Umbruch im Stillen

Erstmals dürfen in diesem Jahr saudische Frauen an den Olympischen Spielen in London teilnehmen. Eine bedeutende Entscheidung nicht nur für die Frauen in Saudi Arabien, sondern für das Land insgesamt.

Von Maha Akeel

Saudi-Arabien gab am 12. Juli, nur zwei Wochen vor dem Beginn der Olympischen Spiele in London, bekannt, dass es auch zwei Frauen zu den Wettkämpfen entsenden wird, die in den Disziplinen Judo und Leichtathletik antreten werden. Damit sind Wojdan Ali Seraj Abdulrahim Shahrkhani und Sarah Attar die ersten saudischen Frauen überhaupt, die bei den Olympischen Spielen antreten.

Bereits seit mehreren Jahrzehnten erlauben die meisten Länder mit einer muslimischen Mehrheit ihren Frauen, an Sportwettkämpfen teilzunehmen und schicken weibliche Athletinnen zu den Olympischen Spielen. Nun folgt auch Saudi-Arabien diesem Beispiel.

Die Bekanntgabe war eine Folge des monatelangen Drucks auf Saudi-Arabien und von Verhandlungen zwischen dem Land und dem Internationalen Olympischen Komitee. Wegen des Fehlens von weiblichen Teilnehmerinnen war das gesamte saudische Team vom Ausschluss von der Teilnahme an den Spielen bedroht. Für Saudi-Arabien, ein Land, das Frauen und Mädchen aus allen sportlichen Aktivitäten verbannt hat, war es eine langwierige Angelegenheit, Frauen auf einem olympischen Trainingslevel zu finden. Noch wenige Tage vor der Nachricht hatte das saudische Nationale Olympische Komitee der Presse mitgeteilt, dass es nicht in der Lage sei, nur eine einzige Frau zu finden, die zu einer Teilnahme qualifiziert sei.

Sport nur an Privatschulen

Dalma Rushdi Malhas; Foto: picture-alliance/dpa
Dalma Rushdi Malhas war die erste Frau aus Saudi Arabien, die 2010 bei den Olympischen Jugendspielen in Singapur eine Medaille gewann. Jetzt hat das Land bekannt gegeben, dass es zwei Frauen zu den Wettkämpfen in London entsenden wird; Foto: picture-alliance/dpa

​​Der simple Akt, die Teilnahme von Frauen in diesem Jahr zu erlauben, war ein großer Schritt. Es ist zu hoffen, dass diese Einwilligung schließlich auch die Türen für Frauen und Mädchen öffnen wird, die in der Schule am Sportunterricht teilnehmen, in Fitnessstudios trainieren und Mannschaftssportarten betreiben wollen – und die damit eine größere Chance haben würden, in Zukunft selbst bei den Olympischen Spielen anzutreten.

Weibliche saudische Athletinnen stehen vor zahlreichen Hürden. Für Frauen ist Sportunterricht nur an Privatschulen erlaubt. Fitnessstudios für Frauen werden "Gesundheitsclubs" genannt, da eine Einrichtung unter dem Namen "Fitnessclub für Frauen" nicht genehmigt werden kann. Es wird Frauen verwehrt, in offiziellen Sportclubs zu spielen oder auch nur einen Wettkampf im Stadium zu verfolgen. Spiele zwischen Mädchenmannschaften im Football, Volleyball und Basketball werden in privaten Schulen und Colleges im Stillen abgehalten.

In Saudi-Arabien hängt das Problem mit weiblichen Athletinnen nicht vordergründig mit der Religion zusammen, sondern in erster Linie mit Traditionen, kulturellen Normen und Gesetzen, die die Teilnahme von Frauen an jeder Art von öffentlichen Aktivitäten festlegen. Die Gesellschaft ist im Allgemeinen sehr konservativ, wenn es um die Beziehung der Geschlechter geht, daher gibt es Vorschriften über das Tragen eines Schleiers für Frauen, über die Trennung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz und das Verbot für Frauen, Auto zu fahren.

Dennoch gab es in den letzten Jahren einige Fortschritte in Bereichen, die Frauen in Saudi-Arabien betreffen.

Stille Revolution im saudischen Sport

Das Basketballteam der Jeddah United Sports Company; Foto: picture-alliance/dpa
2006 gründeten zwei Schwestern die Jeddah United Sports Company, ein Trainingszentrum für Frauen, das auch ein Basketballteam umfasst. Wettkämpfe, die zwischen Frauenmannschaften ausgetragen werden, finden jedoch noch unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt; Foto: picture-alliance/dpa

​​Von Gesundheitsexperten, Erziehern und Eltern gab es Aufrufe, den Sportunterricht für Mädchen in der Schule aus gesundheitlichen Gründen zu erlauben und das Bildungsministerium ließ kürzlich verlautbaren, es ziehe Schritte in diese Richtung in Erwägung.

Saudische Frauen sehnen sich danach, Sport treiben und trainieren zu dürfen. Viele Frauen joggen oder besuchen "Gesundheitsclubs" um sich fit zu halten. Andere spielen Tennis, Basketball, Football oder reiten. Wenn sich mehr Sporteinrichtungen für Frauen öffnen, würden noch mehr Frauen diese Gelegenheiten wahrnehmen und besser in der Lage sein, daran teilzuhaben.

2008 war Arwa Mutabagani die erste saudische Frau, die in einem führenden Verwaltungsposten im Verband für Reitsport eingesetzt wurde. 2006 wurde von zwei Schwestern die Jeddah United Sports Company gegründet, einer der wenigen Sportclubs für Frauen, in dem es ein weibliches Basketballteam gibt. Und 2010 nahm die Springreiterin Dalma Rushdi Malhas als erste saudische Frau an den Olympischen Jugendspielen in Singapur teil, wo sie eine Bronzemedaille gewann.

Die Akzeptanz von Shahrkhani und Attar als Teil des saudischen Teams bei den diesjährigen Olympischen Spielen sollte, unabhängig von ihren Wettkampferfolgen, viele andere junge Frauen - aus Saudi-Arabien wie aus anderen Ländern - dazu inspirieren und ermutigen, Sport zu treiben. Um eine Suche nach qualifizierten weiblichen Athletinnen in letzter Minute bei den nächsten Olympischen Spielen zu vermeiden, sollten die saudischen Autoritäten nun die notwendigen Schritte unternehmen, um entsprechende Einrichtungen und Trainingsmöglichkeiten für aufstrebende Athletinnen bereitzustellen. Dies könnte ein weiterer beachtlicher Schritt in Richtung Gleichberechtigung für Frauen in Saudi-Arabien sein.

Maha Akeel

© Common Ground News Service/Qantara.de 2012

Übersetzung aus dem Englischen: Annett Hellwig

Redaktion: Nimet Seker/Qantara.de