Satirische Schelmengeschichte
Mansi ist kein "verschollener“ Roman, wie etwa das kürzlich entdeckte Werk Whisper of Stars von Nagib Mahfuz. Es ist vielmehr eines von Tajjib Salichs spät verfassten Sachbüchern. Zum großen Teil porträtiert er in Mansi einen Kollegen und Freund, der sich abwechselnd Michael Joseph, Mansi Yousif Bastawrous oder Ahmed Mansi Yousif nennt. Dieser untersetzte, beleibte Mann aus dem ländlichen Ägypten war voller "napoleonischer Energie“, wie Salich schreibt. Im Unterschied zu Napoleon strebte Mansi allerdings nicht die Weltherrschaft an, sondern konzentrierte sich mit Elan auf Täuschen, Verführen, Poltern, Scherzen und Feilschen.
Mansi erschien zuerst 2004 auf Arabisch. Salich hatte zu dem Zeitpunkt schon lange keine Belletristik mehr veröffentlicht. Im Unterschied zu seinen eindringlichen Erzählungen dreht sich das Buch nicht um das imaginäre sudanesische Dorf Wad Hamid. Der kleine Ort am Nil ist zentraler Schauplatz seiner Werke aus den frühen 1960er Jahren: Die Hochzeit des Zain (1964), Zeit der Nordwanderung (1966) und der beiden Bandarschâh-Romane (1971 und 1976). Nach dem Erscheinen des zweiten Bandarschâh-Romans hat Salich in den 30 Jahren bis zu seinem Tod keine weitere Belletristik herausgebracht.
Von der Fiktion zur Realität
In den späten 1980er Jahren veröffentlichte Salich erstmals literarische Essays in der in London ansässigen Zeitschrift al-Majallah. 1988 fiel der Startschuss für die Mansi-Essays, ein Jahr nach dem Tod seines Freundes, wie Übersetzer Adil Babikir in seinem Vorwort anmerkt. Sechzehn Jahre später erschienen die Essays schließlich gesammelt als Buch.
Erstaunlicherweise liest sich Mansi: A Rare Man in His Own Way nicht wie eine Reihe von Essays. Stattdessen entfalten sich die Erzählstücke wie ein Roman, der in kurzen, rasanten Kapiteln den Leser bisweilen mit offenen Fragen zurücklässt: Wird Mansi aus dem Vereinigten Königreich abgeschoben? Wird er sich von Tajjib Salich abwenden? Was wird er als nächstes anstellen?
Übersetzer Babikir verweist darauf, dass viele arabische Leser das Buch tatsächlich "als Roman missverstehen“ könnten. Das ist durchaus nachvollziehbar, wird Mansi doch als eine Art Schelm dargestellt, der mehr kann, als nur große Mengen an Damenunterwäsche durch den libanesischen Zoll zu schmuggeln.
Es gelingt ihm, sich bei Königin Elisabeth vorzustellen, er heiratet in den englischen Adel ein und lässt sich dazu verleiten, mit dem Abgeordneten und bekennenden Zionisten Richard Crossman über Palästina zu debattieren. Mansi wusste offenbar so wenig über Palästina, dass er wenige Minuten vor der Debatte zu Salich sagte: "Hör doch auf. Erzähl mir lieber schnell etwas über die Balfour-Deklaration und all diesen Unsinn.“
Mansi erinnert phasenweise an Salichs Roman Zeit der Nordwanderung. Der schillernde Mansi ist der Romanfigur Mustafa Saeed nicht unähnlich: ebenso rätselhaft wie dauerpräsent. Das Werk erzählt aber auch von seinem Erzähler Tajjib Salich. Wir erleben den großen Autor sowohl während seiner Jahre bei der BBC als auch später im Dienst für die Regierung von Katar.
Doch anders als in Zeit der Nordwanderung nutzt Salich in Mansi die Beziehung zwischen Erzähler und Protagonist größtenteils wie in einer Komödie. Salich erkennt in den beiden Freunden die beiden Spaßvögel Laurel und Hardy – und es macht Freude zu sehen, wie der Autor lacht.
