Islamische Finanzspritze für Sachsen-Anhalt

Sachsen-Anhalt gehört mit 16 Milliarden Euro Schulden zu den ärmsten deutschen Bundesländern. Jetzt soll Geld aus einer ungewöhnlichen Quelle in die leeren Kassen fließen: Sachsen-Anhalt will arabische Quellen anzapfen.

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​​Um seinen Schuldenberg in den Griff zu kriegen, will Sachsen-Anhalt neue Wege einschlagen. Das mit 16 Milliarden Euro Schulden ärmste deutsche Bundesland will dafür islamische Anleihen in Höhe von 100 Millionen Euro herausgeben. Nach eigenen Angaben ist Sachsen-Anhalt das erste europäische Land, das mit "Islamic Bonds" versucht, an das Geld strenggläubiger Muslime zu kommen. Das Besondere an dieser Anlageform: Der Gewinn kommt nicht wie bei den meisten Anleihen der westlichen Welt durch Zinserträge zustande, denn Zinserträge sind nach dem islamischen Gesetz, der Scharia, verboten.

Leasing-Gewinne statt Zinserträge

Bei den von Sachsen-Anhalt ausgegebenen Anleihen entsteht der Gewinn durch eine Leasing-Transaktion: Die Landesregierung gründet eine Zweckgesellschaft, der die Nutzungsrechte an Immobilien des Landes übertragen werden. Darunter fällt zum Beispiel auch das Finanzministerium. Das Land erhält dafür 100 Millionen Euro von einer Stiftung, die vorher islamischen Investoren Anteile an der Stiftung verkauft hat. Sachsen-Anhalt nutzt die Immobilien weiter und zahlt dafür Leasing-Raten an die Zweckgesellschaft. Nach fünf Jahren werden die 100 Millionen Euro plus dem Gewinn aus dem Leasing-Geschäft an die Anleger zurückgezahlt und das Land bekommt die Nutzungsrechte an den Immobilien zurück. Axel Guehl vom Finanzministerium in Sachsen-Anhalt rechnet bei einer Laufzeit von fünf Jahren mit einer Rendite von 3,8 bis 4 Prozent für die Anleger.

Wachsender Markt

Entstanden sei die Idee der "Islamic Bonds" nicht "am grünen Tisch", sondern sie habe sich in Gesprächen mit arabischen Investoren entwickelt, erzählt Guehl. Angewiesen sei Sachsen-Anhalt auf die muslimischen Anleger zwar nicht, "aber es fragt sich, ob man an einem Markt, der sich jährlich so stark vergrößert, vorbeigehen kann", sagt Guehl. Außerdem gehe es nicht nur darum, Haushaltsmittel zu erhalten. "Wir wollen diesem Markt auch eine Message senden, die da heißt: 'Schaut mal, hier ist ein Land, das offen darüber nachdenkt, eine Emission zu machen, die einer anderen Rechtskultur, einer anderen Finanzkultur entspricht. Wir sind bereit, mit Ihrer Region Handelsbeziehungen und Kooperationsmöglichkeiten zu verstärken.' Ich denke das ist eine ganzheitliche Angelegenheit", so Guehl.

Attest vom "Scharia-Gremium"

Bevor die islamischen Anleihen auf den arabischen Markt gehen, muss ein "Scharia-Gremium", eine Gruppe von Islamwissenschaftlern, prüfen, ob die Anleihe nach islamischem Recht wirklich zulässig ist. Neben Geschäften mit Zinserträgen verbietet die Scharia auch Beteiligungen an Unternehmen, die mit der Produktion oder Verteilung von alkoholischen Getränken und Schweinefleisch Geschäfte machen. Außerdem sind mit Kino, Theater und Glücksspiel erwirtschaftete Gewinne tabu.

Auch wenn Sachsen-Anhalt hoch verschuldet ist, bekommt das Bundesland als Schuldner am Kapitalmarkt gute Ratings von Investmentfirmen. Sogar nicht-muslimische Anleger sollen schon Interesse an der Anleihe gezeigt haben, sagt Guehl.

Geldwäscheschutz

Natürlich käme bei Investitionen aus arabischen Ländern auch immer wieder die Frage nach möglicher Geldwäsche durch islamistische Gruppen auf, gibt Guehl zu. Eine unberechtigte Sorge, wie er sagt: "Wir weisen stets darauf hin, dass auch am arabischen Kapitalmarkt die Geldwäschevorschriften gelten und dass die US-Bank Citigroup, über die die Anleihe auf den Kapitalmarkt gebracht wird, darüber hinaus eine Strategie verfolgt, die Vorsichtsmaßnahmen noch mal zu verdoppeln, so dass wir uns da in guten Händen fühlen."

Christine Harjes

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