Karsai unter Druck
Vertreter von 80 Staaten werden auf der Internationalen Afghanistan-Konferenz mit der Kabuler Regierung weitere Aufbauhilfen vereinbaren. Doch wie der Wiederaufbau bewältigt werden kann, bleibt nach wie vor umstritten. Von Said Musa Samimy
Die Pariser Konferenz stellt die Fortsetzung der Londoner Afghanistan-Konferenz dar, bei der im Januar 2006 ein Hilfspaket in Höhe von 25 Milliarden US-Dollar für den Wiederaufbau Afghanistans beschlossen wurde.
In Paris wird die afghanische Regierung nun ihre "Nationale Entwicklungsstrategie" vorstellen, die auf der These basiert, dass Demokratie und freie Marktwirtschaft innenpolitischen Frieden fördern.
Die Wirtschaft Afghanistans soll demnach in einem auf fünf Jahre angelegten Prozess (2008-2013) finanziell unterstützt werden, damit die Armut reduziert und die Grundlage für Sicherheit und Stabilität geschaffen werden kann.
Umstrittene Verwendung der Hilfsgelder
Um dies zu realisieren, wird die Regierung von Karsai nun 50 Milliarden US-Dollar von der internationalen Staatengemeinschaft fordern. Dass weitere Finanzhilfen notwendig sind, darüber sind sind sich alle Teilnehmer der Geberkonferenz im Grunde einig. Aber über die Höhe und die Verwendung der Gelder klaffen die Meinungen auseinander.
Die afghanische Regierung wünscht etwa, dass ein Großteil der Hilfsgelder in den afghanischen Staatshaushalt fließt. Denn da Afghanistan kaum auf eigene, im Land erwirtschaftete Gelder zurückgreifen kann, stellt das internationale Hilfspaket beinahe komplett die finanzielle Existenzgrundlage des afghanischen Staates dar.
Aber die internationale Gemeinschaft wird den Großteil der Gelder nicht der afghanischen Regierung überlassen. Bereits in der Vergangenheit blieben die erhofften Finanzmittel für den afghanischen Staatshaushalt hinter den Erwartungen zurück.
Nach der Londoner Geberkonferenz erhielt Afghanistan nur 15 statt der zugesagten 25 Milliarden US-Dollar. Und nur 30 Prozent davon flossen direkt ins Budget des afghanischen Staates. Ursprünglich zugesagt war die Hälfte gewesen.
"Lead-Nation-Prinzip" für Afghanistan
Beim Wiederaufbau Afghanistans setzen die Geberstaaten nämlich eigene Prioritäten. Das Stichwort dazu lautet: "Lead-Nation-Prinzip" und bedeutet, dass sich jedes Geberland in einem bestimmten Aufbaugebiet engagiert.
Kritiker dessen sagen jedoch, die Erfahrungen der vergangen Jahre hätten gezeigt, dass dies zu einer Ungleichheit bei der Verteilung der Hilfsmittel führe. Und dass man bei der Koordinierung der Aufbauleistung das gesamte Land im Auge haben müsse und nicht nur einzelne Regionen.
Auch die Verschlechterung der Sicherheitslage wirft die Fortschritte beim Wiederaufbau zunehmend zurück. Sechs Jahre nach Beginn des demokratischen Friedensprozesses zählt Afghanistan zu den fünf ärmsten Staaten der Welt.
Karsai mit dem Rücken zur Wand
42 Prozent der Bevölkerung verfügen über weniger als 14 US-Dollar im Monat. Die Arbeitslosenrate beträgt 42 Prozent. Die weit verbreitete Korruption, der zunehmende Einfluss der Drogenmafia und die sichtbare Kluft zwischen einer kleinen privilegierten Schicht und der verarmten Masse sind ernsthafte Herausforderungen für die Regierung von Karsai.
Afghanistan braucht eine konsequente Bekämpfung des Terrorismus und ernsthafte Wiederaufbaubemühungen nach einem "ganzheitlichen Ansatz", in dem die politischen, wirtschaftlichen und militärischen Dimensionen der Stabilisierung der Verhältnisse gleich stark gewichtet werden. Präsident Hamid Karsai muss beweisen, dass er dies umsetzen kann.
Said Musa Samimy
© DEUTSCHE WELLE 2008
Dr. Said Musa Samimy ist Leiter der afghanischen Hörfunkredaktion der Deutschen Welle.
Qantara.de
Afghanistan
Hoffen auf neue Finanzspritzen
Auf der zweitägigen Internationalen Afghanistan-Konferenz in Berlin wird es auch um die Finanzierung des Wiederaufbaus gehen. Ein strittiges Thema, denn zwischen den finanziellen Erwartungen Afghanistans und der bisherigen Zahlungsbereitschaft der Geberländer klafft eine klare Lücke. Näheres von Said Musa Samimy
Afghanistan
Kaum nennenswerte Fortschritte
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