Konkurrenz für Al-Jazeera
"Al-Hurra" ist die ambitionierteste Medienoffensive der USA seit Gründung der "Voice of America" vor über sechzig Jahren. 62 Millionen Dollar haben die USA für den neuen Satellitenkanal im ersten Jahr zur Verfügung gestellt. "Al-Hurra" produziert seine Programme in der Nähe von Washington. Dem Publikum im Irak und seinen arabischen Nachbarländern soll er ein unzensiertes, objektives und demokratiefreundliches Informationsprogramm liefern.
Nichts als Propaganda?
Laut US-Präsident George W. Bush geht es darum, "die hasserfüllte Propaganda zu zerstreuen, die in der muslimischen Welt den Äther füllt". Die USA werfen zum Beispiel dem Sender "Al-Jazeera" antiamerikanische Tendenzen vor, die nun mit "Al-Hurra" bekämpft werden sollen. Die Wirksamkeit dieses Programmauftrags wird vor Ort allerdings angezweifelt.
Unerwünschte, ja gefährliche Propaganda erwartet Dschamil Abu Bakr von der Islamischen Aktionsfront, der politischen Vertretung der Muslimischen Bruderschaft in Jordanien. Die USA wollten nur die Wertvorstellungen der arabischen Welt aushöhlen.
Der Chefredakteur der in Libanon erscheinenden englischsprachigen Zeitung "The Daily Star", Rami Churi, sieht es ähnlich. Der neue Sender werde die Kluft zwischen Amerika und der arabischen Welt nur vergrößern. "Al Hurra" sei ein teures, aber letztlich irrelevantes Schwindelpaket.
Gegen den Strom
"Es wird eine Menge Leute geben, die davon ausgehen, dass wir nicht objektiv sind, dass wir das Sprachrohr der amerikanischen Regierung sind und Propganda machen", wirbt Verwaltungsratsmitglied Norman Pattiz um einen Vertrauensvorschuss. "Es wird also darauf ankommen, diese Hürde zu überspringen und unser Publikum davon zu überzeugen, dass wir die Demokratie fördern wollen durch eine unzensierte und genaue Berichterstattung."
Die bunte Schar aus arabischen und amerikanischen Mitarbeitern hat sich zum Ziel gesetzt, nicht nur ein visuell ansprechendes und zuverlässiges Nachrichtenprogramm zu machen, es soll auch anders sein als das, was man in der arabischen Welt bisher zu sehen bekommt. "Was Al-Jazeera und die anderen arabischen Satellitenprogramme senden, begrenzt sich im Grund genommen auf zwei Geschichten: auf den Irak und den israelisch-palästinensischen Konflikt", erklärt Pattiz. "So, als ob es keine anderen Dinge gäbe."
Irgendwie auch objektiv
Natürlich wird auch "Al-Hurra" der Situation im Irak besonderes Augenmerk schenken, schließlich wurden eigene Büros im Irak aus der 87-Milliarden-Dollar-Aufbauhilfe finanziert, die der US-Kongress im vergangenen Jahr für den Irak bewilligte. Und natürlich geht es auch darum, positive Nachrichten über den Wiederaufbau des Landes zu verbreiten. Doch nicht nur.
Auch die nicht gefundenen irakischen Massenvernichtunsgwaffen wären dem Sender eine "Story" wert, sagt der im Libanon geborene Nachrichtenchef Moufak Harb. "Wir würden darüber berichten, ob es uns nun gefällt oder nicht. Schließlich hat die Geschichte Nachrichtenwert", sagt er. "Aber ich würde in den Irak fahren und Opfer des Giftgasangriffs im kurdischen Halabdscha aufsuchen und ihre Brandwunden zeigen. Wir würden das Thema von allen Seiten beleuchten", stellt er klar.
Gegen den Strom
Für Moufak Harb, der voher für die in London erscheinende arabische Tageszeitung "Al-Hayat" gearbeitet hat, war die bessere Bezahlung nicht der entscheidende Grund, bei dem neuen Sender anzuheuern. Er sieht in "Al-Hurra" vor allem die Chance, in der arabischen Welt mit einem klassischen Vorurteil aufzuräumen.
"Immer, wenn über arabische Angelegenheiten berichtet wird, besteht die gefährliche Tendenz, die USA für alles, was dort schief läuft, verantwortlich zu machen", so Harb. "Immer wird von den arabischen Politikern diese Verschwörungstheorie ins Feld gebracht. In den Medien ist das kaum anders." Das zu ändern, ist erklärtes Ziel von "Al-Hurra". Der Sender ist Teil der Strategie Washingtons für eine Demokratisierung der arabischen Welt. Aber ob er dem arabischen Raum mehr Pressefreiheit bringen wird?!
Daniel Scheschkewitz, © DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2004