Aufbruch zu neuen Ufern?
Laut einer Umfrage des Gallup Center Abu Dhabi glaubt eine große Mehrheit der Befragten, dass ein verstärkter Austausch zwischen den muslimischen und westlichen Staaten mehr Chancen als Risiken birgt. Doch Skeptiker glauben, dass ein wirklicher Wandel im Verhältnis noch erfolgen müsste. Informationen von Sara Reef
Die Umfrage ist Teil eines neuen Berichts des Abu Dhabi Gallup Center vom vergangenen November und trägt den Titel "Measuring the State of Muslim-West Relations: Assessing the 'New Beginning'". Er basiert auf den Befragungen von mehr als 100.000 Personen in 55 westlichen und muslimisch geprägten Staaten im Zeitraum von 2006 bis 2010.
Da der Bericht zeigt, dass die Mehrheit der befragten Menschen der Ansicht ist, von einem verstärkten Dialog der Kulturen zu profitieren und darin keine Bedrohung sieht, widerspricht er der Theorie Samuel Huntingtons vom "Kampf der Kulturen".
Der Bericht zeigt außerdem, dass etwa die Hälfte der Muslime glaubt, dass der Westen die muslimischen Gesellschaften nicht genügend respektiert. Die befragten Muslime appellieren daher an den Westen, dass religiöse Symbole dort nicht länger entweiht werden dürften.
Zugleich fordern sie, dass muslimische Charaktere in Filmen treffender dargestellt werden – was insofern ein überraschender Befund ist, weil es allgemein zeigt, welchen Einfluss Filme haben könen, einen Beitrag zum wachsenden gegenseitigen Respekt zwischen muslimischen Gesellschaften und Amerikanern zu leisten.
Vielleicht noch wichtiger aber ist das Ergebnis der Forscher, dass sowohl Religion als auch Politik eine Schlüsselrolle spielen, wenn es um den Wunsch der Menschen geht, sich zu engagieren.
Politische Differenzen als Ursache für Spannungen
40 Prozent der in der Region Nahost und Nordafrika (MENA) befragten Muslime glauben, dass politische Differenzen die Hauptursache für Spannungen zwischen den Muslimen und dem Westen bilden. Außerdem halten sie es eher für möglich, dass gewaltsame Konflikte vermieden werden können.
In den USA und in Kanada dagegen denken 35 Prozent der Menschen, dass politische Meinungsunterschiede die Hauptursache solcher Spannungen seien, während 36 Prozent glauben, dass dies auf religiöse Differenzen zurückzuführen sei. In der MENA-Region denken 40 Prozent der Muslime, dass in der Religion die Hauptursache für muslimisch-westliche Spannungen zu finden sei.
Diejenigen, die einer Ausweitung des interkulturellen Dialogs skeptisch gegenüberstehen, sind zugleich jene, die der Religion eine Schlüsselrolle für die Entstehung der Spannungen beimessen.
Gleichzeitig zeigen sich die Menschen, die die Religion für ausschlaggebend halten, auch sehr viel weniger optimistisch, was die Aussicht auf Konfliktvorbeugung angeht. Laut Gallup lehnen diese Menschen auch eine Ausweitung des Dialogs ab und zeigen eine deutliche Tendenz, von dieser Haltung auch künftig nicht abzurücken.
Bildungsniveau als Indikator
Die Gallup-Umfrage offenbart eine deutliche Korrelation zwischen Bildungniveau und der Bereitschaft des Einzelnen zu einem verstärkten Dialog zwischen Muslimen und den Menschen im Westen. Eine Mehrheit der Personen mit Abitur oder einem noch höheren Bildungsabschluss spricht sich für eine verstärkten Dialog zwischen den Muslimen und dem Westen aus, ganz gleich ob sie aus einer muslimischen oder westlichen Gesellschaft herkommen.
So empfiehlt Gallup den politischen Führungen in den westlichen und muslimischen Staaten, der Lösung politischer Konflikte größere Aufmerksamkeit zukommen zu lassen als der Betonung religiöser Problemfelder. Dafür müssten politische Konzepte entwickelt werden, die den muslimisch geprägten Ländern ebenso gerecht werden wie den westlichen – und dabei auch kulturelle Unterschiede berücksichtigen.
Ein Beispiel hierfür könnte eine erleichterte Visaerteilung für solche Studenten und Touristen sein, die aus der muslimischen Welt kommen und beispielsweise die Vereinigten Staaten besuchen wollen. Eine solche Maßnahme würde die Zahl muslimischer Besucher in den USA erhöhen und damit den kulturellen Austausch fördern sowie das gegenseitige Verständnis verbessern.
Außenpolitische Aspekte
Der letzte Abschnitt des Berichts fokussiert auf der Wahrnehmung von insgesamt drei aktuellen Konfliktfeldern: Afghanistan, Irak sowie Israel und die Palästinensergebiete. Die Menschen wurden dabei zu ihrer Meinung über tagespolitische Themen befragt sowie zur Ausweitung des interkulturellen Dialogs.
Der Bericht gibt auch Empfehlungen hinsichtlich einer neuen Politikorientierung im Irak und in Afghanistan ab, von entsprechenden Vorschlägen in Bezug auf Israel/Palästina wird jedoch abgesehen. Da es sich bei letzterem jedoch um den schon am längsten schwelenden Konflikt in der Region handelt, hätten die Leser des Berichts diesbezüglich von neuen Erkenntnissen sicher profitiert.
Als Folge der Rede von US-Präsident Barack Obama vom Juni 2009 in Kairo setzte ein Aufschwung im muslimisch-westlichen Verhältnis ein, wie etwa die "Programme zur Förderung des Unternehmertums, des studentischen und schulischen Austauschs sowie die Programme zur Verbesserungen der Ausbildung von Frauen in mehrheitlich muslimischen Gesellschaften" zeigen.
Und doch meinen Skeptiker, dass ein wirklicher Wandel in den Beziehungen noch erfolgen müsste. Zu Beginn des Jahres 2010 hat die Zustimmung zur Politik der USA in mehreren arabischen Ländern nachgelassen, vielleicht auch deshalb, weil Obama seinen Ankündigungen in den Augen der dortigen Öffentlichkeit nicht gerecht wurde.
Zugleich macht der Bericht eines deutlich: Es bleibt noch eine Menge zu tun, auch wenn es zweifelsohne Anzeichen für einen gewissen Fortschritt in den muslimisch-westlichen Beziehungen gibt.
Sara Reef
© Common Ground News Service
Übersetzt aus dem Englischen von Daniel Kiecol
Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de
Sara Reef ist Leiterin des Bereichs Interkulturelle Initiativen bei der New Yorker Nichtregierungsorganisation "Intersections International".
Qantara.de
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Mehr Informationen zum Bericht des Gallup-Center Abu Dhabi und der Umfrage finden Sie auf Englisch hier