Orientiert an muslimischen Bedürfnissen
Im Jahre 2010 werden in Deutschland schätzungsweise 1,3 Millionen Migranten im Rentenalter sein. Viele von ihnen werden zwar in Deutschland bleiben, schon allein deshalb, weil ihre Kinder hier aufgewachsen sind.
Aber werden diese Kinder - wie es früher oft Tradition war - auch im Alter für sie sorgen können? Vieles spricht dafür, dass ihr Alltag und ihre Arbeitsbelastung das wohl nicht zulassen werden.
Aus diesem Grund haben sich ein deutscher Pflegeheimbetreiber und die Türkische Gemeinde Berlin zu dem Schritt entschlossen, im Berliner Stadtteil Kreuzberg das erste türkische Altenheim Deutschlands bauen.
Angepasst an muslimischen Befindlichkeiten
Es soll ein ganz normales Seniorenheim werden, doch so gewöhnlich dann auch wieder nicht. Denn die rund 180 Plätze im Heim werden vornehmlich an türkische Mitbürger vermittelt. Die Mehrheit der rund 90 Arbeitskräfte soll sowohl deutsch als auch türkisch sprechen.
In der Küche wird ohne Schweinefleisch gekocht. Es wird ein Gebetsraum eingerichtet sowie großzügige Räumlichkeiten, in denen sich auch Großfamilien mit den Altenheimbewohnern treffen können.
Doch wird mit dieser ersten Alteneinrichtung ausschließlich für türkische Migranten nicht die Idee einer multikulturellen Gesellschaft zu Grabe getragen?
Celal Altun, Generalsekretär der Türkischen Gemeinde Berlin sieht das völlig anders: "Wir haben Senioren-Einrichtungen, die einen katholischen Hintergrund haben oder einen protestantischen", so Altun. "Und auch die jüdischen Mitbürger haben ihre eigenen Einrichtungen. Deswegen ist die Integration doch nicht gescheitert, nur weil jemand in einer katholischen Einrichtung ist, der andere in einer protestantischen."
Die Entscheidung für ein ausschließlich türkisches Altersheim habe pragmatische Gründe, meint Celal Altun. Denn die Rentner mit türkischem Migrationshintergrund sprächen nur schlecht deutsch und seien immer noch stark mit den Wertvorstellungen ihres Heimatlandes verbunden.
Außerdem hielten sie sich weiterhin an die religiös bestimmten Essensgewohnheiten, so Altun. Auch die Schamgrenze sei bei ihnen höher – was bedeutet, dass Frauen nur von Frauen, Männer nur von Männern betreut werden wollten. Auf all diese Bedürfnisse könne man durch die neue Einrichtung jetzt reagieren, glaubt Altun.
Pilotprojekt und Novum für Deutschland
Rund fünf Millionen Euro wird das Projekt kosten. Finanziert wird es hauptsächlich vom Pflegeheimbetreiber der Marseiller-Kliniken. Für deren Vorstandvorsitzenden Axel Hölzer ist das türkische Altenheim auch ein Schritt in eine neue Marktnische. Denn damit werde in Deutschland erstmals eine Dienstleistung angeboten, die bisher niemand wahrgenommen habe, so Hölzer.
Es handele sich um ein Pilotprojekt. Wenn es Erfolg haben sollte, werde man sicher noch weitere Altersheime für Migranten errichten – nicht nur für türkische Mitbürger.
Bisher orientieren sich die mehr als 50 Senioreneinrichtungen des Unternehmens vornehmlich an den Ausstattungen von Vier- oder Fünf-Sterne-Hotels. Jedoch verfügen türkische Migranten im Durchschnitt über ein Einkommen von 1.036 Euro im Monat und dementsprechend niedrig sind auch die Renten der Einwanderer.
Darauf wollen sich die Betreiber des neuen Altenheims allerdings einstellen. Man werde bei einem Eigenanteil der Rentner von 600 Euro keine "Luxusherberge", sondern ein Zwei-Sterne-Altersheim anbieten, so Hölzer. Bei der Betreuung und Pflege gebe es jedoch keine Abstriche.
Ende dieses Jahres soll das Altersheim eröffnet werden. Ob die Nachfrage nach freien Plätzen groß sein wird, ist allerdings noch sehr fraglich. Denn in den 270 Pflegeeinrichtungen Berlins leben derzeit nur 40 Türken.
Die Betreiber des türkischen Altenheims sind aber dennoch zuversichtlich, dass ihr Projekt erfolgreich sein wird. Vor allem deshalb, weil die Zahl der türkischen Rentner rapide zunehmen wird und weil die traditionelle Versorgung und Pflege im Alter von den Angehörigen nicht mehr geleistet werden kann.
Panagiotis Kouparanis
© DEUTSCHE WELLE 2006
Qantara.de
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