Sarkastischer Blick auf den ägyptischen Heiratsmarkt
Das beige-braun gepunktete Seidentuch eng um Kopf und Hals geschlungen, lacht sie fröhlich in die Kamera. Ghada Abdelaal ist kein schüchternes Mädchen. Die Frau hat Power. Das hat nicht nur Vorteile. "Als Frau einem ägyptischen Mann zu widersprechen ist ein fataler Fehler, und den begehe ich sehr oft. Ich kann einfach den Mund nicht halten, ich sage immer, was ich denke. Das wirkt sich negativ auf meine Heiratschancen aus", sagt die 31-Jährige beim Interview in Zürich.
Noch vor wenigen Jahren war die in der Kleinstadt Mahalla al-Kubra nördlich von Kairo geborene Ägypterin ein unbeschriebenes Blatt. Wie die meisten Mädchen schaute sie in Gegenwart eines Mannes verschämt zu Boden, sprach nur leise und mit sanfter Stimme. Ihre Gedanken behielt sie meist für sich, denn sie hatte früh gemerkt: "Eine Frau mit Köpfchen macht den Männern Angst." Sie studierte Pharmazie und arbeitet seither als Spitalapothekerin in ihrem Geburtsort. Als ihre Mutter starb, fingen ihre Tanten an, Heiratskandidaten für sie zu suchen.
Auflehnung gegen eine unwürdige Prozedur
"Die meisten waren schrecklich", erinnert sich die Autorin. Sie wies alle ab. Weil sie ihre Erfahrungen mitteilen wollte, startete sie 2006 ihren Blog "wanna-b-a-bride.blogspot.com". Mit durchschlagendem Erfolg, wie die zahlreichen Kommentare bewiesen. Sie hatte einen gesellschaftlichen Nerv getroffen.
Mit sarkastischem Humor schilderte sie die problematische Partnersuche in Ägypten. Da sich nach den gängigen Sitten ein anständiges Mädchen nicht mit Jungs einlässt, weder auf einen Flirt, noch einen Kinobesuch oder gemeinsames Kaffeetrinken, bleiben fürs Kennenlernen nur die durch die Familie arrangierten Begegnungen zwecks späterer Heirat.
Der Bewerber kommt meist mit seiner Mutter die potentielle Braut und ihre Familie besuchen. Durch gegenseitiges Beobachten und Befragen wollen die beiden Parteien herausfinden, ob die jungen Leute zueinander passen. Eine demütigende Prozedur, findet Ghada Abdelaal: "Ich bin doch keine Kuh."
Der Blog sei ein ideales Kommunikationsmittel gewesen, erzählt die selbstbewusste Autorin in ausgezeichnetem Englisch: "Ich schrieb anonym. Nur einige Freundinnen und Nachbarinnen wussten davon und ermutigten mich weiterzumachen."
Außerdem ihr Vater, ein für ägyptische Verhältnisse außergewöhnlich liberaler Mann. Obwohl sie seit Jahren ihren eigenen Lebensunterhalt verdient, lebt sie noch in seiner Obhut und führt ihm und ihrem Bruder den Haushalt. Ohne Vaters Erlaubnis hätte sie nicht auf Lesetour nach Europa gehen können.
Ein Erfolg, der das Leben umkrempelte
Mit dem Blog hat Ghada Abdelaal auch ihr Talent fürs Schreiben entdeckt. Nie wäre sie auf die Idee gekommen, dass ihre Notizen für ein Buch taugen, zumal sie im ägyptischen Dialekt geschrieben sind.
Da waren die Leute von Dar al-Shurouk, dem größten ägyptischen Literaturverlag, anderer Meinung. 2007 publizierten sie den Blog als Buch. Im Zentrum stehen zehn Hausbesuche von Heiratskandidaten. Dazwischen schiebt die Autorin Betrachtungen ein zu Themen wie "Wohlerzogene Mädchen", "Wie man sich einen Bräutigam angelt", "Warum will ich eigentlich heiraten?" und "Alte Jungfer".
Das Buch eroberte sofort die Bestsellerlisten und ist inzwischen auf Deutsch, Englisch, Italienisch und Niederländisch übersetzt. Jetzt wird es als Fernsehserie verfilmt, zu der Abdelaal das Drehbuch geschrieben hat. Im kommenden Ramadan soll die Serie zur besten Sendezeit ausgestrahlt werden.
Die Autorin gibt zahlreiche Interviews und schreibt eine wöchentliche Kolumne in einer unabhängigen Tageszeitung. "Mein Leben hat sich völlig verändert", erzählt Abdelaal. "Zwei- bis dreimal in der Woche fahre ich nach Kairo für Lesungen, Buchsignierungen oder meine Arbeit an einem weiteren Drehbuch. Viele Leute warten auf mein nächstes Buch."
Zwar wolle sie nach wie vor heiraten, weil sie gerne Mutter werden möchte, aber dies habe nicht mehr höchste Priorität.
Eine konservative Rebellin
Ägypten hat eine aktive Bloggerszene. Neben den zahlreichen politischen Blogs war derjenige von Abdelaal der erste gesellschaftliche und der erste, der offen und direkt die arrangierte Ehe ins Visier nahm.
Das provozierte. Neben begeisterter Zustimmung gab es auch aggressive Kommentare: "Ein Mann forderte, ich solle den Mund halten, und schlug vor, irgend jemand solle mich heiraten, damit ich endlich Ruhe gebe."
So frech und direkt die Autorin das heikle Thema angeht, ist sie doch keine Revolutionärin, die die Gesellschaft verändern will. Ghada Abdelaal versteckt ihre Haare unter einem eleganten Seidentuch und akzeptiert die konservativen Sitten, mit denen sie groß geworden ist. Die Ehe ist ihr heilig.
"Ich wollte nur die andere Seite der Medaille zeigen. Nämlich dass wir Ägypterinnen durchaus heiraten wollen und zwar nicht bloß einen Mann mit Geld, sondern einen wirklichen Partner suchen, mit dem wir unser Leben, unsere Gefühle, Träume und Ideen teilen können", erklärt sie. Das brauche Zeit, und die werde den Frauen nicht gegeben, wenn sie bereits mit 30 als zu alt zum Heiraten gelten, eben als "alte Jungfer" beschimpft werden.
Mit ihrem Buch ist Ghada Abdelaal aus dem Schatten der Anonymität herausgetreten und eine Berühmtheit geworden, was ihre Chancen auf dem Heiratsmarkt weiter vermindert.
"Keiner traut sich mehr an mich heran und die Männer haben Angst, sie könnten sich in meinem nächsten Buch beschrieben finden", sagt sie. Doch sie gibt nicht auf: "Eines Tages finde ich den Richtigen, vielleicht."
Susanne Schanda
© Qantara.de 2010
"Ich will heiraten! Partnersuche auf Ägyptisch". Aus dem Ägyptisch-Arabischen von Kristina Bergmann, Lenos-Verlag 2010, 218 Seiten.
Redaktion: Nimet Seker und Lewis Gropp/Qantara
Qantara.de
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