Mehr Vertrauen in islamisches Bankwesen

Die Auswirkungen der weltweiten Finanzkrise bekommen auch die arabischen Börsen zu spüren. Vor kurzem fand daher das Islamische Weltwirtschaftsforum in Jakarta statt, um Wege aus der Krise zu finden. Ist "Islamic Banking" die Lösung? Von Peter Philipp

Fotomontage Islamic Banking; Foto: dpa/DW
Währungsspekulation, Hedgefonds, der Weiterverkauf von Schuldverschreibungen wie bei der US-Hypothekenkrise – all das ist im islamischen Finanzsystem verboten.

​​Angesichts der Finanzkrise, die zunehmend auch die arabische Welt erfasst, hat das saudische Königshaus inzwischen mit einem Hilfspaket reagiert: Vor kurzem stellte König Abdullah fast fünf Milliarden Euro für wirtschaftlich schwache Familien zur Verfügung.

Aufkommende Panik oder zumindest die Angst vor großen Verlusten bringt dabei vielen Arabern, aber auch Iranern und Muslimen anderswo in Erinnerung, dass manches von dem vielleicht hätte verhindert werden können, wenn man den Geboten der Religion gefolgt wäre.

Immerhin gibt es in der muslimischen Welt ein auf der Religion basierendes Banksystem - das Islamische Bank- oder Finanzwesen. Nirgendwo ist es zum allein gültigen System erklärt worden, es gewinnt aber an Popularität, besonders in der Bevölkerung. Man spricht von einem jährlichen Zuwachs von 27 Prozent.

Utopie oder Lösung?

Ist es Utopie zu glauben, dass die Finanzkrise mit dem islamischen Bankwesen verhindert worden wäre? "Nicht ganz", sagt Michael Saleh Gassner, Experte dieses islamischen Bankensystems. Nach den Regeln des Islamischen Bankwesens gebe es unter anderem ein Verbot des Geldzinses. Und der habe die Krise schließlich nachhaltig beeinflusst.

Außerdem sage das islamische Recht: Jede Finanzierung muss mit einer realwirtschaftlichen Transaktion verbunden werden. "Man muss sich genau ansehen, was dem Geschäft im einzelnen zugrunde liegt? Will jemand ein Haus kaufen, kann man ihm das auf Ratenzahlung verkaufen? Das sieht erst mal so aus wie ein Darlehen, am Ende stellt es aber sicher, dass man sich genau anschaut, was da eigentlich gemacht wird", sagt Gassner.

Genau Hinsehen

Islamische Bank in Dubai; Foto: AP
Die Folgen der Finanzkrise am Persischen Golf sind durchaus unterschiedlich: Während Dubai mit einem scharfen Rückgang der Investitionen zu kämpfen hat, sind die Folgen in Oman kaum zu spüren.

​​ So wäre es nach den Regeln des islamischen Finanzwesens in den USA gar nicht erst zur Hypothekenkrise gekommen – dem Auslöser der Finanzkrise. Wenn man genauer hingeschaut hätte, wäre klar gewesen, dass in vielen Fällen die Schuldner gar nicht in der Lage sein würden, solche Hypotheken zurückzuzahlen.

Ebenso wären "Leergeschäfte" verhindert worden, bei denen nicht Waren gehandelt oder Dienstleistungen erbracht und Verdienste erzielt werden. Stattdessen werden bei "Leergeschäften" durch den geschickten Einsatz von Kapital große Gewinne erzielt - oder aber auch große Verluste.

Zinsen verboten

Wie schon bei den Zinsen: Der Islam untersagt es, "Geld arbeiten zu lassen". Auch sonst sind die Regeln strikt: So dürfen keine Geschäfte finanziert werden, die nicht mit der "Scharia" vereinbar sind, also dem religiösen Gesetz. Der Handel mit Schweinefleisch ist natürlich verboten, ebenso Pornographie oder auch das Glücksspiel.

Wobei die Interpretation des letzteren sich nicht nur auf Spielcasinos bezieht, sondern sicher auch auf das Zockerverhalten auf den internationalen Finanzmärkten. Wo nicht mehr nach den üblichen Regeln der Wirtschaft gehandelt wurde, sondern wo plötzlich "Finanzprodukte" im Umlauf waren, deren Konstruktion selbst viele von denen nicht mehr verstanden und durchschauten, die mit ihnen Handel trieben.

Hier sieht Gassner überhaupt ein großes Problem: "Uns fehlt in der Wirtschaft grundsätzlich eine stärkere ethische Ausrichtung", kritisiert er.

Religiöse Banken

Gassner weiß natürlich auch, dass "Islamic Banking" selbst in der arabischen Welt nicht die Regel ist. Auch dort gibt es das westliche System - mit Darlehen und Zinsen. Aber das Bankwesen sei in diesen Ländern insgesamt noch nicht so weit entwickelt, um einen eigenen - islamischen - Charakter anzunehmen.

In der Bevölkerung sei man sich der Gebote des Koran im Hinblick auf Finanzgeschäfte durchaus bewusst, und man dränge die Banken, religions-konforme Angebote zu machen. In manchen arabischen Staaten, besonders am Persischen Golf, betrage der Anteil islamischer Banken immerhin schon bis zu 50 Prozent.

Wie die Arbeitsweise nach den Regeln des Islam konkret aussieht, kann man an einem deutschen Beispiel darstellen: Bereits 2004 beschloss das Land Sachsen-Anhalt, öffentliche Gebäude einer islamischen Stiftung in den Niederlanden zu verkaufen, die sie dann wiederum dem Land zurück vermietete und Besitz-Anteile an Anleger in der arabischen Welt verkaufte.

Islamische Finanzierung

Seit die ersten islamischen Banken in den siebziger Jahren aufmachten, sind weltweit Hunderte solcher Banken entstanden. Und auch westliche Banken haben begonnen, "Islamic Financing" zu entdecken: Um in der islamischen Welt besser ins Geschäft zu kommen und um den eigenen muslimischen Bürgern ein akzeptables Banksystem anzubieten.

Ihr Erfolg hängt aber davon ab, wie rasch die islamische Welt zum islamischen Bankwesen übergeht. Michael Gassner ist nicht so optimistisch: "Das alles ganz islamisch wird, ist noch nicht einwandfrei zu erkennen", sagt er. "Das wird sicherlich sehr lange dauern, denn auch dort gibt es schließlich nicht nur praktizierende Muslime."

© Deutsche Welle 2009

Peter Philipp

Peter Philipp ist Chefkorrespondent und Nahost-Experte der Deutschen Welle.

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