Beweise für deutsche Waffen im Jemen
Ein Militär-Konvoi rattert über eine staubige Straße im Süden des Jemen. Von den offenen Jeeps winken Soldaten in sudanesischen Uniformen. Einige von ihnen zeigen lachend das Siegeszeichen und recken ihre Gewehre in die Luft. Es sind Söldner aus dem Sudan, die über die Meerenge Bab al-Mandab gekommen sind, um im Jemen-Krieg zu kämpfen.
An der Seite der von Saudi-Arabien geführten Koalition, die die jemenitische Regierung unterstützt, ziehen sie gegen die Huthi-Rebellen ins Feld. Seit 2015 tobt der Krieg im Jemen, dem bereits Tausende Zivilisten zum Opfer gefallen sind. Die Vereinten Nationen sprechen von der schlimmsten humanitären Krise unserer Zeit. Millionen Jemeniten sind vom Hungertod bedroht, vor allem Kinder.
Waffenstationen aus deutscher Produktion
Die Nachrichtenagentur AP hat den Konvoi im November 2015 in der Nähe der Hafenstadt Aden gefilmt. Die sudanesischen Söldner sind nicht alleine unterwegs: In dem Video sind Gefechtsfahrzeuge zu sehen, die zur Armee der Vereinigten Arabischen Emirate gehören. Es sind gepanzerte "Oshkoshs" aus US-amerikanischer Produktion, kombiniert mit deutscher Waffentechnologie: Auf die Fahrzeuge sind Waffenstationen des Modells "Fewas" montiert, die von der deutschen Rüstungsfirma Dynamit Nobel Defence in Burbach produziert werden.
Zwei der Fahrzeuge konnte das Rechercheteam lokalisieren - eines in Aden und eines nahe der jemenitischen Küstenstadt Al Khawkhah. 2009 erteilte die Bundesregierung Dynamit Nobel eine Exportgenehmigung für Waffenstationen in Höhe von 81 Millionen Euro an die Emirate, die die Bodenoffensive gegen die Huthis im Jemen anführen.
Bundesregierung: "Ist uns nicht bekannt"
Deutsche Waffen im Jemen-Krieg? Die Bundesregierung weiß davon angeblich nichts. "Mir ist davon nichts bekannt", sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) der Deutschen Welle während der Münchner Sicherheitskonferenz. Deutsche Kriegswaffen, so steht es in den Richtlinien für Rüstungsexporte, dürfen nicht an Länder geliefert werden, die in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt sind - so wie Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Dennoch durften beide Länder, die die Bundesregierung als "strategische Partner" ansieht, nach dem Beginn des Jemen-Kriegs weiter bei deutschen Rüstungsschmieden einkaufen. Es sei ihm nicht bewusst, dass diese Waffen dort eingesetzt werden, beteuerte der Wirtschaftsminister.
Doch bei genauem Hinsehen lassen sich Produkte deutscher Rüstungsfirmen auf Fotos und Videos erkennen, die im Internet frei zugänglich sind - etwa auf Twitter, Youtube und Google Earth. Eine Vielzahl solcher Quellen hat das investigative Rechercheprojekt #GermanArms analysiert: Gemeinsam fanden Journalisten der Deutschen Welle, der Zeitschrift "Stern", des ARD-Magazins "report München", des niederländischen Recherchebüros "Lighthouse Reports" und des Investigativ-Netzwerks "Bellingcat" zahlreiche Belege für den Einsatz deutscher Waffensysteme im Jemen-Krieg - an Land, in der Luft und zur See.
Assab: Operationsbasis für den Jemen-Krieg
So lässt sich anhand von Satellitenbildern belegen, dass die Emiratis in Deutschland gebaute Kriegsschiffe im Jemen einsetzen. Dabei bedienen sie sich des Hafens Assab in Eritrea, der strategisch günstig an der Meerenge Bab al-Mandab ("Tor der Tränen") liegt. Nur 60 Kilometer trennen Assab von der gegenüber liegenden jemenitischen Küste. Von hier aus erreichen Kriegsschiffe der Vereinigten Arabischen Emirate die jemenitische Küste viel schneller, als wenn sie von ihren Heimathäfen aus erst den Golf von Aden durchqueren müssten. Die Blockade von Häfen wie Hodeida durch Kriegsschiffe der saudisch geführten Koalition hat entscheidend zur Notlage der jemenitischen Bevölkerung beigetragen.
Auch Söldner werden nach Angaben der UN über den Hafen von Assab in den Jemen gebracht. Möglich macht das ein Deal der Vereinigten Arabischen Emirate mit Eritrea: Er erlaubt es den Emiratis, den Hafen von Assab als Militärbasis zu nutzen - im Jemen-Krieg ein immenser strategischer Vorteil. Die UN kritisieren diesen Deal als Verstoß gegen das Waffenembargo, das sie 2009 gegen das totalitäre Regime des eritreischen Präsidenten Isaias Afwerki verhängt hatten. Es war bis November 2018 in Kraft.Kriegsschiffe "made in Germany"
Doch die Vereinigten Arabischen Emirate kümmerte das Embargo nicht: Sie verlegten Teile ihrer Kriegsflotte in den Hafen von Assab, darunter auch in Deutschland gebaute Kriegsschiffe. Auf Satellitenbildern sind wiederholt Korvetten vom Typ "Muray Jib" zu sehen, die von der deutschen Firma Lürssen mit Sitz in Bremen gebaut wurden. Der Hersteller beschreibt das 65 Meter lange, mit Raketen bewaffnete Boot als "geeignet für Operationen in flachen Gewässern". Zuletzt waren Schiffe vom Typ "Muray Jib" im September 2018 und Februar 2019 auf Satellitenbildern im Hafen von Assab zu erkennen.
