Zwickmühle für den Deutsch-Iraner Ashkan Dejagah
Der Deutsch-Iraner Ashkan Dejagah möchte aus persönlichen Gründen nicht am Fußball-Länderspiel der deutschen U-21-Auswahl am kommenden Freitag in Israel teilnehmen. Das sollte man akzeptieren, denn bei der Einbürgerung gibt man seine Vergangenheit und seine Herkunft "nicht am Eingang ab", meint Peter Philipp in seinem Kommentar.
Das passte doch mal wieder wunderbar in die immer noch eher langweilige politische Landschaft und gab Boulevardzeitungen wie politischen Hinterbänklern Gelegenheit, ihrer Empörung publikumswirksam Luft zu machen:
Der deutsch-iranische Fußballspieler Ashkan Dejagah hatte erklärt, er könne aus persönlichen politischen Gründen nicht am geplanten Länderspiel in Israel antreten, das im Rahmen der U-21-Liga ausgetragen wird.
So gehe das nicht, wetterten Politiker von CDU und SPD gleichermaßen: Wo käme man denn hin, wenn Sportler entschieden, gegen wen sie antreten und gegen wen nicht. Und der Sport dürfe nicht politisiert werden.
Argumentierten die, die eben dies taten: Wer sich als Deutscher oder Zugewanderter nicht zur deutschen Gemeinschaft bekenne, der müsse das Trikot der Nationalmannschaft abgeben. Und der "Zentralrat der Juden" schloss sich der Forderung an: Es gehe nicht an, dass ein Nationalspieler "einen privaten Judenboykott initiiere".
Recht hätten sie, wenn der junge Mann erklärt hätte, er lehne Israel ab und wolle deswegen dort nicht spielen. Das aber hat er nicht gesagt. Er hat von persönlichen Gründen gesprochen und darauf hingewiesen, dass er eben nicht nur Deutscher ist, sondern auch Iraner.
Wer sich jetzt den Mund zerreißt über ihn, der zeigt doch nur, dass er nicht weiß, in welche Zwickmühle zugewanderte neue Deutsche geraten können. Und er zeigt auch, dass er von Integration offenbar wenig oder nichts verstanden hat:
Natürlich sollte ein Zuwanderer, der die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat, versuchen, wirklich Teil der deutschen Gesellschaft zu sein.
Das kann aber doch nicht heißen, dass er bei der Einbürgerung seine Vergangenheit, seine Herkunft und alles was damit zusammenhängt "am Eingang abgibt". Natürlich hat er Verbindungen zur alten Heimat, hat Verwandte und Freunde dort, vielleicht auch Besitz. Jeder Deutschstämmige kann persönliche Bindungen zum Ausland haben, warum dann nicht der Einwanderer zu seiner alten Heimat?
Etwas anderes von ihm zu fordern, wäre ungerecht und falsch. Und in den meisten Fällen wird das ja auch respektiert. Außer wenn die Politik ins Spiel kommt. Und das ist im Fall Iran und Israel nun einmal der Fall.
Nicht, weil dieser deutsch-iranische Fußballer das so will, nein: Die Verantwortlichen hierfür sitzen in Teheran und Jerusalem und versichern einander bittere Feindschaft.
Ausbaden tun dies die einfachen Leute, denen - wie im vorliegenden Fall - Strafen, zumindest aber große Unannehmlichkeiten drohen. Und deutsche Medien wie auch Politiker täten gut daran, solche Dinge nicht hochzuspielen, vor allem aber: Ihnen nicht einen falschen Zungenschlag zu verleihen.
Immerhin: Gäbe es einen deutsch-israelischen Fußballspieler in der deutschen U-21-Nationalmannschaft, und das Länderspiel fände im Iran statt, dann würde man selbstverständlich nicht darauf bestehen, dass er an diesem Spiel teilnimmt.
Integration hat eben auch in diesem Fall zwei Seiten: Die des Sich-Integrierenden und die der Gesellschaft, die ihn aufnimmt. Oder eben auch nicht aufnimmt. Und Integration kann nicht Selbstverleugnung bedeuten, sondern erfordert Rücksicht, Achtung und Respekt auf beiden Seiten.
Im vorliegenden Fall vermisst man solches. Und die populistischen Politiker-Sprüche sind schließlich noch aus anderem Grund deplatziert und überflüssig: Ashkan Dejagah ist bereits 21 Jahre alt und er kann also nur noch einige Monate in der U-21-Mannschaft, der Mannschaft der unter 21-Jährigen, spielen.
Peter Philipp
© DEUTSCHE WELLE 2007