Arabische Welten – Modewelten

Das Institut für Auslandsbeziehungen stellt Mode und Modemacher aus der arabischen Welt vor. Die faszinierenden Gewänder räumen so manchen Mythos aus der Welt und zeugen von einer lebhaften Szene.

Von Florian Wagner

Ein spärlich beleuchteter Raum, in dem nur ein Fernsehgerät steht und ein gutes Dutzend Bilder an der Wand hängen. Ebenso spärlich ist eine Frau bekleidet, die auf dem Bildschirm zu sehen ist und sich gedankenverloren ihrem erotischen Spiel mit dem Schleier hingibt.

Auch die Fotografien zeigen einen ungewöhnlichen Umgang mit Schleier und Tschador, unter anderem, wenn sie, in den Farben der französischen Flagge gehalten, den ganzen Körper bedecken. Oder wenn sie ledern und mit Binderiemen versehen sind, die vielmehr einer Zwangsjacke ähneln als einem Kleidungsstück.

Die Installation der Marokkanerin Majida Khattari im Rahmen der Ausstellung "Arabische Welten – Modewelten" im Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) in Stuttgart thematisiert die Körperverhüllungen als heiteres, zuweilen gefährliches Spiel mit Verschleierung und Enthüllung und will damit beim Besucher Fragen über deren Bedeutung und Funktion wecken.

Dem durch den Kopftuchstreit vorgewarnten Europäer wird schon am Beginn der Ausstellung die gesellschaftliche und politische Brisanz des bisher unbeachteten Themas deutlich: Mode in der arabischen Welt. Und die Stuttgarter Ausstellungsmacher beweisen darin, dass arabische Modewelten keineswegs nur aus den gängigen Klischees von Kopftuch und Kaftan, Tschador und Djellaba oder sich zwiebelartig enthüllenden, perlenbehangenen Bauchtänzerinnen bestehen.

Verbindung von arabischen Traditionen mit der Moderne

Schon im nächsten Raum der Galerie werden die aus Tausendundeiner Nacht entnommenen Wunschvorstellungen vom Orient widerlegt. Dort nämlich bekommt der Besucher arabische Haute Couture vom Feinsten geboten und erhält eine Einführung in die äußerst lebendige Modeszene des Nahen und Mittleren Ostens und der Golfregion.

Der Star dieser Szene ist wohl der libanesische Modedesigner Khaled Al Masri, der in Mailand studierte und dann in Beirut sein eigenes Label "Khaled Couture" gründete. Er übersetzt innovativ und fantasievoll Reichtum und Symbolik der arabischen Kultur in die Formensprache und das Material des 21. Jahrhunderts. 2003 und 2004 zeigte er seine Kollektionen anlässlich der Pariser Modewoche.

Auch die ebenfalls aus dem Libanon stammende Modeschöpferin Milia Maroun greift als "milia m" auf arabische Traditionen zurück. Ihre auf den ersten Blick etwas schlichter wirkenden Schnitte und Materialien und unaufdringlichen Farben sind tatsächlich fein ausgearbeitete Kreationen, die voller Überraschungen stecken. Nachdem sie ihre Ausbildung an der Modeschule ESMOD in Paris beendet hatte, ließ sie sich in Beirut nieder, während ihre Kollektionen in den Boutiquen der ganzen Welt auftauchen.

Neben Beirut ist Casablanca eine der großen Städte der arabischen Mode. Dort begannen Mohamed Lakhdar und Najia Abadi ihre Karriere, studierten dann in Paris Modedesign und kehrten schließlich wieder in ihre Heimat zurück. Beide interpretieren den traditionellen marokkanischen Kaftan in neuer Weise.

Abadi sieht zum Beispiel in der Entwicklung des Kaftans die Errungenschaften der marokkanischen Frau widergespiegelt und bietet den Käuferinnen von heute eine zeitgemäßere Form, die sie in Richtung Abendkleid entwickelt hat.

Orientalismus in der Mode

Aller Schönheit des Einfachen zum Trotz stechen dann doch die Abend- und Brautkleider der Modedesignerin Adiba Al Mahboub aus Kuweit ins Auge. Elegante Gewänder aus feinsten Stoffen, farbenprächtig und perlenbestickt, lassen doch noch einmal die Gedanken des Besuchers in arabische Märchenländer wandern, bis er bei genauer Betrachtung feststellt, dass auch hier die Formen eher abendländischen Garderoben entnommen sind als morgenländischen Traditionen.

Das Verdienst der Ausstellung ist, dass sie sich immer noch hartnäckig haltende Mythen aus der Welt schafft. Denn auch in der Mode gab es einen "Orientalismus": Anfang des 20. Jahrhunderts nahmen Designer wie Paul Poiret die aus der Malerei und der Literatur stammenden Stereotypen des "Ostens" auf und kreierten daraus "Türkenhosen" oder Turbane in ihren Kollektionen. Solche Bilder hielten sich bis heute.

Außerdem macht die Ausstellung deutlich, dass Haute Couture und extravagante Kleidung genauso wenig wie "Moderne" oder "Säkularisieung" ein europäisch-nordamerikanisches Monopol sind. Auch in der arabischen Welt gibt es "Modewelten", die mit dem Hintergrund der reichen künstlerischen Tradition ihrer Länder neue Impulse setzen können. Eine so kreative, bunte und faszinierende Konkurrenz, wie in Stuttgart gezeigt, sollte den etablierten Modezaren ohne Zweifel Angst vor einer Revolution machen.

Florian Wagner

© Qantara.de 2005

Arabische Welten – Modewelten
Ausstellung in der ifa-Galerie Stuttgart, Charlottenplatz 17
Öffnungszeiten: Die,Mi,Fr 12-18 Uhr; Do 12-20 Uhr; Sa,So 11-16 Uhr; noch bis zum 29. Mai 2005

Qantara.de
Kreative Variationen zum Thema Verschleierung
Die Modedesignerin Susanne Kümper hat den Fachbereich Mode an der Helwan Universität in Kairo aufgebaut. Die gewagtesten Entwürfe kommen nicht selten von ihren streng gläubigen Mitstudentinnen, sagt sie. Ute Meinel berichtet.

Zwischen Nomadenzelten und Kasbahs
Die Ausstellung „Leben unter dem Halbmond. Wohnkulturen der arabischen Welt“ im Vitra Design Museum Berlin will mehr Verständnis für die arabische Welt wecken. Bis zum 18. Januar 2004 zeigen Architekturmodelle, Filme, Fotos, Keramiken und begehbare Räume, wie unterschiedlich die Menschen in Marokko, Syrien oder Ägypten wohnen.

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Mehr zur Ausstellung auf der Website des ifa
Homepage von Khaled Al Masri