Ab März 2017 liegt wiederholt auch ein Boot der Frankenthal-Klasse im Hafen von Assab. Zwei dieser Minenjagdboote, die in Deutschland gebaut wurden, hatten die Vereinigten Arabischen Emirate 2006 gekauft. Zuvor hatte die Bundeswehr die beiden Boote genutzt. In einem Video des Senders "Al Jazeera" vom Oktober 2017 ist ein Boot der Frankenthal-Klasse im jemenitischen Hafen von Mokha zu sehen, der gegenüber von Assab liegt.
Den Hafen hatte die saudisch geführte Koalition kurz zuvor erobert. Die genauen Koordinaten des Schiffs wurden von der Recherchegruppe #GermanArms lokalisiert. Ein weiteres Indiz dafür, dass das Minenjagdboot in Kämpfe verwickelt war, lieferten die Huthis: Sie gaben an, das Boot im Juli 2017 beschossen zu haben und veröffentlichten Bilder des schwer beschädigten Schiffs.
Jagdbomber mit deutschen Bauteilen
Aber nicht nur Kriegswaffen, die sich eindeutig einem Hersteller zuordnen lassen, spielen im Jemen-Krieg eine Rolle. Es kommen auch zahlreiche Waffen zum Einsatz, die von mehreren europäischen Ländern gemeinsam produziert wurden und wichtige deutsche Bauteile haben. Das trifft etwa für Kampfflugzeuge der Typen Eurofighter und Tornado zu, mit denen die saudisch-geführte Koalition Luftangriffe gegen die Huthi-Rebellen fliegt. Die Recherchegruppe #GermanArms fand Belege für den Absturz eines saudischen Tornados im Januar 2018 im Tal Al-Souh im jemenitischen Gebiet Ketaf. Über den Partner Großbritannien lieferte Deutschland auch nach dem Beginn des Jemen-Kriegs Ersatzteile für Tornados an Saudi-Arabien.
Für den Einsatz des Tankflugzeugs A330 MRTT des europäischen Airbus-Konzerns fand das Recherche-Team im Jemen-Krieg ebenfalls Indizien.#GermanArmsuntersuchte ein Video eines regierungsnahen saudischen Twitter-Profils, das einen saudischen Eurofighter bei der Luftbetankung zeigt. Die Analyse ergab, dass es in der Grenzregion zum Jemen aufgenommen wurde.Komponenten aus deutscher Produktion
Darüber hinaus identifizierte das Rechercheteam im Video einer arabischen Nachrichtenagentur vom Oktober 2018 einen französischen Leclerc-Kampfpanzer, der an den Seiten von einem zusätzlichen Schutzsystem verstärkt wird. Dabei handelt es sich offenkundig um ein System namens Clara, das die Firma Dynamit Nobel Defence herstellt. Im März 2017 hatte die Bundesregierung der Firma eine Genehmigung für die Ausfuhr von "Reaktivpanzerungen in Form von Modulen" an die Emirate erteilt - auch in diesem Fall lange nach dem Beginn des Jemen-Kriegs.
Außerdem stießen die Journalisten von #GermanArms auf französische Artilleriegeschütze vom Typ Caesar, die mit deutschen Unimog-Fahrgestellen und Motoren ausgestattet sind. Eine Analyse von Video- und Satellitenbildern ergab, dass saudische Einheiten solche Geschütze an der Grenze zum Jemen stationiert haben und abfeuern. Mit einer Schussweite von mehr als 40 Kilometern können diese Haubitzen von der lokalisierten Stellung aus weit in den Jemen hineinfeuern.
"Deutschland macht sich zum Komplizen"
Bauteile und Rüstungstechnologie aus Deutschland lassen sich also in zahlreichen Waffen finden, die Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate im Jemen-Krieg einsetzen. "Deutschland kann sein Gewissen nicht an der Garderobe abgeben, wenn es nur Komponenten verkauft und kein fertiges Waffensystem", kritisiert Kenneth Roth, der Direktor von Human Rights Watch. Durch Waffenlieferungen an Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate mache sich Deutschland zum "direkten Komplizen" an den Kriegsverbrechen im Jemen.
In ihrem Koalitionsvertrag hatten sich CDU/CSU und SPD Anfang 2018 darauf verständigt, keine Waffen mehr an Länder zu liefern, die am Jemen-Krieg beteiligt sind. Doch erst der Mord am saudischen Journalisten Jamal Khashoggi im Oktober 2018 hatte zu einem - vermutlich nur vorübergehenden - Stopp der Exporte an Saudi-Arabien geführt. Medienberichten zufolge soll dieser am 9. März auslaufen.
Zu den Rechercheergebnissen von #GermanArms wollte die Bundesregierung keine Stellung nehmen. Die betroffenen Hersteller verwiesen darauf, dass sie sich stets im Rahmen der Gesetze bewegt hätten.
"Waffenverkäufe an die Emirate stoppen"
Rüstungsverkäufe an die Vereinigten Arabischen Emirate werden unterdessen weiter genehmigt - zwischen Oktober und Dezember 2018 im Wert von mehr als 40 Millionen Euro. Darunter sind Gefechtsköpfe für schiffsgestützte Flugabwehrsysteme an die Marine der Emirate. "Ich appelliere an Deutschland, alle Waffenverkäufe an Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate zu stoppen", fordert die Jemenitin Tawakkol Karman, Trägerin des Friedensnobelpreises.
Doch bisher gibt es von der Bundesregierung keine Signale in diese Richtung - im Gegenteil: Bei künftigen gemeinsamen Rüstungsprojekten mit Frankreich sollen die Exportregeln sogar gelockert werden.
Nina Werkhäuser & Naomi Conrad
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