Wahlsieger mit Ansage

In Tunesien ist von Wahlfieber nichts zu merken. Die Parlaments- und Präsidentschaftswahl dient ohnehin nur einem Zweck: Die Präsidentschaft auf Lebenszeit für Amtsinhaber Zine El Abidine Ben Ali zu legitimieren.

Von Peter Philipp

​​4,6 Millionen wahlberechtigte Tunesier waren am Sonntag aufgerufen, einen neuen Staatspräsidenten zu wählen. Zine El Abidine Ben Ali ist seit 17 Jahren an der Macht, hat sein Land voll im Griff und wird regelmäßig mit mehr als 99 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt.

Bei der anstehenden Präsidentenwahl hätte der 68-jährige Autokrat eigentlich nicht mehr antreten dürfen. Doch Ben Ali hat sich durch ein Referendum zu einer Verfassungsänderung im Mai des Jahres 2002 - erneut mit 99,5 Prozent Zustimmung - den Weg ebnen lassen, jetzt und auch noch weiterhin sich selbst nachfolgen zu dürfen.

Nie unter 99 Prozent der Stimmen

Vor Jahren noch wurden in Tunis und in anderen Städten des Landes Plakate mit dem Konterfei von Staatschef Zine El Abidine Ben Ali ausgehängt, auf denen dieser sich - sogar in Englisch - als "Champion of Human Rights" feiern ließ.

Ausländische Besucher - denen diese Werbung wohl galt, kamen meist zum eher sarkastischen Befund, der Mann werde solches Lob "wohl nötig haben", die Tunesier hingegen blieben unbeeindruckt davon. In doppelter Weise: Einmal glaubten sie den Spruch nicht, zum zweiten aber gaben sie Ben Ali bei Wahlen immer wieder ihre Stimme. Das jetzt schon seit 17 Jahren und an diesem Sonntag zum vierten Mal.

Mit Ergebnissen ist am Montag zu rechnen. Sie taten es immer mit solch überwältigender Mehrheit, dass auch dies schon wieder eher peinlich wirkte: nie unter 99 Prozent stimmten für Ben Ali. Nur Saddam Hussein schaffte es auf mehr.

Ben Ali für immer

Es besteht kein Zweifel, dass der Wahlsieg Ben Alis auch diesmal ebenso überwältigend wie decouvrierend sein wird. Die Bürger haben sich längst damit abgefunden, dass das Regime des ehemaligen Geheimdienst-Generals mit Freiheit, Demokratie und Menschenrechten nichts gemein hat, dass es den Einwohnern aber einen gewissen Wohlstand und soziale Ruhe beschert. Und dass Tunesien deswegen - und wegen des florierenden Tourismus im Ausland als liberales und weltoffenes Land gilt.

Die tunesische Anwältin Radhia Nasraoui – Frau von Kommunistenführer Hamami -, widerspricht dem, wo sie nur kann und wird dafür in ihrer Arbeit massiv behindert.

In einer Pressekonferenz in Genf warf sie 2003 dem Westen vor, über die wahren Verhältnisse in Tunesien hinwegzusehen und die Repression durch das Regime hinzunehmen, solange dieses westlichen Interessen diene. So habe die US-Regierung Tunesien einen "Persilschein" ausgestellt, weil es die Irak-Politik von George W. Bush unterstütze. Und auch Paris stelle sich bedenkenlos hinter Ben Ali.

Repressionen gegen Dissidenten

In der Tat hat der "Champion of Human Rights" eine reichlich negative Bilanz aufzuweisen: Journalisten werden drangsaliert und immer wieder inhaftiert, die staatlichen Medien stehen unter der Kontrolle des Geheimdienstes und politische Gegner werden verfolgt.

Es sei denn, sie stellen sich bei Wahlen als symbolische Zählkandidaten zur Verfügung. Wer nicht genehm ist, wird in die Ecke des muslimischen Extremismus gedrängt und als Staatsfeind verfolgt.

Die Partei Ben Alis - "Rassemblement Constitutionnel Démocratique" (RCD) - stellt mit 149 von 182 Parlamentssitzen die absolute Mehrheit im Parlament, sieben Oppositionsparteien sind chancenlos, mehr als ein paar Sitze zu gewinnen.

Und wie so oft in solchen Situationen: Das Regime stützt sich auf Freunde und Verwandte Ben Alis, viele von ihnen wie er aus der Gegend von Sousse - südlich von Tunis. Und es ist ein lukratives Unternehmen, zum Kreis der Mächtigen zu gehören.

Da sich Ben Ali seiner Wiederwahl sicher sein kann, gibt es jetzt viele Plakate, auf denen nur das Bild des Präsidenten prangt, ohne jeden Slogan oder Versprechung. Und auch ohne den "Champion of Human Rights"

Peter Philipp

© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2004