Iran - ein Land ohne nennenswerten Sport
Der Iran ist ein sehr junges und fußballbegeistertes Land, aber Sport wird vom herrschenden Regime nicht gefördert. Im Gegenteil, die Ayatollahs verachten den Sport. Trotzdem gibt es im Iran jede Menge Sportzeitungen mit Riesenauflagen. Warum das so ist, erklärt Jamsheed Faroughi.
Fußball ist die schönste Nebensache der Welt. Das gilt auch für ein Land wie den Iran. Wenn man auf dem Teppich bleibt, muss man fairerweise zugeben, dass der Iran keine große Sportnation ist.
Die iranischen Frauen, d. h. die Hälfte der Bevölkerung, haben nur beschränkten Zugang zu Sportaktivitäten. Schlimmer aber ist, dass die Frauen bisher keinen Zugang zu den Fußballstadien hatten. Und wenn die Frauen selber spielen, dann mit Trainingsanzug und Kopftuch, abgeschirmt von der Außenwelt, jenseits der männlichen Blicke und ohne Rundfunkübertragung. Bei sportlichen Wettkämpfen haben die iranischen Sportler längst nichts mehr zu bieten.
Über zwanzig Sportzeitungen
Es gab einige Sportarten, wie Gewichtheben und Ringen, in denen sich die Iraner einst auf Weltniveau befanden. Das ist längst nicht mehr der Fall. Die islamische Herrschaft misst den sportlichen Aktivitäten keine große Bedeutung bei. Die betagten Ayatollahs verachten sogar jeglichen Sport. Es gibt keine nennenswerte staatliche finanzielle Unterstützung für sportliche Einrichtungen und Aktivitäten.
Trotz all dieser Missstände gibt es im Iran zwanzig Sportzeitungen. Zwei Drittel der Sportzeitungen erscheinen sogar täglich. Das ist zweifelsohne ein Paradox. Ali Mirzaei, der damalige Chefredakteur der Sportzeitschrift "Perspolis" und jetzige Herausgeber der Zeitschrift "Negah-e Nou", beschreibt den heutigen Zustand des Sports im Iran:
"Frankreich ist eine große Sportmacht in der Welt. Dieses Land hat eine der besten Fußballligen der Welt. Auch in den anderen Sportarten sind die Franzosen gut. Aber dieses Land hat nur eine einzige Sportzeitschrift. Im Iran haben wir angeblich bis zu zwanzig Sportzeitungen. Aber wir haben keinen Sport. Welcher Sport denn? Wir sind in keinen Sportarten gut. Wenn wir heute gegen Bahrain, Katar oder die Arabischen Emirate gewinnen, wird es bei uns Nationalfeiern geben. Das zeigt, in welcher Klasse wir spielen."
Unbedrucktes Papier wertvoller als bedrucktes
Die betagten Ayatollahs und eine junge Bevölkerung sind schwer miteinander vereinbar. Iran ist das zweitjüngste Land der Welt. Fast 75 Prozent der Bevölkerung ist unter dreißig Jahre alt. Diese junge Generation hat die Islamische Revolution selbst nicht miterlebt. Sie hat nicht nur andere Ideale und Erwartungen, sondern auch andere Probleme und Sorgen. Die hohe Arbeitslosigkeit ist nach wie vor das Hauptproblem des Landes.
Trotz steigender Erdölpreise ist die iranische Wirtschaft in einem desolaten Zustand. Die wirtschaftliche Lage hat sich in den letzten Monaten rapide verschlechtert. Obwohl der ultra-konservative Staatschef, Mahmud Ahmadinedschad, die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zu den wichtigsten Zielen seiner Regierung erklärt hat, ist die Arbeitslosigkeit unter seiner Herrschaft enorm gestiegen.
Trotz der wirtschaftlichen Missstände liebt man den Fußball. Selbst der Atomkonflikt konnte nicht die tief verwurzelte Liebe zum Fußball mindern. Diese Liebe zum Fußball erklärt aber nur zum Teil die vielen Sportzeitungen und Sportzeitschriften. Der tatsächliche Grund für diese unerklärliche Vielfalt ist, dass im Iran unbedrucktes Papier wertvoller ist als bedrucktes.
Unterschiedliche Preise für Papier
Ein Blick auf den iranischen Pressemarkt zeigt, dass die Vielfältigkeit der Zeitungen und Zeitschriften sich nicht nur auf die Sportzeitungen beschränkt. Es gibt im Iran Hunderte Zeitungen und Zeitschriften. Was im ersten Augenblick interessant und unglaublich klingt, ist in Wahrheit nichts anderes als ein Zeichen eines wirtschaftlichen Missstandes.
Die tatsächliche Auflage der Zeitungen und Zeitschriften im Iran ist ein Staatsgeheimnis, und es gibt unterschiedliche Preise für Papier. Die unpolitischen und der Regierung nahestehenden Zeitungen erhalten subventioniertes Papier. Die Sportzeitungen sind nicht politisch und können deshalb ihren Papierbedarf sehr günstig decken. Wenn die tatsächliche Auflage niedriger ist als die angebliche und genehmigte, dann kann man ein gutes Geschäft machen.
Sportzeitungen sind ein lukratives Geschäft
Der Herausgeber von "Negah-e Nou", Ali Mirzaei, veranschaulicht dies folgendermaßen: "Zum Beispiel bekommt man Papier für 70.000 Exemplare. Beträgt die Auflage aber nur 25.000, dann hat man die Möglichkeit, das zu viel erhaltene Papier im freien Markt zu verkaufen. Mit dem Geld kann man ein Jahr lang leben, ohne irgendetwas veröffentlichen zu müssen."
Die Herausgabe von Sportzeitungen im Iran ist daher ein lukratives Geschäft. Man kann mit einer wachsenden Leserzahl rechnen. Die Gefahr der Zensur besteht in der Sportpresse nicht. Die Ayatollahs haben andere Probleme. Und wenn man wesentlich weniger druckt als behauptet, wird man schneller reich als vermutet.
Jamsheed Faroughi
© Qantara.de 2006
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