Aktien unter Scharia-Aufsicht
Was tut ein Muslim in Deutschland mit seinen Ersparnissen? Er trägt sie zur Sparkasse, obwohl ihm die Religion eigentlich Zinseinnahmen verbietet. Mehrere Tausende hatten ihre letzten Groschen allerdings in türkischen "Islam-Holdings" angelegt und verloren, weil diese sich als Schneeballsysteme entpuppten.
Michael Saleh Gassner, Experte für Islam-Banking, sieht deshalb die Aufgabe muslimischer Medien darin, die Gläubigen in Finanzsachen aufzuklären und sie zu ermahnen, auf Seriosität zu achten.
Nach Angaben des "Manager-Magazins" gibt es derzeit etwa 150 Islam-Fonds. In der Regel orientieren sich die koran-konformen Investments am Dow Jones Islamic Market Index der New Yorker Börse, der unter Aufsicht von Rechtsgelehrten (Sharia Board) steht.
Börsennotierte Unternehmen der Kategorie "Halal"
Diese Gelehrten wachen darüber, dass die börsennotierten Unternehmen auf diesem Teilmarkt "halal" (erlaubt) sind. Aktien sind okay, doch nicht aus jeder Branche. Verbotene Wirtschaftszweige sind Alkohol-, Tabak- und Schweinefleischhersteller, Glücksspiel, Pornografie, Nachtclubs, Waffen sowie auf Zinswirtschaft basierende Banken und Versicherungen. Auch werden Fluggesellschaften und Hotels oft gemieden, weil sie ihren Gästen Alkohol ausschenken.
Weil es Grauzonen gibt – Telekommunikation ist an sich unbedenklich, könnte jedoch pornografische Inhalte übertragen – und Zinsgeschäfte nicht gänzlich auszuschließen sind, spenden Gläubige vorsorglich 0,2 bis 0,3 Prozent der Rendite. Untersagt ist ebenfalls die Investition in Unternehmen mit mehr als 33 Prozent Fremdkapital.
Wegen der rigorosen Handhabe hätten sich islamische Aktienfonds von den großen Pleitiers "Worldcom" oder "Parmalat" ferngehalten, so Beobachter, und auf diese Weise Verluste vermieden. Auch das Platzen der New Economy sei für sie glimpflich ausgegangen. Das macht sie generell für sicherheits- oder ethikorientierte Anleger attraktiv.
"Islamic Equity Builder Certifikates"
An den Dow Jones Index halten sich auch die so genannten "Islamic Equity Builder Certifikates", die die Deutsche Bank seit über vier Jahren anbietet. Empfohlen werden sie für "begrenzt risikobereite" Anleger.
Alle drei Monate überprüfen die Experten des "Dar al Istithmar", eines Joint Ventures der Deutschen Bank, der Finanzberatung Russell Wood und des Zentrums für Islamstudien der Universität Oxford, ob die Zusammensetzung des Portfolios weiterhin den Sharia-Vorgaben entspricht.
Die Zertifikate, die je nach Wahl europäische, asiatische, US-amerikanische oder weltweite Aktien umfassen, werden auch auf der deutschen Börse gelistet. Verkauft werden sie hier allerdings in einem "nicht nennenswerten Umfang", wie Pressesprecher Klaus Thoma sagt.
Das könnte daran liegen, dass sie schlicht unbekannt sind. Wenn sich Kunden in Deutschland für solche Produkte interessieren, müssten sie gezielt danach fragen. "Interessenten finden sie auf unserer Website", sagt Thoma. Doch nur auf Englisch und nach einer komplizierten Suche.
Erwartungen an Kunden aus der Golfregion
"Die scharia-konformen Produkte werden für den Nahen und Mittleren Osten entwickelt", erklärt Thoma: Dort sieht die Deutsche Bank beziehungsweise ihre Investment-Tochter DWS die größere Nachfrage. Die fünf neuen DWS "Noor Islamic Funds" in Dubai, seit Ende 2006 auf dem Markt, sind gar nicht für deutsche Kunden vorgesehen.
Im arabischen Raum hingegen erwarten die westlichen Banken strenggläubige Aktienkäufer, die viel Wert auf die korrekte Investition legen – und denen wegen des hohen Ölpreises das Geld locker sitzt.
Die Strategie, vor allem auf die Kundschaft aus der Golfregion zu setzen, hatte sich beim Pionier auf dem deutschen Finanzmarkt, dem "Al Sukoor"-Fonds der Commerzbank-Tochter "Cominvest", nicht ausgezahlt. Der Fonds musste wegen mangelnder Nachfrage 2005 schließen.
Er war von 40 Millionen Euro im Jahr 2000 auf zuletzt vier Millionen geschrumpft. "Wir haben damals eine Nische gesehen", sagt Klaus Becker von "Cominvest", "aber unsere Annahmen haben sich als falsch erwiesen".
Warum die augenscheinlich sinnvolle Innovation letztendlich ein Flop war, weiß der Banker nicht. Möglicherweise hätten die religiösen Einschränkungen die Rendite zu sehr geschmälert. In Deutschland wurde "Al-Sukoor" nicht beworben, "aber das tun wir bei vielen Produkten nicht." Dies würde zuviel kosten, so Becker.
Die Investmentbanker könnten nur ihre neuen Produkte den Finanzmaklern anbieten, mehr nicht. Experte Gassner wundert der Flop nicht. "Zwar wurde die Vertriebszulassung für Deutschland beantragt, aber keine konsequente Werbung betrieben", sagt er.
Und trotz der erwiesenermaßen hohen Sparquote der deutsch-türkischen Haushalte fehle ein muslimischer Finanzvertrieb. Mit den wenigen Produkten, die eine hiesige Zulassung haben, könnte ein spezialisierter Unternehmer kaum überleben. Sein eigenes Büro verlegte Gassner inzwischen von Köln nach London.
Matilda Jordanova-Duda
© Qantara.de 2007
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