Der Westen lässt die Freiheitsbewegungen im Stich
Seit zwei Wochen demonstrieren die Menschen in Ägypten für Demokratie, Freiheit und Bürgerrechte. Mit bewunderungswürdigem Mut nehmen sie dabei Unannehmlichkeiten und Gefahren in Kauf, setzen ihr Leben und ihre Gesundheit aufs Spiel. Seit zwei Wochen geht ein ganzes Volk von Freiheitskämpfern auf die Straßen und Plätze Ägyptens und fordert Beteiligung und Gerechtigkeit. Vergeblich warten die Demonstranten dabei auf Unterstützung aus dem Westen, aus den Kernländern der Demokratie, aus Europa und den USA. "Ohne uns" - heißt es in Berlin und Rom, in London und Paris.
Man dürfe nicht zu schnell Wahlen anstreben, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Sicherheitskonferenz in München und erhielt dafür die Rückendeckung Washingtons. Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi, der in den letzten Jahren nicht gerade als Förderer der Demokratie im eigenen Lande aufgefallen ist, plädierte gar dafür, den ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak im Amt zu halten.
Zweifeln und Zögern
Und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy gibt seiner Außenministerin Rückendeckung, die privat mit dem Umfeld des abgesetzten tunesischen Präsidenten Ben Ali verbandelt war.
All dies sind wahrlich keine Signale, wie man sie sich von Europa 20 Jahre nach dem Siegeszug der Demokratiebewegungen auf dem eigenen Kontinent wünschen würde. Es ist beschämend, wie die westlichen Staaten auf den Freiheitsdrang der Völker in der arabischen Welt reagieren.
Statt Zuspruch und Unterstützung für die mutigen Demonstranten gibt es nur Mahnungen, Zweifel und Zögern. Dabei hatten westliche Politiker und Publizisten jahrelang die Demokratie als die einzig wahre Regierungsform beschworen. Immer wieder hatten sie die fehlende Demokratie für den mangelnden Fortschritt und die wirtschaftliche Ungleichheit in der arabischen Welt und sogar für den Stillstand im nahöstlichen Friedensprozess verantwortlich gemacht.
Allein gegen die Diktatoren
So hatte der frühere israelische Minister Natan Sharansky ein Buch verfasst, das der ehemalige US-Präsident George Bush als sein Lieblingsbuch bezeichnete. Die Demokratie, so schrieb er darin, zeichne sich dadurch aus, dass die Bürger auf den Marktplatz gehen und dort ihre Unzufriedenheit mit der Regierung herausschreien könnten. Nur wenn in den arabischen Ländern eine so beglaubigte Demokratie herrsche, sei dauerhafter Frieden im Nahen Osten möglich.
In Kairo und Alexandria, Mansoura und Suez gehen die Menschen nun schon seit zwei Wochen auf die Marktplätze und schreien ihren Zorn und ihre Frustration über das diktatorische Mubarak-Regime heraus.
Doch der Westen lässt die Freiheitsbewegung im Stich, er fürchtet um die Stabilität in der Region, um die Friedhofsruhe, die nur von Machthabern vom Schlage eines Mubarak, eines Ben Ali, eines Bouteflika oder eines Königs Abdullah garantiert werden kann.
Es kommt einem Armutszeugnis gleich, dass die Regierungen klare Worte der Unterstützung für die Demokratiebewegung in Ägypten vermissen lassen. Und es ist doppelt beschämend, dass sich auch die Bevölkerungen in Europa bislang heraus halten, dass es in den westlichen Hauptstädten keine Massendemonstrationen und Solidaritätsbekundungen mit den Völkern in der arabischen Welt gibt, mit den Menschen, die doch unsere Nachbarn sind.
Bettina Marx
© Deutsche Welle 2011
Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de