Kein Platzverweis mehr für Frauen?
"Fußballspiele sind für viele interessant, besonders die Spiele der Nationalmannschaft, die Millionen anschauen möchten. Zehntausende Familien möchten direkt im Stadion dabei sein", so schrieb Präsident Ahmadinejad kürzlich in einem Brief an seinen Stellvertreter und Direktor des iranischen Sportbundes. Er verwies auf die Erfahrung, dass überall dort, wo Familien und Frauen sich an öffentlichen Orten aufhielten, Moral und Ruhe besser gewährleistet werden könnten. Er betonte, dass die Frauen auf allen gesellschaftlichen Ebenen in den letzten Jahrzehnten sehr aktiv gewesen seien.
Ungewohnte Freizügigkeit
Deshalb meint Ahmadinejad, sei es wichtig, dass das Innenministerium und die Organisatoren von Fußballspielen dafür sorgen, dass die besten Plätze in den Stadien für die Frauen und Familien zur Verfügung gestellt werden. Zu einem Zeitpunkt, wo im Iran die weibliche Kleidung wieder mehr auf ihre sittliche Angemessenheit überprüft wird, war diese Ankündigung des Präsidenten für viele Frauen eine große Überraschung. Sie löste bei Sportorganisationen und Frauengruppen Freude aus. Doch es gab auch skeptische Reaktionen.
Fariba Dawudi Mohadjer, Journalistin, Frauenrechtlerin, Vertreterin der Reformisten im Iran, vermutet hinter dem Schreiben des Präsidenten andere Motive: "Es ist nicht glaubwürdig, dass ein Präsident, der selber gesagt hat, dass er mit den Gebeten der Gläubigen an die Macht gekommen ist, plötzlich einen anderen Blickwinkel einnimmt und sich in eine Gegenposition zu stark religiösen Gruppen bringt", so Fariba Dawudi. Sie bezweifelt, dass Ahmadinejad sich wirklich für die Frauen im Iran einsetzen will. Er habe andere Ziele, meint Dawudi. Indessen forderten konservative Ajatollahs sowie Abgeordnete forderten den Präsidenten auf, den Brief vollständig und sofort zurückzunehmen, weil er nicht islamischen Werten entspreche.
Politischer Gegenwind aus dem konservativen Lager
Ajatollah Makarem Shirazi bat den Präsidenten, er solle sich bei seinen Entscheidungen von geistlichen Führern beraten lassen, und gab zu bedenken, dass die Fußballstadien überall auf der Welt unsichere Plätze seien. Es gebe immer Auseinandersetzungen, manchmal sogar Tote. Und Frauen könnten die Spiele genauso gut im Fernsehen verfolgen. Ferner warnte Ajatollah Golpaigani warnte vor westlichem Denken und Verhalten und äußerte die Erwartung, dass diese Entscheidung rückgängig gemacht wird. Ajatollah Lankarani lehnte es sogar grundsätzlich ab, Frauen bei Sportveranstaltungen zuzulassen.
Dies sei unsittlich und unislamisch und widerspreche der Verpflichtung der Behörde, islamische Wertvorstellungen zu fördern. Ahmedinejads Stellvertreter schwächte daraufhin den Inhalt des Briefes ab und sagte, dass nur die verheirateten Frauen in Begleitung des Ehemannes dieses Recht in Anspruch nehmen dürfen, nicht aber ledige Frauen.
Gezielte Ablenkungsmanöver
Frauenrechtlerin Fariba Dawudi Mohadjer meint, dass diese Diskussion nur von den Hauptproblemen im Iran ablenkt, zum Beispiel vom Atomstreit und dem damit verbundenen internationalen politischen Druck auf den Iran: "Darüber zu diskutieren, ist nur eine Art Beschäftigung für die Gesellschaft, aber nicht ein Beitrag zur Lösung wirklicher Probleme. Es gibt andere, grundsätzliche Probleme, wie zum Beispiel, dass Frauen nicht das Recht haben, als Richterin zu arbeiten oder Präsidentin zu werden."
Die Diskussion um die Anwesenheit von Frauen in Stadien ist nichts Neues. Der Film "Offside" von Jafar Panahi, der auf dem diesjährigen Berliner Filmfestival ausgezeichnet wurde, thematisiert die Fußballbegeisterung iranischer Frauen, die mit aller Kraft versuchen, ins Stadion hineinzukommen und dabei auch die Auseinandersetzungen mit den Wächtern nicht scheuen.
Die Diskussion geht weiter. Aber es geht nicht nur um das Recht auf Anwesenheit im Fußballstadion. Es geht um sportliche Betätigung und sonstige Spielräume. Die neue Generation junger Frauen im Iran fordert die Gleichberechtigung mit dem Mann auf allen Ebenen des gesellschaftlichen und politischen Lebens.
Shirin Jazaeri
© DEUTSCHE WELLE 2006