Siegeszug der islamistischen Hardliner
In Iran hat der erzkonservative Teheraner Bürgermeister Ahmadinejad überraschend die Präsidentschaftswahlen gewonnen – nicht zuletzt aufgrund der niedrigen Wahlbeteiligung und der Boykottaufrufe exiliranischer Oppositioneller und Politiker, meint Peter Philipp.
Iranische Konservative hatten vor den Präsidentschaftswahlen immer wieder betont, dass eine möglichst hohe Wahlbeteiligung der Beweis dafür sei, wie demokratisch diese Wahlen abliefen und dass man damit der Welt beweisen könne, wie wenig die Iraner bereit sind, das System der Islamischen Republik in Frage zu stellen.
Sie werden nun umschwenken müssen, denn die Beteiligung bei der Stichwahl war geringer als im ersten Wahlgang. Aber sie bescherte einem Konservativen – dem Teheraner Bürgermeister Mahmud Ahmadinejad – einen überwältigenden Sieg.
Ein Schützling Khameneis
Von großen Erklärnöten dürften die konservativen Anhänger des "Obersten Führers", Ayatollah Ali Khamenei, aber kaum geplagt werden: Der Wahlsieg des 49-jährigen Schützlings des "Führers" wird nun als konsequente Fortsetzung der islamischen Revolution verkauft werden, in der verstärkt den Armen geholfen und die Privilegien der Reichen beschnitten werden sollen.
Bei einer geschätzten Arbeitslosigkeit von über 40 Prozent ist das Heer der Armen sehr groß im Iran. Weit größer als das der Multimillionäre in Nord-Teheran. Sozialer Wohnungsbau, billige Kredite und anderes mehr sollen nun den Armen helfen.
Dagegen ist nichts einzuwenden. Wenn solche Pläne nicht einher gingen mit der erklärten Absicht, wieder ein strikteres islamisches Regime einzuführen und sich mehr auf nationalistische Linien zurückzuziehen: Gesellschaftlich dürften viele der Freiräume bedroht sein, die der iranische Mittelstand – und nicht nur die Oberschicht – sich im Laufe der Jahre geschaffen hat: Eine etwas lockerere Kleiderordnung der Frauen und etwas mehr Orientierung nach westlicher Lebensart sind nur zwei Beispiele.
Ende der Reformen und neuer Isolationskurs
Politisch aber könnten die zu erwartenden Einschnitte erheblich gravierender sein: So hat Ahmadinejad bereits angekündigt, er wolle sich in der Atomfrage nichts diktieren lassen. Das galt zwar auch für den scheidenden Präsidenten Khatami und für den unterlegenen Rafsanjani. Aber beide waren zu Diplomatie bereit, während Ahmadinejad mit Sicherheit eine härtere Linie verfolgen will, die den Iran erneut in die internationale Isolation treiben wird.
Eine Isolation, die wiederum die notwendigen wirtschaftlichen Projekte gefährdet, die für die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Anhebung des Lebensstandards erforderlich sind. Auch der Iran kann sich nicht der globalen Vernetzung entziehen.
Daran ändert auch nichts, dass die Staatseinnahmen wegen des hohen Ölpreises gerade Rekordhöhen erreichen. Öl will verkauft werden und die Käufer – Europa, vor allem aber China – wollen dafür Produkte und Dienstleistungen im Iran verkaufen und dort investieren. Sie werden es kaum tun, wenn dort wieder ein extremes islamistisches und fremdenfeindliches Regime herrscht.
Wahlboykotteure als Sündenböcke?
Haben die Iraner dies selbst zu verantworten? Nur bis zu einem gewissen Grad: Ihre Wahlabstinenz rührte einerseits her von tiefer Entäuschung über die erfolglosen Reform-Bemühungen Mohamad Khatamis, andererseits aber wurden sie massiv aus dem Westen zum Wahlboykott aufgerufen.
In einer merkwürdigen Koalition, die vom Weißen Haus bis in linke europäische Kreise reichte, von Anhängern des Schahs bis zu den links-islamischen "Mujaheddin", wurde ihnen gepredigt, dies sei keine Wahl, sondern nur die Entscheidung zwischen Pest und Cholera, zwischen schlecht und schlechter.
Diejenigen, die diese Aufrufe erlassen haben, können sich jetzt bequem zurücklehnen in Washington, Paris, Berlin und London. Die Folgen haben nicht sie auszubaden, sondern die Menschen im Iran.
Peter Philipp
© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2005
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