Giftmüll aus Europa

Nachdem Giftmüllfässer aus Deutschland, Italien und Belgien im Libanon auftauchten, eröffnete Greenpeace 1996 ein Büro im Libanon. Interview mit der Pressesprecherin, Basma Badran.

Interview von Mona Naggar

Die Aktivitäten von Greenpeace im Libanon begannen 1994, als man dort aus Deutschland, Italien und Belgien importierte Giftmüllfässer entdeckte. 1996 folgte die Einrichtung eines Büros mit dem Ziel, der Bevölkerung Zugang zu Umweltinformationen zu verschaffen. Seitdem konzentriert sich die Organisation in ihrer Arbeit auf die durch mangelhafte Schadstoffentsorgung verursachte Umweltverschmutzung. Dabei wird an zwei Stellen angesetzt: Einmal bei der Verschmutzung durch industrielle Abfallprodukte jeglicher Art, zum anderen bei den Mülldeponien an der Küste, bei der Verwaltung des Mülls sowie beim Problem der Müllverbrennungsanlagen. Das libanesische Büro, das einzige im gesamten arabischen Raum, untersteht dem Greenpeace-Büro für die Regionen des Mittelmeers, das seinen Sitz in Malta hat. Basma Badran, verantwortlich für die Pressearbeit des libanesischen Büros, gibt Auskunft über das Umweltbewusstsein der Libanesen und über die Bemühungen um die Schließung der Müllverbrennungsanlagen, die Hauptverursacher der hohen Schadstoffbelastung.

Sie konzentrieren sich in Ihrer Arbeit gegenwärtig auf die Müllverbrennungsanlagen und haben einiges für deren Schließung unternommen. Warum sind gerade die Müllverbrennungsanlagen ein Problem, und was konnten Sie bislang erreichen?

Basma Badran: Auf diesem Feld haben wir 1997 zu arbeiten begonnen, als die Anlagen als Konzept für die Lösung des Müllproblems präsentiert wurden. Dieses Konzept ist falsch, denn Verbrennen beseitigt die Schadstoffe nicht, vielmehr verwandelt es sie in Asche, die als noch giftiger anzusehen ist, da ihre Ablagerung sehr weiträumig geschieht. Wir sprachen uns daher entschieden gegen das Verbrennen aus. Es gab zwei Müllverbrennungsanlagen in Beirut, in al-Amrusiyya und in al-Karantina. Beide wurden auf unser Betreiben hin geschlossen, was wir über die enge Zusammenarbeit mit den Bewohnern dieser Viertel erreichten, die mit großem Nachdruck die Schließung verlangten. Die Alternative zum Verbrennen ist die Mülltrennung. Das bedeutet die Umwandlung des organischen Mülls in Dünger, die restlichen Abfälle werden wieder verwendet oder recycelt. Das ist die Lösung, die wir anstreben müssen, denn nur auf diese Weise wird das Problem auch wirklich gelöst.

Eine Verbrennungsanlage für Hausmüll gibt es im Libanon noch, die Anlage Al-Normandie, die in einen Kinderspielplatz umgewandelt werden soll. Mülltrennung ist wirklich ein sehr gutes System, Verarbeitung der organischen Abfälle zu Dünger – Wiederverwertung oder Recycling des Rests. Aber anstatt sich für diese Lösung zu entscheiden, beschloss das beauftragte amerikanische Unternehmen, eine Verbrennungsanlage dort aufzustellen. Und jetzt verbrennen sie alles Mögliche und mischen die Asche in den Boden des Spielplatzes. Obendrein ist die Anlage nicht durch das Umweltministerium zugelassen. Für die Schließung dieser Anlage setzen wir uns gerade ein. Ferner fordern wir eine landesweite Strategie, die den Umgang mit den Müllrückständen regelt. Sie muss auf Mülltrennung, -wiederverwertung und -wiederaufbereitung basieren, Verbrennungsanlagen müssen gänzlich verboten sein.

Wie schätzen Sie das Umweltbewusstsein im Libanon ein?

Badran: Wenn ich die gegenwärtige Situation mit der vor zehn Jahren vergleiche, kann ich wohl sagen, dass die Leute viel umweltbewusster geworden sind, ganz einfach, weil die Probleme sich zugespitzt haben. Nicht nur für die Umwelt, wie man sie früher verstanden hat, also für die Bäume und Blumen, sondern inzwischen geht es dabei um unsere Gesundheit. Manchmal kommt es zu Erkrankungen, die auf eine heftige Belastung mit giftigen Chemikalienrückständen zurückzuführen sind. Da fangen die Leute natürlich an zu fragen. Mit diesen Menschen, mit den Einwohnern des von der Verseuchung betroffenen Gebiets, treten wir sofort in Kontakt und versorgen sie mit Informationsmaterial. In diesem Zusammenhang fordern wir das Recht auf Information. Jeder Staatsbürger hat das Recht zu erfahren, welche Grundstoffe in der Fabrik in seiner Nähe verarbeitet werden, welche Produkte erzeugt werden und welche Abfälle dabei entstehen, damit er weiß, welche gesundheitlichen Risiken dadurch auf ihn zukommen können, warum beispielsweise alle seine Kinder an Asthma leiden.

Welche Rolle spielte der Bürgerkrieg bei der Verschlimmerung des Umweltproblems?

Badran: Die Mülldeponien an der Küste und im Landesinneren sind während des Krieges gewachsen. Es gab überhaupt kein Interesse an der Umwelt. Ein deutlicher Hinweis auf das Chaos, das in jener Zeit herrschte, ist der Import von Giftmüll in den Libanon. Das Problem ist mittlerweile gelöst, die Rückführung des größten Teils von diesem Müll nach Deutschland und Italien ist bereits erfolgt, wir suchen derzeit noch nach einigen belgischen Fässern. Manchmal werden wir angerufen, und man berichtet uns, es seien Fässer auf den Feldern gefunden worden. Wir schicken einige unserer jüngeren Mitarbeiter hin, um Proben zu nehmen, die wir analysieren. In manchen Fällen sind die Rückstände nicht schädlich, wenn es sich beispielsweise um Fettreste einer Konditorei handelt, wenn sich aber herausstellt, dass wir es mit Erdölrückständen zu tun haben, werden wir unverzüglich aktiv.

Das Interview führte Mona Naggar, Qantara.de

© Qantara.de, 2003

Übersetzung aus dem Arabischen Steffi Gsell

Greenpeace Mediterranean