Projekt mit Leuchtturmcharakter

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Menschen aus über 21 Ländern sind Mitglied im Internationalen SportClub AlHilal Bonn. Für sein jüngstes Fußballprojekt und seine Arbeit gegen Vorurteile und Jugendkriminalität erhielt der Verein den Integrationspreis der Bundesregierung 2010.

Von Sabine Kleefisch
Mädchenmannschaft des ISC AlHilal; Foto: Michael Bause/Deutsche Islamkonferenz
Die Mädchenmannschaft des ISC Al Hilal in Bonn-Bad Godesberg: "Integration in Bewegung" lautet das Vereinsmotto; Foto: Michael Bause/Deutsche Islamkonferenz

​​"Das gibt 'ne türkische Pizza mit Fleisch!" ruft einer der zehn Jungs zwischen 13 und 14 Jahren, die auch bei Temperaturen um den Gefrierpunkt und leichtem Nieselregen an diesem Donnerstagabend zum Fußballtraining des Internationalen SportClub AlHilal Bonn e.V. (ISC) auf den Heiderhof bei Bonn-Bad Godesberg gekommen sind. Die Pizza ist fällig für einen glatten Schuss gegen die Latte.

Die Jungen, die hier trainieren, heißen Abdurrahman, Elias oder Matthias und sie selbst oder zumindest ein Elternteil sind aus den unterschiedlichsten Ländern nach Deutschland gekommen: Marokko, Albanien, Türkei, Eritrea, Afghanistan, Syrien oder Chile zum Beispiel. Deshalb trainieren sie hier nicht nur Fußball, sondern zugleich auch das interkulturelle Miteinander. Trainingssprache ist aber ausschließlich Deutsch.

Mit dem Projekt "Kinder- und Jugendfußball für Bonn" hat sich der ISC gegen 186 Mitbewerber durchgesetzt und wurde am 12. November von Bundesinnenminister Thomas de Maizière mit dem Integrationspreis 2010 ausgezeichnet. "Integration in Bewegung" lautet das Vereinsmotto.

Younis Kamil Abdulsalam hat Sportwissenschaften und Sportmanagement studiert, er ist Hauptinitiator des Projektes, Sportwart und Trainer. Der Verein wurde 1991 von seiner Mutter und anderen muslimischen Frauen zunächst als reiner Schwimmverein gegründet. Später kamen noch Angebote für Volleyball und Seniorenfußball hinzu. Doch irgendwann fiel auf, dass dem Verein die männlichen Mitglieder zwischen 13 und 20 Jahren wegbrechen.

Gerade die Gruppe der 13 bis 14-Jährigen ist kritisch, weil in diesem Alter die Gefahr des Abdriftens in die Kriminalität groß sei, meint Younis: "Wir haben festgestellt, dass die Jungs zu Hause erzählen, sie gingen zum Schwimmen, aber stattdessen hingen sie in der Stadt rum. Einige von ihnen haben sogar angefangen, Drogen zu verkaufen oder selbst welche zu nehmen." Diese Jungs hat er gezielt angesprochen und für das Fußballspielen beim ISC gewonnen.

Lernen fürs Leben

Die Jungen dribbeln die Bälle gekonnt im Slalom um kleine Hütchen, springen über Hürden, sprinten im Zickzack durch einen Parcours und schießen aufs Tor. Der Umgang miteinander ist freundschaftlich, auch wenn hin und wieder mal eine rauere Vokabel fällt.

Preisträger des ISC AlHilal mit Innenminister de Maizière bei der Preisverleihung; Foto: dpa
"Bei uns lernen die Kinder von klein auf das interkulturelle Miteinander, in dieser Mannschaft sind über zehn Nationalitäten vertreten", Sagt Younis Kamil Abdulsalam (rechts); Foto: dpa

Was den ISC von anderen Vereinen abhebt, ist, dass die Trainerinnen und Trainer nicht nur DFB-Trainerlizenzen haben, sondern auch pädagogisch geschult sind: "Uns ist wichtig, dass die Trainer bei einem Streit nicht nur sagen 'So, kommt, jetzt gebt euch die Hand und gut ist', sondern dass sie den Kindern zeigen, wie man mit einem Konflikt umgehen, wie man Konflikten vorbeugen kann. Bei uns gibt es klare Regeln, die die Trainer gemeinsam mit der Mannschaft aufstellen." Fluchen und Schimpfworte sind bei Trainer Younis untersagt.

