuge der Bemühungen, Mitglied der Europäischen Union zu werden, hat die Türkei diese Geheimhaltung gelockert. Immer häufiger entdeckten deutsche Behörden solche rechtswidrigen Doppelstaatsbürgerschaften. Nach Schätzungen des Bundesinnenministeriums dürften fast 50.000 türkischstämmige Deutsche davon betroffen sein.
Plötzlich wieder Ausländer
Nach deutschem Recht haben sie mit der Wiederannahme der türkischen Staatsbürgerschaft auf ihre deutsche Staatsbürgerschaft verzichtet. Sie leben in Deutschland als Ausländer und wurden aufgefordert, sich umgehend um eine entsprechende Aufenthaltsgenehmigung zu bemühen. Diese kann ihnen zum Beispiel versagt werden, wenn sie inzwischen straffällig wurden.
Sie können sich allerdings auch erneut um den Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft bewerben, wenn sie das dafür erforderliche Verfahren durchlaufen und - zum Beispiel - eine inzwischen erforderliche Sprachprüfung ablegen. Außerdem werden erneut Gebühren fällig.
Forderungen aus dem Kreis der türkischen Verbände und der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, Rückkehrwilligen ein vereinfachtes Verfahren ohne Sprachprüfung anzubieten, wurden von der Bundesregierung zurückgewiesen. Es sei nicht einzusehen, warum Personen, die das Gesetz umgangen haben, ein vereinfachtes Verfahren angeboten werden sollte, während Neubewerber eine Sprachprüfung ablegen müssten.
Wolter von Tiesenhausen
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