Muslimische Infrastruktur im Aufwind
Der Frühling hat auch auf dem Amsterdamer Friedhof "De Nieuwe Ooster" Einzug gehalten, und mit ihm kommen wichtige Veränderungen auf das große Areal im Stadtteil Watergraafsmeer zu.
Auf einer Fläche von zwei Hektar wird hier die erste islamische Begräbnisstätte Amsterdams entstehen. Marie-Louise Meuris, Direktorin des Friedhofs, berichtet, dass die Anfragen unter anderem von der islamischen Stiftung "Welzijn Moslim" kamen. Diese Leute hätten bereits schon vor Jahren Interesse an einem islamischen Friedhof bekundet, so Meuris.
Keine Chance für radikale Islamisten
"Allerdings zeigte sich bald, dass sie nur für eine kleine Gruppe von Muslimen sprachen", so die Friedhofsdirektorin, "sie verlangten, dass keine Schiiten, Frauen oder Homosexuelle bestattet werden. Das war natürlich unmöglich. Und da wurde uns klar, dass es an der Zeit ist, dass die Stadt sich dieser Angelegenheit annimmt."
Amsterdam reagierte. Unter Leitung des ehemaligen Innenministers Ed van Thijn kamen Vertreter der verschiedenen islamischen Gemeinden aus Amsterdam zusammen. Lediglich die Stiftung "Welzijn Moslim" beharrte auf ihrem exklusiven Standpunkt und verließ die Kommission.
Alle anderen Gruppen einigten sich, und so soll 2007 die neue islamische Ruhestätte auf dem Gelände des Friedhofs "De Nieuwe Ooster" eröffnet werden: ein Ort für jeden Menschen, der sich als Muslim fühlt.
Generationenwechsel
Kommissionsmitglied Ahmed Marcouch, Sprecher der Vereinigung marokkanischer Moscheen, berichtet über den Hintergrund der Diskussion für die Errichtung eines islamischen Friedhofes in den Niederlanden: "Erst in den letzten Jahren ist ein islamischer Friedhof in Holland notwendig geworden", so Marcouch. Viele Muslime der ersten Migrantengeneration hatten eine Versicherung abgeschlossen: Im Todesfall wurde der Körper in das Heimatland überführt und dort begraben."
Doch das habe sich mittlerweile geändert. Die zweite und dritte muslimische Generation fühle sich in den Niederlanden zuhause und wünsche sich hier einen Friedhof, berichtet Marcouch. Denn wenn Familienmitglieder sterben, möchte man sie in Amsterdam beerdigen, um ihre Gräber jederzeit besuchen zu können.
Positives Beispiel für Integration und Partizipation
Ahmed Marcouch kam 1979 in die Niederlande. Bei den Kommunalwahlen am 7. März trat er an als Kandidat der sozialdemokratischen "Partij van de Arbeid" - und zwar mit Erfolg. Marcouch wird der erste holländische Stadtratsvorsitzende marokkanischer Herkunft sein. Marcouch ist ein greifbares Beispiel für die zunehmende politische Integration und Partizipation von Muslimen in den Niederlanden.
In diesem Zusammenhang bemerkt der Wissenschaftler Jean Tillie vom Institut für Migration an der Universität Amsterdam, dass Untersuchungen in Amsterdam und Berlin gezeigt hätten, je größer die muslimische Infrastruktur in einer Stadt sei, desto größer gestalte sich auch die Teilnahme der Muslime am allgemeinen gesellschaftlichen Leben.
Dies habe mit demokratischen Lernprozessen zu tun, so Tillie. Die Angst vor Parallelgesellschaften sei daher völlig unbegründet. Die Muslime seien auf dem Weg, sich zu echten Demokraten zu entwickeln.
Ein wichtiger Schritt für die Entwicklung der muslimischen Infrastruktur in Amsterdam ist - neben der Initiative für den islamischen Friedhof - vor allem der Bau der Westermoschee im Stadtteil De Baarsjes.
Jahrelang heftig umstritten, soll diese Moschee Brücken schlagen zwischen den Kulturen. So waren bei der Grundsteinlegung nicht nur Imame zugegen, sondern auch christliche und jüdische Geistliche, die dem Bauprojekt ihren Segen erteilten. Sogar eine türkisch-niederländische Rapgruppe war eingeladen.
Ganz bewusst trägt diese Moschee einen westlichen Namen. Die Westermoschee wird gebaut mit roten holländischen Backsteinen, der Entwurf des Pariser Architektenbüros Breitman orientiert sich an der Hagia Sofia in Istanbul. Anfang 2009 soll alles fertig gestellt sein - ein großer Schritt in Richtung gelebte Integration in den Niederlanden.
Michael Arntz
© DEUTSCHE WELLE 2006
Qantara.de
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