Nach dem Techniktraining kommt noch ein kurzes Übungsspiel. Heute sollen die Jungs üben, alle Anspieloptionen im Blick zu behalten und einem gegnerischen Spieler ohne Foul den Ball abzunehmen. Die pädagogische Arbeit ist für das Leben der Jungs auch jenseits des Fußballs besonders wichtig, denn in Bad Godesberg und Umgebung gibt es viele soziale Spannungen:

"Bad Godesbergs Innenstadt ist fast schon harmlos, aber in Mehlem-Süd zum Beispiel gibt es Ecken, wo ein blondes Mädchen nicht hingehen kann, ohne angepöbelt zu werden. Und als deutscher Junge dorthin zu gehen, ist dann wirklich gefährlich", sagt Younis.

"Bei uns lernen die Kinder von klein auf das interkulturelle Miteinander, in dieser Mannschaft sind über zehn Nationalitäten vertreten, das ist eine ganz bunte Mischung und das finde ich toll! Ich erhoffe mir, dass diese Jungs sich auch im Alltag gegenseitig in Schutz nehmen und Verantwortung füreinander übernehmen."

Es gibt auch zwei Mädchenmannschaften, die von vier Trainerinnen betreut werden. Viele muslimische Eltern finden die Trainingsbedingungen in deutschen Sportvereinen nicht angemessen für ihre Töchter. "Deshalb ist es uns sehr wichtig, gerade den Mädchen eine Alternative zum Sportangebot in deutschen Vereinen zu bieten", erklärt Younis. "Das bedeutet beim Fußball: Unsere Mädchen trainieren unter sich in der Halle, wo diejenigen, die ein Kopftuch tragen, dieses auch ausziehen können."

Vorbildfunktion in Deutschland

Den Erfolg des Projektes kommentiert er fast schon zynisch: "Es zeigt, dass selbst die Muslime etwas Ordentliches auf die Beine stellen können. Es ist leider so, dass sie das meistens nicht hinbekommen. Das liegt an der mangelnden Bildung. Meine 16 Trainer sind bis auf einen alle Akademiker und das ist selten. Das ist gar nicht arrogant gemeint, es ist einfach nur schade. Deshalb haben wir auch eine ganz große Verantwortung, dass wir das Projekt ordentlich aufziehen und andere beraten, wie man so was gut machen kann."

Training beim ISC AlHilal; Foto: Sabine Kleefisch
Pädagogische und interkulturelle Schulung: Was den ISC von anderen Vereinen abhebt, ist, dass die Trainerinnen und Trainer nicht nur DFB-Trainerlizenzen haben, sondern auch pädagogisch geschult sind; Foto: Sabine Kleefisch

Von den 5.000 Euro Preisgeld will der Verein einen Shuttlebus kaufen, um mehr Kindern die Möglichkeit zur Teilnahme zu eröffnen. Nüchtern erklärt er: "Migranteneltern bringen ihre Kinder nirgendwohin. Die müssen alleine kommen und unser Sportplatz liegt nun mal ein wenig abseits."

Heute hat der Verein fast 900 Mitglieder aus mehr als 21 Ländern und Younis freut sich, dass sich allmählich auch Deutsche und nicht-muslimische Bonner gezielt für den ISC und damit für die interkulturelle Schulung ihrer Kinder entscheiden: "Wir haben vor Kurzem unser erstes nicht-muslimisches Mitglied im Verein gefeiert!" Ab dem Frühling wollen sie verstärkt um deutsche Mitglieder werben – jetzt im Winter, wo öfter mal Trainings wegen schlechten Wetters ausfallen müssen, ist das nicht sinnvoll.

Für die Zukunft wünscht er sich neben zahlreichen deutschen Mitgliedern auch viele Sponsoren zur Finanzierung der Projekts und Nachahmer in anderen Städten: "Ich hoffe, dass dieses Projekt ganz groß wird, damit es eine Art Leuchtturmcharakter für ganz Deutschland hat."

Sabine Kleefisch

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Redaktion: Nimet Seker/Qantara.de