Die neue alte Brücke von Mostar
Die Brücke, welche der osmanische Architekt Neimar Hajrudin im Jahre 1566 unter Sultan Sulejman dem Großen errichtet hatte, gab der Stadt ihren Namen: "Most" heißt "Brücke".
Das Militär der bosnischen Kroaten hatte das international bekannte Kulturdenkmal am 9.11.1993 während des muslimisch-kroatischen Krieges zerstört. Nun soll es zum Symbol des Zusammenwachsens beider Stadthälften werden.
Besonderes Jubiläum
Die Einweihung der alten Brücke von Mostar fällt auf ein besonderes Jubiläum für die Stadt. Genau zehn Jahre zuvor, hatte der ehemalige Bremer Oberbürgermeister Hans Koschnick das Amt des EU Sonderverwalters für Mostar übernommen. Damals war der Bosnien-Krieg noch im Gange. Aber die bosnischen Muslime und Kroaten hatten in Washington einen Separat-Frieden geschlossen.
Koschnicks Ziel war es, die geteilte und zerstörte Stadt wieder zusammenzuführen. Sieht Hans Koschnick, der die Bundesregierung bei den Feierlichkeiten vertritt, den Wiederaufbau auch als seine persönliche Errungenschaft?
"Errungenschaft ist übertrieben", antwortet er auf die Frage, "aber es ist eine der großen Hoffnungen, weil die Brücke, jedenfalls damals, vor zehn Jahren, immer noch in den Köpfen der Mostarer das Symbol ihrer Urbanität gewesen war, ihr Bezug zur Vergangenheit und ihre Hoffnung für die Zukunft.
Das änderte sich im Krieg zwar dadurch, dass durch den Zuzug einer großen Zahl Vertriebener auf beiden Seiten der Neretva eine Mischung der Bevölkerung stattgefunden hatte. Die Zugezogenen hatten nicht mehr den gleichen Bezug zur Brücke. Aber nun gibt es wieder etwas, um das sich die Bevölkerung ganz allmählich so gruppieren kann, dass das wieder wächst, was früher so wichtig war: das Gefühl des Stolzes, ein Mostarer zu sein."
Einweihungsfeier mit Emotionen
Sulejman Kupusovic, Regisseur und Zeremonienmeister der Einweihungsfeier, wünscht sich, dass die Feierlichkeiten diesen Stolz auf die eigene Stadt, aber auch die Sehnsucht nach Versöhnung widerspiegeln. Daher treten Chöre, Musik- und Theatergruppen aus allen Teilen des Landes auf, und sogar aus Novi Sad in Serbien:
"Alles zusammen soll eine Emotion hervorrufen", hofft Kupusovic. "Das starke Bedürfnis der Menschen ist zu begreifen, dass der Hass eine der schlimmsten Dinge ist, die der Menschheit geschehen können. Das gesamte Konzept meines Programms gründet sich auf der Idee der Liebe, der Aussöhnung des Zusammenlebens. Das mag sich anhören wie politische Floskeln, aber glauben Sie mir, dass das der Welt und Bosnien-Herzegowina eine starke Nachricht sendet.
Es steht im Kontext der alten Brücke, die wie zwei Hände wirkt, die man sich über die Neretva reicht. Einige Tausend junger Leute, vor allem Mostarer, werden sich überall um die Brücke herum versammeln. Diese Nachricht ist ehrlicher und viel stärker als alle möglichen politischen Programme."
Nicht alle wollen die Vereinigung
Doch Kupusovic ist sich bewusst, dass es auch heute noch starke Widerstände gegen die Vereinigung der Stadthälften gibt:
"Diejenigen, die das verursacht haben und die dafür gesorgt haben, dass der Brückenbogen fiel, sind ja nicht weg, sondern sie sind immer noch hier anwesend. Und diese haben kein Interesse an der Rückkehr der alten Brücke und an der Entstehung einer völlig neuen Idee und einer Atmosphäre, die uns heute fast unglaublich scheint.
Vom ersten Tag unseres Festivals an, des Mostarer Sommers, als wir über 500 Kinder und Jugendliche aus dem kroatischen Stadtteil eingeladen hatten, kamen diese mit einer unglaublichen Freude über den Spanischen Platz und über die Tito-Brücke, also die einst am blutigsten umkämpften Orte der Stadt, in den mehrheitlich muslimischen Ostteil. Dort wurden sie von Tausenden anderen Mostarer empfangen, ohne dass sie schief angeschaut wurden.
Es gab eine Freude, wie auch bei gemeinsamen Konzerten von kroatischen und bosnisch-muslimischen Kulturgesellschaften oder als das erste Mal das kroatische Nationaltheater im Volkstheater von Mostar gastierte, und andersherum."
Langsame Aussöhnung
Hans Koschnick hat zwar selbst viele Rückschläge und Enttäuschungen in seiner Amtszeit erlebt, ist aber dennoch zuversichtlich, dass der Brückenschlag von Mostar einen wichtigen weiteren Schritt zur Aussöhnung markiert. Das zeige ja auch die deutsche Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg:
"Eins war klar, das musste ich lernen: Nach einem so schrecklichen Krieg unter Menschen, die sich gegenseitig kennen gelernt hatten, die gemeinsam in der Schule waren, im Kindergarten, gemeinsam im Sportverein, bei der Armee zusammen waren und im gemeinsamen Betrieb und die in der Nachbarschaft lebten, bleiben nach solchen Auseinandersetzungen andere Narben zurück, als bei einem nationalen Konflikt schlechthin.
Dass das so lange gedauert hat, bis die gegenseitige Ablehnung überwunden worden ist, das ist schwierig. Auf der anderen Seite denke ich daran, wie lange es gedauert hat, bis wir zwischen Deutschen und Polen wieder ein normales Verhältnis bekamen: 1945 bis 1950 hätte keiner daran gedacht."
Fabian Schmid
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