Windkraft am Rande der Sahara
Traumschön ist die Landschaft hier im Norden Marokkos, östlich von Tanger, an der Strasse von Gibraltar. Die Küstenstrasse windet sich von hier aus in die Berge. Der Bus mit der deutschen Delegation hat schwer zu kämpfen. Journalisten und Experten der Entwicklungshilfe wollen den Modellwindpark Tanger besichtigen.
"Der Modellwindpark Tanger ist im Rahmen der deutschen Finanzzusammenarbeit mit Marokko finanziert worden und im Jahr 2000 in Betrieb gegangen", erklärt Matthias Schlund von der Kreditanstalt für Wiederaufbau. "Es handelt sich um den ersten Windpark, der hier in Marokko geplant wurde. Er hat dazu beigetragen, dass bewiesen werden konnte, dass hier in Marokko die Nutzung der Windenergie möglich ist und einen Beitrag dazu leisten kann, die steigende Stromnachfrage zu decken."
Wind wie über der Nordsee
Marokko besitzt ein gewaltiges Windkraft-Potenzial. Warum das so ist, spürt man oben, am Fuße der Windanlagen. Das Meer ist in der Ferne zu sehen, der Wind weht mit 11 Metern pro Sekunden-Geschwindigkeiten wie mitten in der Nordsee.
Sieben von deutscher Seite finanzierte Windräder drehen sich hier, ein Schulungszentrum und die 20 Kilometer lange Anbindung an das marokkanische Stromnetz gehören ebenfalls zum Projekt, das vier Millionen Euro gekostet hat. Rund 20.000 Menschen werden mit Strom versorgt. Das Beispiel hat Schule gemacht.
Größter Windpark mit französischer Hilf
Gleich nebenan ist mit französischer Hilfe mittlerweile der größte Windpark Marokkos entstanden: 84 Windräder des dänischen Herstellers Vestas erzeugen Strom für über 500.000 Menschen, rund ein Prozent des Strombedarfs des Landes. Stefan Schmitz, Energieexperte im Ministerium für Entwicklungszusammenarbeit, sieht neben den enormen Windstärken noch andere Vorteile für die Windkraft in Marokko:
"Einerseits sind die Potentiale sehr gut, der Wind an vielen Küsten der Erde weht sehr gut, und natürlich haben Sie gerade in den menschenleeren Gegenden der Sahara-Randgebiete deutlich weniger Flächennutzungskonflikte. Dort können Sie größere Windkraftanlagen aufbauen, ohne unmittelbaren Einfluss auf Besiedlung und Landschaft zu nehmen."
Der Wind weht stark und vor allem kontinuierlich. Bis 2010 soll der Anteil der Windkraft an der installierten Gesamt-Kraftwerksleistung bei fünf Prozent liegen. Ein realistisches Ziel, denn die Investitionen rechnen sich, so Wolfgang Kroh, Vorstands-Mitglied der Kreditanstalt für Wiederaufbau.
"Windenergie verursacht höhere Kosten als konventionelle Energie, hat aber auch einen großen ökologische Vorteile", erklärt er. "Und es gibt Länder wie Marokko oder Ägypten, die sehr gute Windverhältnisse haben, wo wir mit den Produktionskosten sehr nah am kommerziellen Bereich liegen. Das weiter zu entwickeln, ist ein wesentlicher Anlass, hier weitere Förderungen zu bewilligen."
Gefahr für Zugvögel
Ganz ohne Belastungen für Natur und Umwelt sind aber auch diese Windräder nicht. Von deutscher Seite ist Franz Bairlein an den Planungen beteiligt. Der Chef des Instituts für Vogelforschung in Wilhelmshaven weist auf die Gefahr hin, die die Räder für Hunderttausende von Zugvögeln bedeuten.
"Marokko ist eines der wichtigsten Durchgangsländer für Zugvögel auf ihrer Reise von Europa nach Afrika und wieder zurück" so Bairlein. "Windräder werden hier aufgestellt, wo es am kräftigsten weht: auf Bergrücken. Und da verhalten sich die Zugvögel genau so wie über See. Sie überfliegen diese Bergrücken sehr niedrig, so dass sie bedroht sind, in den Schlagbereich der Rotoren zu kommen."
Und wenn jetzt im Süden Marokkos, an der Atlantikküste, ein weiterer Windpark geplant wird, werden Bairleins Untersuchungen berücksichtigt. Mittels Radarbildern kann der Ornithologe den Vogelzug exakt berechnen, oft genügt es, einige Windräder wenige hundert Meter zu verschieben, schon sinkt das Kollisionsrisiko. Skeptisch zeigt sich Bairlein, ob die Belange des Vogelschutzes beim großen, französischen Windpark vor Tanger berücksichtigt worden sind.
Aber insgesamt zieht er ein positives Fazit der Zusammenarbeit mit den marokkanischen Behörden. Nach anfänglichem Zögern seien seine Argumente gehört worden. Nicht selbstverständlich in einem Land, dessen Umweltbewusstsein nicht besonders hoch entwickelt ist.
Marokko stellt Projekt auf Bonner Konferenz vor
Das ist denn auch für Michael Hofmann, Ministerialdirektor im Entwicklungsministerium, der große Vorteil der Marokkaner: Sie haben den Stellenwert der erneuerbaren Energien für ihr Land begriffen, sie diskutieren ernsthaft auch Gefahren und Grenzen der sanften Energien, sie werden auch auf der Bonner Konferenz präsent sein:
"Es ist gut zu wissen, dass der marokkanische Energieminister teilnehmen wird an der Konferenz. Wir rechnen fest damit, das Marokko auch einen Stand aufmachen wird am Rande der Konferenz, wo dann einfach vorgeführt wird, was geleistet worden ist, so dass ich von marokkanischer Seite mit großem Engagement rechne."
Jens Thurau
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