"Wir intervenieren überall"

Weltweit werden Schriftsteller und Journalist mit dem Tode bedroht, inhaftiert oder ins Exil gezwungen. Mit der Vorsitzenden des Internationalen PEN Writers-in-Prison-Komitees, Karin Clark, sprach Fahimeh Farsaie über die Lage in den arabischen Ländern.

Weltweit werden SchriftstellerInnen und JournalistInnen mit dem Tode bedroht, inhaftiert oder ins Exil gezwungen. Mit der Vorsitzenden des Internationalen PEN Writers-in-Prison-Komitees, Karin Clark, sprach Fahimeh Farsaie über die Lage in den arabischen Ländern.

Karin Clark; Foto: www.penclub.at
Karin Clark: "Die verfolgten KollegInnen dürfen bei ihren Tätigkeiten keine Gewalt ausgeübt bzw. propagiert haben."

​​Der letzte internationale PEN-Kongress wurde im Juni dieses Jahres in Slowenien abgehalten. Standen verfolgte Autoren aus arabischen Ländern auf der Tagesordnung? Welche arabischen Länder waren vertreten?

Karin Clark: Am diesjährigen Kongress nahmen aus dem arabischsprachigen Raum Delegierte aus Ägypten, Algerien und Marokko sowie Delegierte des Zentrums palästinensischer Autorinnen und Autoren teil. Zwar existiert auch im Libanon ein Zentrum, doch waren von dort keine Delegierten gekommen. In anderen arabischsprachigen Ländern existieren keine PEN-Zentren.

Beim diesjährigen PEN-Kongress wurde u.a. eine Syrien-Resolution einstimmig verabschiedet. Die syrische Regierung wird darin wegen der Verhaftung von fünf engagierten Autoren scharf kritisiert und aufgefordert, die Menschenrechte zu beachten und die Haftbedingungen nach dem internationalen Standard zu verbessern. Außerdem sind auf der "Case List" des zweiten Halbjahrs 2004 des PEN-Zentrums Fälle in Bahrain, Ägypten, Irak, Kuwait, Saudia Arabien, Syrien und Jemen aufgeführt, die immer noch aktuell sind.

Wie sehen die Kriterien für die Unterstützung verfolgter Autoren aus?

Clark: Zunächst müssen die uns gegebenen Informationen von den PEN-Zentren in den jeweiligen Ländern verifiziert werden können. Wenn in einem Land kein PEN-Zentrum existiert, müssen die Angaben von drei unabhängigen Stellen und Organisationen, mit denen wir zusammen arbeiten, wie zum Beispiel amnesty international, bestätigt werden. Die verfolgten KollegInnen dürfen bei ihren Tätigkeiten keine Gewalt ausgeübt bzw. propagiert haben.

Wenn es sich um Schriftsteller oder Journalisten der schreibenden Zunft handelt, also keine Radio- und Fernsehreporter, denn damit wären wir als Organisation überfordert, und wenn die Betroffenen ihres Schreibens wegen verfolgt werden, dann setzt sich der PEN für sie ein. Beschränkungen auf einzelne Länder oder Regionen gibt es nicht, wir intervenieren überall, auf allen Kontinenten, vermehrt seit einiger Zeit auch in Australien, in den USA und im europäischen Raum und natürlich auch in den arabischen Ländern.

Werden die Autoren eher in ihren Ländern unterstützt oder versucht man sie nach Deutschland zu bringen?

Clark: Wir versuchen, den Autoren und Journalisten solange im eigenen Land zu helfen wie möglich. Erst wenn gar keine anderen Optionen mehr bestehen, versuchen wir – über Kontakte innerhalb verschiedener Exil-Netzwerke, zum Beispiel das "International PEN Writers in Exile Network", mit denen der Deutsche PEN zusammen arbeitet – Unterstützung im Ausland zu organisieren.

Welche Maßnahmen ergreift das PEN-Zentrum, um den verfolgten Autoren in ihren eigenen Ländern beizustehen?

Clark: Wir haben einen Kanon von unterschiedlichen Hilfsaktionen: zum Beispiel Rapid Actions, das sind Proteste und Appelle an Regierungen, Justizministerien, Botschaften der Länder in unseren Staaten und an unsere Politiker sowie Botschaften in den entsprechenden Ländern; oder Versuche von Briefkontakten zu den Verfolgten oder ihren Familien und vieles mehr. Unter diesen Aktionen haben Rapid Actions einen sehr großen Stellenwert. Im letzten Jahr haben diese zu einer Erfolgsquote von 40 Prozent geführt.

Erfolgreich waren auch die Verhandlungen von Günther Grass im Falle des jemenitischen Autors Wagdi al-Ahdal mit der Regierung. Was passiert mit den Autoren in einem Land, das nicht zufällig von einem prominenten Autor besucht wird?

