"Die Armee der Reinen" als Drahtzieher?
Anfang der 1990er entstand die Gruppe Lashkar-e-Taiba als "militärischer Arm" eines radikalen-sunnitisch Koran-Zentrums unweit des pakistanischen Lahore. Die Gotteskrieger wurden erst in Afghanistan dann in Kaschmir aktiv – gefördert von Militär und Geheimdienst in Pakistan, wo offen Gelder gesammelt und Kämpfer rekrutiert werden konnten. Kurz nach den Terrorattacken des 11. September 2001 in den USA wurde sie 2002 vom damaligen pakistanischen Staatschef Pervez Musharraf offiziell verboten. Die UNO, die USA und die EU haben sie als gefährliche Terrorgruppe gebannt. Unter neuem Namen soll Lashkar-e-Taiba aber weiter bestehen.
Pakistan im Visier indischer Terror-Fahnder
Und stets fällt in Indien dieser Name, wenn der Terror wütet. Etwa als 2001 Terroristen das indische Parlament in Neu Delhi stürmen, was beinahe einen Krieg der verfeindeten Atommächte Indien und Pakistan auslöst – oder als im Juli 2006 in Bombay bei Anschlägen auf Vorortzüge nahezu 200 Menschen sterben. Schließlich hatte ihr Anführer Hafiz Mohammed Saeed schon in den 90ern die Ausdehnung des Djihad, des Heiligen Krieges, von Kaschmir auf ganz Indien propagiert.
Auch jetzt sind sich die indischen Autoritäten sofort sicher: Der Terror stammt aus Pakistan, wo die Terroristen ausgebildet würden. Indiens Regierungschef Manmohan Singh muss nicht einmal den Namen des Landes nennen – auch so weiß jeder, wer gemeint ist. Er spricht von "auswärtigen Verbindungen" der Terroristen, deren Attacken "genau geplant und ausgeführt" worden seien. Deutlicher wird der indische Sicherheitsexperte Anil Bhat, der direkt "das militärische Establishment Pakistans" als Urheber des Terrors beschuldigt. Der pakistanische Geheimdienst ISI müsse nicht mit eigenen Leuten nach Indien kommen. "Die hatten fast drei Jahrzehnte Zeit, um Module aufzubauen in fast allen Teilen Indiens", sagt der Experte. Pakistans Außenminister Shah Mehmood Quereshi zeigt sich empört. Entschieden dementiert er, dass es heute Terror-Ausbildungslager in seinem Land gebe. Pakistan verfolge vielmehr "eine Politik der Zusammenarbeit" mit Indien.
Welche Rolle spielt Al Qaida?
Unklar ist, ob und in welcher Weise Lashkar-e-Taiba Verbindungen zum globalen Terrornetzwerk Al Qaida unterhält. Darauf deuten die gemeinsamen Wurzeln in Afghanistan, die Art der Attacken und deren ausgefeilte Logistik. Diese Vermutung stützt der Bundestags-Abgeordnete Sebastian Edathy von der deutsch-indischen Parlamentariergruppe.
Das Muster der Terroranschläge von Bombay deutet seiner Meinung nach "durchaus auf Al Qaida hin". Ebenso wie dem Terrornetzwerk gehe es den Tätern von Bombay darum, "möglichst großen Schaden anzurichten, möglichst große Aufmerksamkeit auf das zu konzentrieren, was man als Terrorist tut." Und auch Indien-Experte Christian Wagner von der Stiftung Wissenschaft und Politik sieht hinter allem die Inspiration von Osama bin Ladens Weltverschwörung. Schließlich habe Al Qaida "Indien bereits vor einigen Jahren den Krieg erklärt und mit einer Reihe von Anschlägen auch immer wieder auf sich aufmerksam gemacht." Bombay zeige möglicherweise "eine neue Qualität und eine neue Dimension von Terroranschlägen", da es vermutlich gelungen sei, indische Muslime in dieses Terror-Netzwerk zu rekrutieren.
Jochen Vock
© Deutsche Welle 2008