Pakistan vor massiver Wasserkrise
Pakistans Landschaft ist in weiten Teilen zerklüftet und wird geprägt vom Himalaya und dem Karakorum-Gebirge bis hin zu Wüsten und trockenen Ebenen. Das Land ist geografisch unwirtlich und ökologisch anfällig – beides macht es schwer, die wachsende Bevölkerung zu ernähren. So sind etwa das trockene Klima und unvorhersehbare Witterungsbedingungen nachteilig für den Ackerbau. Außerdem fehlt es an Infrastruktur, um landwirtschaftliche Erzeugnisse zu den Märkten zu transportieren, wo die Menschen sie erwerben können.
Im Welthunger-Index 2022 liegt Pakistan auf Platz 99 von 121 Ländern. Die drohende Wasserkrise könnte die Ernährungsunsicherheit verschärfen. Durch den Klimawandel werden Wetterextreme häufiger und heftiger, 2022 etwa gab es verheerende Überschwemmungen.
Pakistan ist auch anfällig für Erdbeben und Dürren – meist benötigen nach solchen Katastrophen Hunderttausende von Menschen Nothilfe vor allem bei der Versorgung mit Wasser und der Entsorgung von Abwasser. Erschwerend hinzu kommen für das Land eine klima- und konfliktbedingte Binnenmigration sowie eine Wirtschaftskrise, mit der die Regierung überfordert ist. Die Behörden haben Mühe, die ausreichende Versorgung mit Nahrungsmittel zu gewährleisten und die Inflation zu kontrollieren.
Der Country and Climate Development Report der Weltbank von 2022 sagt Pakistan eine düstere Zukunft voraus, wenn nicht bald etwas gegen Klimawandel und Umweltzerstörung geschieht. Der Bericht prognostiziert, dass das jährliche Bruttoinlandsprodukt (BIP) bis 2050 um 18 bis 20 Prozent pro Jahr sinken könnte, wenn die Regierung nicht schnell handelt. Allein die Wasserknappheit in der Landwirtschaft könnte das BIP um mehr als 4,6 Prozent schrumpfen lassen. Pakistan hatte 2020 die niedrigste Wasserproduktivität in ganz Südasien. Die Ärmsten trifft Wassermangel besonders hart.
Verunreinigtes Wasser gefährdet Kinder
Der Zugang zu sauberem Wasser und Sanitäreinrichtungen ist begrenzt und sowohl der Klimawandel als auch die fortchreitende Verstädterung verschlimmern die Lage. Selbst in manchen Gesundheitszentren und Schulen gibt es oft keine adäquate Wasserversorgung und Sanitärinfrastruktur. Das ist für Mädchen besonders problematisch, vor allem während ihrer Menstruation.
Laut UNICEF müssen sich rund 25 Millionen Menschen in Pakistan im Freien erleichtern, was eine der Hauptursachen für durch verunreinigtes Wasser übertragene Krankheiten ist. UNICEF schätzt, dass 70 Prozent der Menschen bakteriell verunreinigtes Wasser nutzen müssen. Jährlich sterben rund 53.000 Kinder unter fünf Jahren an Durchfallerkrankungen. Kinder, die wiederholt an Durchfall erkranken, verpassen außerdem Unterricht oder brechen sogar die Schule ab. Durchfallerkrankungen können auch zu Wachstumsstörungen führen. Fast 44 Prozent der Kinder in Pakistan sind von solchen Störungen betroffen: Sie wachsen und entwickeln sich nicht altersgemäß.
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Pakistans Nationale Wasserstrategie von 2018 ist zwar auf dem Papier ehrgeizig, aber schwer umsetzbar. Das liegt unter anderem an der derzeitigen Wasserinfrastruktur, an mangelnden institutionellen Kapazitäten und am fehlenden politischen Willen. Besonders drängend ist das Fehlen angemessener Wasserspeicher – so wird sowohl bei Dürren als auch bei Überschwemmungen das Wasser knapp. Ineffiziente und veraltete Bewässerungssysteme, durch die viel Wasser verloren geht, verschärfen den Mangel.
Das Land ist institutionell zu schwach, um seine Nationale Wasserstrategie umzusetzen. Die Strategie fordert zwar die Einrichtung eines nationalen Wasserrats und einer nationalen Behörde zur Wasserregulierung, die das Wassermanagement überwachen und garantieren sollen, dass die politischen Leitlinien eingehalten werden. Die Regierung hat aber sehr dabei getrödelt, diese beiden Organe einzurichten, und auch versäumt, deren Zuständigkeiten und Aufgaben genau zu definieren.