Sympathie und Faszination, aber auch Irritation
Salich erzählt uns, er habe Mansi 1953 kennengelernt, also kurz nach seiner Ankunft im Vereinigten Königreich. Salich hatte einen Job bei BBC Arabic; Mansi war offenbar als Korrespondent tätig. Beide entwickelten eine sonderbare Freundschaft zueinander: Sie begann offenbar mit dem Versuch Mansis, Salich mit einem Paar scheußlicher Socken zu bestechen. Für Salich beruhte die Beziehung wohl teils auf Sympathie und gegenseitiger Faszination, aber auch auf einer gewissen Irritation. Die Freundschaft hielt mehr als drei Jahrzehnte, obwohl Mansi den Autor Salich bei der Arbeit, bei gesellschaftlichen Ereignissen und bei verschiedenen Regierungen immer wieder in Schwierigkeiten brachte.
Salich beschreibt Mansi als unattraktiv: "Schwabbelig, mit einem mächtigen Hängebauch und einem dicken Hintern, was ihm das Erscheinungsbild eines in zwei Hälften geteilten Balls verlieh.“ Er beschreibt ihn aber auch als Frauenheld, dem es "nie an der Gesellschaft von Frauen mangelte, die sich in ihn verliebten.“ Seine erste Ehefrau, eine wohlhabende Nachfahrin des mittelalterlichen Staatsmanns Sir Thomas Morus, lernte Mansi auf einer Versammlung der "Jungen Konservativen“ kennen. Schon bald zog er aus seiner bescheidenen Wohnung in eine Villa um.
Obwohl Salich seinen Freund als charmanten Geschichtenerzähler beschreibt, konnte Mansi seine Fantasie nicht in Kunst umsetzen. Mansi spielte einige kleinere Rollen in Filmen und versuchte unermüdlich, seine Verbindungen zu nutzen, um groß rauszukommen.
"Wäre er mit ein bisschen schauspielerischem Talent gesegnet gewesen“, schreibt Salich, "so hätten ihm seine guten Beziehungen sicherlich zum Erfolg verholfen. Auf der Bühne des Lebens war er definitiv ein talentierter Schauspieler. Doch in der Kunst sah das ganz anders aus. Sobald er vor ein Mikrofon oder eine Kamera trat, wurde er entweder unglaublich schüchtern oder er übertrieb grenzenlos.“
Mansi schrieb auch Theaterstücke, die Salich "langweilig und blutleer“ fand. Und doch gelang es Mansi, sich in den engsten Kreis von keinem Geringeren als dem irischen Literatur-Nobelpreisträger Samuel Beckett einzuschleichen. Fast wirkt es, als wäre Salich neidisch, wenn er schreibt: "Was nur fand Samuel Beckett an Mansi?“ Salich tröstete sich damit, dass Beckett "vielleicht [in Mansis Schriften] etwas Reizvolles gefunden hat, so wie große Maler bisweilen etwas Reizvolles in Kinderzeichnungen entdecken.“
Wir Leser können das nicht beurteilen, denn Mansi hat seine literarischen Werke offenbar nie veröffentlicht. Auch bei einer kursorischen Suche in der britischen Presse taucht sein Name nicht auf. Das enttäuscht, wenn man bedenkt, in wie viele spektakuläre Streitereien er offenbar verwickelt war. Da Mansi gar behauptete, Prinzessin Margaret sei in ihn verliebt gewesen, würde man ihn fast in einer Episode der beliebten Fernsehserie The Crown (Die Krone) erwarten.
Dieses Buch ist weder so rätselhaft noch so komplex konstruiert wie Zeit der Nordwanderung oder Bandarschâh. Dafür ist es eine schnelle und vergnügliche Lektüre, die zudem das Leben von Teilen der arabischen Diaspora in den 1960er und 1970er Jahren illustriert. Doch am Ende blickt Salich nicht auf sein oder Mansis Leben im Vereinigten Königreich, sondern auf eine Zukunft, in der das Exil endet.
In einer fast schon blumigen Sprache drückt er seine Hoffnung auf eine Zeit aus, in der "die Zugvögel in ihre Nester zurückkehren und die Nächte wieder exotisch und heiter sein werden[...]“ Das Buch schließt ab mit dem Wunsch, die Konflikte im Libanon und im Sudan mögen enden und es wäre auch für die Palästinenser möglich zurückzukehren.
Marcia Lynx Qualey
© Qantara 2021
Tayeb Salih, Mansi. A Rare Man in His Own Way, Banipal Publishing 2020