Kairo – Bauen und Planen für übermorgen

Eine neue Ausstellung der ifa-Galerie Stuttgart mit dem Titel "Kairo – Bauen und Planen für Übermorgen" stellt fünf Projekte von Stadtplanern und Architekten vor, die ambitionierte Lösungen durch Sanierung und Neubebauung bieten. Von Abdul-Ahmad Rashid

'New Cairo City'; Foto: www.ifa.de
"New Cairo City" ist der Versuch, im Osten Kairos eine neue Stadt zu errichten, die Platz für 2,5 Millionen Menschen bietet, schreibt Abdul-Ahmad Rashid

​​Fast die Hälfte der Weltbevölkerung lebt heute in Städten, davon allein 15Prozent in so genannten Megacities mit einer Einwohnerzahl von mehr als zehn Millionen. Mit London, Paris, New York und Los Angeles liegen nur vier dieser Megacities in den reichen Industrienationen, alle weiteren befinden sich in Lateinamerika, Afrika und in Asien.

Angesichts der dortigen Bevölkerungsentwicklungen ist eine kontrollierte Stadtplanung nicht mehr möglich, mit der Folge, dass diese Metropolen weiter unkontrolliert anwachsen.

Großstadtmoloch Kairo

Ein solcher Fall ist die ägyptische Hauptstadt Kairo – die "Mutter der Welt", wie ihre Bewohner die Stadt ehrfürchtig nennen, mit 17 Millionen Einwohnern die größte Stadt Afrikas.

Doch diese gibt sich schon lange nicht mehr schön und gebieterisch. Tag für Tag schieben sich endlos lange Staus durch die Straßen, verursachen Lärm und Umweltverschmutzung.

Dicht an dicht gedrängt leben die Menschen hier. Kairo ist im Verhältnis zu seiner Einwohnerzahl nicht groß: Die ägyptische Hauptstadt hat eine Fläche von 214 km², die von öder Wüste umgeben ist.

Der Ägypter Tamer El Khorazaty ist Professor für Stadtplanung an der Ain-Shams-Universität in Kairo. Dem 48jährigen Architekten, der zehn Jahre lang in Deutschland gelebt und studiert hat, ist klar: Die Stadt am Nil steht vor einem Kollaps: "Kairo hat 28.000 Einwohner pro Quadratkilometer. Die Stadt ist zugewachsen. Man muss daher wieder umdenken, um die Stadt selbst ein bisschen zu entlasten."

Für mehr Wohn- und Lebensqualität

Wie das gehen soll, möchte die Ausstellung "Kairo - Bauen und Planen für Übermorgen" zeigen, die die Stuttgarter Ifa-Galerie seit Anfang September präsentiert. Doch die Schwierigkeit für die Veranstalter, so Iris Lenz, Leiterin der Ifa-Galerie, bestand darin, einer so großen Stadt wie Kairo in kleinen Ausstellungsräumen gerecht zu werden.

Daher mussten die Verantwortlichen im Vorfeld eine Auswahl unter den vielen Bauprojekten treffen, die gleichzeitig in der Metropole realisiert werden, so die Ausstellungsleiterin:

"Da wollten wir einfach versuchen, einige herauszufiltern, die nun exemplarisch für Möglichkeiten mit einer Megacity mit großem, traditionell-historischem Bestand und im 20. und 21. Jahrhundert gewachsenem bebautem Raum bestehen."

Kairo bei Nacht; Foto: Randa Shaath/www.ifa.de
Aus der Serie "Gehwege in Kairo"

​​Dafür haben sich die Ausstellungsmacher fünf verschiedene Projekte herausgesucht, die alle von ausländischen Organisationen wie der pakistanischen Agha-Khan-Stiftung oder der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) unterstützt werden.

Eines dieser interessanten Projekte trägt den Namen "New Cairo City". Es ist der Versuch, im Osten Kairos, in der Nähe des Flughafens, eine neue Stadt zu errichten.

Bereits in den 70er und 80er Jahren sind ähnliche Projekte durchgeführt worden. Die Satellitenstädte, die damals vor den Toren Kairos gebaut wurden, waren jedoch reißbrettartig angelegt und sozialistisch angehaucht.

Finanzielle Anreize gefragt

Diese Zeiten gehören allerdings der Vergangenheit an: Heute möchten die Erbauer die Lebensqualität der Menschen deutlich verbessern. Vorbilder sind dabei die amerikanischen Großstädte: Arbeiten sollen die Menschen im Zentrum von Kairo, leben dagegen in dem mit allen Bequemlichkeiten des Alltagsleben ausgestatteten Vorort.

Damit dies funktioniert, müssen Anreize geschaffen werden. Denn Wohnungen in Kairo sind teuer. Hier muss der Staat mit Programmen eingreifen, meint Stadtplaner Tamer El Khorazaty.

Doch Ausstellungsleiterin Iris Lenz sieht dies kritisch. Um eine solche Lebens- und Arbeitsweise zu ermöglichen, müssten in einer staugeplagten Stadt wie Kairo zunächst auch die notwendigen öffentlichen Transportmittel geschaffen werden.

Der Al Azhar Park; Foto: www.ifa.de
Vorbilder sind die amerikanischen Großstädte: Arbeiten sollen die Menschen im Zentrum von Kairo, leben dagegen in dem mit allen Bequemlichkeiten des Alltagsleben ausgestatteten Vorort, erklärt Abdul-Ahmad Rashid

​​Tamer El Khorazaty sieht das anders. Pläne für einen geregelten Transport der Pendler seien ein fester Bestandteil des Projektes, noch stünden aber die finanziellen Mittel nicht zur Verfügung. Zeit bleibt nicht viel, denn die ersten Siedlungen in "New Cairo City" sind schon errichtet worden. 2050 soll der Bau der Stadt, die Platz für 2,5 Millionen Menschen bietet, dann abgeschlossen sein.

Der Stadtplaner El Khorazaty befürchtet jedoch vielmehr, dass in Zukunft die Altstadt Kairos mit ihren vielen Geschäften und Bazaren vernachlässigt wird, wenn die potenziellen Kunden ausbleiben, weil sie vor ihrer Haustür einkaufen gehen.

Damit dies nicht geschieht, gibt es auch hier engagierte Projekte. Eines davon unterstützt das historische Viertel Darb Al-Ahmar, eines der ärmsten und dicht besiedelten Quartiere Kairos. Hier befinden sich besonders viele kleine Familienbetriebe.

Ziel sei es, das Viertel in naher Zukunft aufzuwerten, so Iris Lenz: "Man muss Häuser renovieren, restaurieren, bewohnbar machen. Dazu muss man zunächst Kleinkredite vergeben, damit die Leute in der Lage sind, das zu tun."

Bauprojekte wie in Kairo sind selten in der arabischen Welt, in der traditionell wenig Wert auf kulturelle Nachhaltigkeit gelegt wird.

Sollten diese in den nächsten Jahrzehnten durchgeführt werden und die Probleme der Stadt lösen, könnten sie Vorbildfunktion für andere Metropolen in der arabischen Welt haben, deren Innenstädte ähnlich überfüllt und vernachlässigt sind.

Abdul-Ahmad Rashid

© Qantara.de 2006

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