Journalistinnen auf dem Vormarsch
Während der Herrschaft des Taliban-Regimes wurden die öffentlichen Medien in Afghanistan aus dem Alltag verbannt, doch mit dem Sturz der Taliban-Herrschaft wurde die triste Medienlandschaft bunter. Ein Bericht von Shahram Ahadi
Dass der Demokratisierungsprozess in Afghanistan ohne freie und objektive Informationsvermittlung, aber auch Aufklärung, nicht möglich ist, steht außer Frage. Eine besondere Rolle spielen afghanische Journalistinnen in verschiedenen Mediensparten, die sich für die Rechte der Frauen in ihrem Land einsetzen. Eine von ist Jamila Mujahed, die Leiterin des ersten Frauenradios in Afghanistan und Herausgeberin der Frauenzeitschrift "Malâley". Sie wurde Anfang Februar mit dem diesjährigen Marconi-Preis der Stadt Bologna ausgezeichnet, der alljährlich RundfunkjournalistenInnen verliehen wird.
Jamila Mujahed engagiert sich seit neunzehn Jahren in den afghanischen Medien und war eine der Nachrichtensprecherinnen, die nach dem Sturz der Taliban vors Mikrophon traten. "Ich hätte selbst in meinen kühnsten Träumen nicht geglaubt, dass ich all das nochmals erleben würde", sagte sie, kurz nachdem ihre Stimme im Land wieder zu hören war.
Veränderungen können noch nicht beurteilt werden
Seitdem sind mehr als zwei Jahre vergangen; zwei große Treffen der Loja Dschirga und die neue Verfassung des Landes haben große Hoffnungen geweckt. Sind seit der Verabschiedung der neuen Verfassung Anfang des Jahres schon Veränderungen spürbar?
Jamila Mujahed meint, dass es noch zu früh ist, das zu beurteilen: "Die afghanische Bevölkerung hatte sich bisher nie über Gesetze beklagt. Worüber sich die Leute beklagen, ist die Umsetzung der Gesetze. Diesmal hoffen und beten wir, dass auch die Umsetzung problemlos abläuft."
Eigene Zeitschrift für Frauen
Die 44-jährige betont immer wieder die bedeutende Rolle, die Frauen auch bei dieser Umsetzung und dem Aufbau des Landes spielen können und sollen. Durch ihr Engagement im Bereich Rundfunk und Presse für Frauen leistet sie Aufklärungsarbeit. So gründete sie die Frauenzeitschrift "Malâley". Es ist die erste Zeitschrift, die nach dem Sturz der Taliban herausgegeben wurde. In Afghanistan sind mehr als 90 % der Frauen Analphabeten. Zwar werden in Mujaheds Magazin zahlreiche Fotos und Illustrationen verwendet, dennoch fällt das Lesen den Frauen schwer.
Um die Aufklärungsarbeit trotzdem vorantreiben zu können, entstand die Idee eines Frauenradios: Am 8. März vergangenen Jahres ging "Stimme der afghanischen Frau" auf Sendung und zählt mittlerweile zu den beliebtesten und meist gehörten nicht-staatlichen Radiosendern in Afghanistan.
"Unser Radiosender ist der erste Sender in der Geschichte Afghanistans, der auch die Bezeichnung "Frau" in sich trägt. Mit der Gründung des Senders verfolgen wir das Ziel, die afghanischen Frauen zu vereinen und sie durch Rundfunkberichte und Analysen über ihre Rechte aufzuklären," berichtet Mujahed. "Wir wollen nicht politisch unterdrückt werden. Wir möchten dieselben Zivilrechte haben, die Männern zugesprochen werden".
Im Vergleich zum Frauenmagazin kann die Journalistin mit dem Radiosender mehr Frauen erreichen, dennoch ist und bleibt Analphabetismus ein wesentliches Problem der afghanischen Frauen. Das Magazin appelliert an alle Frauen, in erster Linie Lesen und Schreiben zu lernen und sich zu bilden. Dabei vertritt es den Standpunkt, dass eine Analphabetin in einer von Männern dominierten Gesellschaft sehr schwer ihre Rechte erlangt, wohingegen eine gebildete Frau um ihre Rechte kämpfen und sie verteidigen kann.
Drohungen gegen die Journalistinnen
Doch das ist mit vielen Hindernissen verbunden. "In einem armen Land gehört viel Idealismus zum Journalismus. Wir möchten zwar darüber berichten, was geschieht. Aber die Sicherheit für Journalisten ist nicht gewährleistet.", so Jamila Mujahed in einem Zeitungsinterview. Die Präsenz der Friedenstruppen sorge für Sicherheit und Kontrolle in Kabul, aber die Lage in den Provinzen sei noch immer instabil und unsicher. Drohungen und Einschüchterungsversuche erschweren die Arbeit der Journalistinnen zusätzlich, auch wenn man versucht, sie zu ignorieren.
"Wir bekommen Drohanrufe, aber wir haben uns geschworen, den eingeschlagenen Weg bis zu Ende zu führen. Wir Frauen waren schon immer solchen Drohungen ausgesetzt und gezwungen, zuhause rumzuhocken. Dieses Mal wollen wir den Drohungen entgegentreten und für unsere Rechte kämpfen."
Die Gründerin des Senders "Stimme der afghanischen Frau" ist optimistisch, was die Erfolgsaussichten betrifft. Dieses Vorhaben werde in Zukunft gelingen, so Jamila Mujahed, auch wenn die Mehrheit der afghanischen Bevölkerung diesen Optimismus nicht teile.
Shahram Ahadi
© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2004