Clark: Was Wahdi Al-Ahdal betrifft, war für ihn in Deutschland bereits ein Stipendium gefunden worden, ehe es Grass gelang, dass er wieder in den Jemen reisen durfte - wir haben uns mit ihm gefreut, da es die bessere Lösung war, als eine Aufnahme in ein temporäres Exil. Hilfestellung zur Flucht ins Exil ist nur als letzte, lebensrettende Maßnahme angemessen. Die anderen Autoren unterstützen wir einfach mittels anderer diverser Hilfsaktionen, die, wie eben erwähnt, nicht weniger wirksam sein können.

Einer der im Westen bekanntesten arabischen Gefangenen war bis vor kurzem der saudi-arabische Lyriker Ali al-Dumaini, der kürzlich zusammen mit seinen Kollegen vom neuen saudischen König Abdallah freigelassen wurde. Worin bestand sein Vergehen?

Clark: Ali Al-Domaini wurde mit 11 weiteren Intellektuellen am 15. März 2004 aufgrund seiner Kritik an der Nationalen Menschenrechtskommission inhaftiert. Sie wollten eine neue Gegenorganisation aufbauen, weil sie sagten, die nationale Menschenrechtskommission sei am Gängelband der Regierung. Während die meisten seiner Freunde frei kamen, blieben Al-Domaini und Dr. Matrouq Al-Faleh in Haft, weil sie sich weigerten, ein Dokument zu unterschreiben, das sie zwingen sollte, jeglichen politischen Aktivismus zu unterlassen.

Was hat der PEN für ihn und seine Kollegen unternommen?

Clark: Wir haben den Fall weltweit bekannt gemacht und Protestbriefe geschrieben. Viele der nationalen WiP-Komitees haben sich mit Interventionen und Protestbriefen den Aktionen des Internationalen WiPC angeschlossen. Darüber hinaus wurden unsere entsprechenden Aktionen von anderen NGOs, Menschenrechtsbeauftragten verschiedener internationaler Organisationen wie UN, UNESCO und OSZE unterstützt. Wie amnesty international haben wir beratenden Status bei der UN und der UNESCO-Menschenrechtskommission.

Die arabischen Intellektuellen im Ausland sind der Meinung, dass der PEN sich halbherzig für die inhaftierten Autoren in diesen Ländern einsetzt. Ist diese Kritik berechtigt?

Clark: Der PEN ist eine internationale Schriftstellervereinigung, die vor allem kulturelle Rechte wie die Freiheit des Wortes verteidigt und in diesem Rahmen für verfolgte KollegInnen eintritt. Da der PEN mit vergleichsweise geringen finanziellen und personellen Mitteln ausgestattet ist, müssen wir manchmal Prioritäten setzen zugunsten von Schriftstellern, die anderswo keine Unterstützung erhalten, vor allem, wenn verfolgte Journalisten bereits von verschiedenen anderen Organisationen betreut werden. Was nicht heißt, dass wir uns nicht dennoch ständig für Schriftsteller- und JournalistenkollegInnen einsetzen.

Was aber den PEN auszeichnet, ist, dass wir uns, anders als die allgemeinen Menschenrechtsorganisationen, für unsere Schützlinge oft über Jahrzehnte hinweg immer wieder engagieren und den Kontakt auch nach vielen Jahren Haft, selbst nach der Freilassung, wenn möglich aufrechterhalten.

Vor Jahren hatten vier irakische Schriftsteller, Muhammad Khdeir, Husain al-Junis, Abrahman Tahmazi und Dschalil al-Qaisi, einen geringen Geldbetrag zur Verfügung gestellt bekommen. Was wurde mit dieser "Unterstützung" bezweckt?

Clark: Die minimale finanzielle Unterstützung vor Jahren - ich glaube 2001 - für vier irakische Autoren kam durch die Vermittlung eines irakischen Kollegen zu Stande, der die Auswahl der unterstützten Kollegen übernahm. Der deutsche PEN hatte das Geld aus seinen spärlichen Mitteln für Writers in Prison abgezweigt, um ein Zeichen der Solidarität zu setzen.

Wie kann der PEN die Autoren und Journalisten unterstützen, die nicht den staatlichen Repressalien ausgeliefert sind, sondern von "Terrorgruppen" oder "Extremisten" angegriffen werden?

Clark: Bei Angriffen von Nicht-Regierungsakteuren stehen uns kaum effektive Mittel zur Verfügung. In den meisten Fällen wenden wir uns jedoch an die Heimat-Regierungen, die betroffenen Bürger ihres Landes ausreichend zu schützen.

Interview: Fahimeh Farsaie

© Qantara.de 2005

Qantara.de

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Nähere Informationen zu Writers in Prison auf der Website des P.E.N.-Zentrums Deutschland