Das Ende der Import-Imame?
In der Bundesrepublik werden Forderungen nach deutschsprachigen Predigten in Moscheen immer lauter. Dadurch sollen deren Inhalte stärker kontrolliert und damit die Integration verbessert werden. Doch viele Muslime sehen das ganz anders. Filiz Kükrekol berichtet
Wenn ein amerikanischer Pastor irgendwo in Deutschland seine Sonntagspredigt auf Englisch hält, stört das keinen. Und auch in vielen griechisch-orthodoxen Kirchen werden die Messen ganz selbstverständlich in der Muttersprache gehalten, ohne dass irgendein deutscher Politiker daran Anstoß nähme. Imame jedoch sollen nach dem Willen mehrerer deutscher Politiker und Funktionsträger in ihren Moscheen künftig auf Deutsch predigen.
Ressentiments abbauen
Das fordert zum Beispiel der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Wolfgang Huber, der auf diese Weise das Misstrauen zwischen alt eingesessenen Deutschen und den meist zugewanderten Muslimen abbauen möchte. Und das fordert auch das Kultusministerium des Bundeslandes Baden-Württemberg.
Deutsch entwickle sich ohnehin zunehmend zur Muttersprache der meist türkisch-stämmigen Muslime in Deutschland, meint Barbara Lichtenthäler. Sie leitet in dem Ministerium den Bereich Kirchen.
"Es kommen viele Kinder in Deutschland zur Welt, die Deutsch schon als Muttersprache in der Schule kennen lernen. Und wenn wir davon ausgehen – und das tut auch unsere Kultusverwaltung und Schulpolitik –, dass Moschee und Schule ergänzend religiöse Erziehung gewährleisten, dann sollte auch eine gewisse Vereinbarkeit und Erreichbarkeit der Kinder über die Sprache gegeben sein."
Doch tatsächlich geht es den Behörden auch um einen ganz anderen Punkt, nämlich um eine gewisse Kontrolle dessen, was in den immer zahlreicher werdenden Moscheen auf deutschen Boden gepredigt wird.
Zwar stehen Muslime und Imame hierzulande keineswegs unter Generalverdacht. Aber es gab einen Fall, der in der deutschen Öffentlichkeit für große Empörung sorgte und neues Misstrauen säte.
"Nutzlose und übel riechende Deutsche"
Ein türkischstämmiger Imam in Berlin titulierte die Deutschen in einer Predigt als "nutzlos" und "übel riechend" und rechtfertigte obendrein Selbstmordattentate. Ein Gericht hat inzwischen entschieden, dass der Mann in die Türkei ausgewiesen werden darf.
Die gesamte Geschichte kam ans Licht, nachdem ein deutscher TV-Sender auf die Idee kam, die in einer Berliner Moschee gehaltenen Predigten vom Türkischen ins Deutsche zu übersetzen.
Doch egal ob Hetze oder vorbildliche Predigt: Fakt ist, dass Deutsch für viele türkischstämmige Schulanfänger immer noch fast eine Fremdsprache ist. Und genau darin liegt das Problem, denn Deutschkurse waren für die ersten Einwanderergenerationen kein Thema.
Mangelhafte Sprachkompetenz
Die Sprachkompetenz vieler älterer Muslime in Deutschland ist deshalb oft "mangelhaft" geblieben und konnte in vielen Fällen auch kaum an die Kinder weitergegeben werden.
Ähnliches gilt für viele Imame. Viele werden für eine begrenzte Zeit aus ihren Herkunftsländern nach Deutschland berufen. Barbara Lichtenthäler weiß das und ist bereit, zunächst nur kleine Schritte zu machen:
"Wir brauchen erst mal eine Bewusstseinsbildung, die dahin gehen muss, dass Deutsch als Sprache wichtig ist – und dass sie möglichst auch die Moscheen erreicht. Imame sollten – da sind sich alle einig – auch Vorbildfunktionen übernehmen."
Das bestätigen nicht nur deutsche Politiker, sondern das sagt auch Bekir Alboga, der Dialogbeauftragte von Ditib in Deutschland. Ditib ist das Kürzel für die "Türkisch-Islamische Union" – der größte muslimische Dachverband in Deutschland und zugleich eine Auslandsorganisation des türkischen Religionsamtes in Ankara.
Importierte Vorbeter aus der Türkei
Die Imame der Ditib-Moscheen kommen für die Dauer von vier Jahren nach Deutschland und haben meist weder besondere Sprach- noch Landeskenntnisse. Eine Alternative zu solchen "Import-Imamen" gibt es bisher aber kaum – mit Ausnahme einiger kleinerer, zum Teil auch radikal-islamischer Organisationen, die auch türkische Imame mit deutschem Pass rekrutieren.
Der erste offizielle deutsche Lehrstuhl für islamische Religion wird derzeit in Münster eingerichtet. Ab diesem Sommersemester können sich Studenten dort unter anderem zum Islamlehrer ausbilden lassen.
Diese werden die importierten Vorbeter aus der Türkei vorerst aber nicht ersetzten, glaubt Bekir Alboga: "In Deutschland haben wir noch keine funktionierenden Einrichtungen, die Imame ausbilden könnten. Sollen wir deshalb unsere Imame aus anderen Ländern holen? Ich denke ja, denn mit der Türkei haben wir ein Land, das Erfahrungen mit der Trennung von Staat und Religion hat."
Es sei klar, dass die Muslime in Deutschland irgendwann die Feinheiten des Türkischen nicht mehr verstehen könnten, meint Alboga: "Dann müssen wir ihnen die Religion auch in der Sprache erklären, die sie verstehen. Aber wir dürfen bei der ganzen Diskussion nicht vergessen, dass Sprachpflege immer auch Pflege des kulturellen Reichtums ist."
Nichts vor der Gesellschaft zu verbergen
Sprache ist auch immer ein Stück Identität. Und die, meint Alboga, gilt es bei aller Integration zu wahren. Die Angst vieler Deutscher vor fremden Sprachen, die außerhalb der Moscheen nicht verstanden werden, hält er deshalb für völlig unbegründet. Zumindest die Ditib-Imame hätten gewiss nichts vor der deutschen Gesellschaft zu verbergen.
Von der gegenwärtigen Diskussion hält er deshalb wenig: "Meines Erachtens ist dies alles politisches Kalkül. Ein Schritt in die falsche Richtung. Die Diskussion über deutschsprachige Predigten hat die vorhandenen Vorurteile gegenüber dem Islam und den Ausländern in Deutschland nur verstärkt. Ausländerfeindlichkeit und Islamfeindlichkeit haben neuen Wind bekommen. Also, die Islamophobie wird dadurch letztlich doch nur gestärkt!"
Tatsächlich haben nicht wenige Muslime in Deutschland den Eindruck, dass sie bereits durch die Forderung nach deutschsprachigen Moschee-Predigten unter Generalverdacht gestellt werden.
Auch deutsche Rechtsexperten und Leitartikler haben bereits die Frage aufgeworfen, ob man den Muslimen im - eigentlich weithin als privat empfundenen - Bereich der religiösen Bekenntnisse mehr sprachliche Integration abverlangen darf als anderen religiösen Gruppen – wie etwa amerikanischen oder griechisch-orthodoxen Christen.
Filiz Kükrekol
© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2005