Auch der politische Wille spielt eine wichtige Rolle. Die Wasserstrategie fordert weitreichende Reformen beim Management von Wasserressourcen. Beispielsweise sollen die Grundwasserentnahme reguliert und Maßnahmen zum Wassersparen gefördert werden. Mit politischem Widerstand ist aber zu rechnen, insbesondere von den einflussreichen Lobbys aus Landwirtschaft und Industrie.
Die pakistanische Regierung hat mehrere Initiativen gestartet, um Ernährungssicherheit zu stärken und die Wasserkrise anzugehen. Dazu gehört, in die Infrastruktur zur Bewässerung zu investieren, kleinbäuerliche Betriebe zu stärken sowie neue Dämme und Stauseen zu bauen. Es braucht jedoch viel mehr, damit Pakistan die multiplen Krisen durch seine schnell wachsende Bevölkerung, die harschen geografischen Bedingungen und eine zunehmende Klimaanfälligkeit bewältigen kann.
Was fehlt sind Transparenz und Rechenschaftspflicht
Zu den Hauptproblemen in der Wasserwirtschaft zählen mangelnde Transparenz und Rechenschaftspflicht. In mehreren Teilen Pakistans wurde über Korruption und Vetternwirtschaft bei der Wasserverteilung berichtet, besonders bei großen Bewässerungsprojekten. Sie untergraben die effiziente Nutzung der Wasserressourcen und verschärfen soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten. Kleinbäuerliche Betriebe und marginalisierte Gemeinschaften haben oft kaum Zugang zu Wasser.
Der Weg in die Zukunft
Auf der Pakistan Water Week 2022 in Islamabad gaben Fachleute Empfehlungen zur Verbesserung der pakistanischen Wasserwirtschaft ab. Politische Entscheider sollten besonders die für die Wasserbewirtschaftung zuständigen Institutionen stärken, indem sie ihnen notwendige Ressourcen und Schulungen zur Verfügung stellen, forderten die Fachleute. Nur so könnten sie ihre Aufgaben wahrnehmen. Investitionen in die Wasserinfrastruktur, inklusive Abwasserentsorgung, müssten ins Zentrum politischer Planung rücken und öffentliche Investitionen sollten zivilgesellschaftliche Bemühungen ergänzen.
Außerdem hielten die Experten eine effiziente Dezentralisierung für notwendig. Die pakistanischen Provinzregierungen sollten vorangehen bei der Umsetzung von Initiativen zur Verbesserung von Wasserspeichern, zum Wassersparen, zum Recycling und zur Wiederverwendung gemäß den lokalen Bedürfnissen.
Technologien sollten dazu verwendet werden, um Vertrauen und Transparenz zu schaffen. Die Provinzen sollten automatisch Daten zum Wasserfluss austauschen und Entscheidungen über die Zuteilung, Nutzung und Bewirtschaftung von Wasser sollten sich an datenbasierten Erkenntnissen orientieren.
Außerdem sei eine bessere Information der Öffentlichkeit notwendig. Dazu sollte Journalismus zu Wasser- und Klimathemen besser finanziert werden und einflussreiche Medienbesitzer sollten darauf aufmerksam gemacht werden, wie drastisch die Wasser- und Klimakrise ist. Frauen und Jugendliche sollten in die Debatten über Wasser auf nationaler und Provinzebene einbezogen werden. Beide Gruppen spielen eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der Wassernutzung, jetzt und in der Zukunft.
Zudem muss Pakistan das Thema Wasser bereits in diesem Jahr, das noch ein Wahljahr werden kann, als nationale Sicherheitsfrage behandeln. Wenn die Bürgerinnen und Bürger Wassersicherheit als zentralen Bestandteil der wirtschaftlichen Sicherheit sehen und politische Parteien dazu bringen, im Wahlkampf Reformen und Investitionen im Wassersektor zu versprechen, könnte dies eine Chance sein, die Parteien zur Verantwortung zu ziehen, sobald sie an der Macht sind. Wenn Institutionen und politische Entscheidungsträger effektiv kooperieren, können sie negative Auswirkungen der Wasserproblematik auf Mensch und Wirtschaft verringern.
Pakistan ist für weniger als ein Prozent der globalen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich, seine Klimaanfälligkeit ist also unverhältnismäßig hoch. Angemessene Klimafinanzierung und andere Formen der Unterstützung würden dem Land dabei helfen, diese Themen anzugehen, resilienter zu werden, und auf globaler Ebene dazu beizutragen, den Klimawandel und seine Folgen anzugehen.
Abdur Rehman Cheema
© E+Z | Entwicklung & Zusammenarbeit 2023
Abdur Rehman Cheema hat an der Massey University in Neuseeland promoviert und war Chevening-Postdoc-Stipendiat in Oxford.