Ohne Hoffnung
Frauen sind in Afghanistan weiterhin von elementaren Rechten ausgeschlossen und leben unter katastrophalen Bedingungen. Viele sind so verzweifelt, dass sie sich das Leben nehmen.
"Die Selbstmordversuche von Frauen in Afghanistan haben in den letzten Jahren stark zugenommen – vor allem bei den 15- bis 19-Jährigen", sagt Nabila Wafeq, die für die Frauenrechtsorganisation medica mondiale am Hindukusch arbeitet.
Eine häufige Methode, um Gewalt und Unterdrückung zu entkommen, ist die Selbstverbrennung. Im Haus eingeschlossen und ohne Möglichkeit, um Hilfe zu bitten, greifen Frauen zu Benzinflasche und Streichholz. Denn das sind Utensilien, die es in jeder Küche gibt.
Die Zahl der Selbstverbrennungen hat in den letzten vier Jahren dramatisch zugenommen. Sogar der lokale Fernsehsender von Herat warnte in einer Sendung vor den Folgen.
"Die meisten wissen gar nicht, was sie tun und welche Schmerzen sie erwarten, wenn sie die Verbrennung überleben", sagt die Kabuler Ärztin Homeira Ameery.
Hoffnungslosigkeit ist die häufigste Ursache
Medica mondiale geht davon aus, dass jährlich mehrere hundert Frauen ihrem Leiden ein Ende bereiten wollen. Genauere Angaben gibt es nicht, da die Familien solche Vorfälle in den meisten Fällen verschweigen – sie könnten die Familienehre beschmutzen.
Zwar ist auch die Selbstmordrate von Männern gestiegen. Laut einer Studie der Frauenorganisation ist Suizid aber vor allem ein weibliches Phänomen.
Ursache für die Verzweifelungstaten ist die Hoffnungslosigkeit vieler Frauen, die von ihren eigenen Familien oft an den höchstbietenden Bewerber verkauft und von den Schwiegereltern lediglich als Haushaltshilfen wahrgenommen werden.
Durch Zwangsheiraten werden junge Mädchen, die oft nicht einmal 15 Jahre alt sind, der Willkür ihrer Ehemannes und deren Familien ausgeliefert.
Polizei und Justiz nehmen Problem nicht ernst genug
Nach Untersuchungen von medica mondiale ist die Selbstverbrennung fast immer eine Flucht vor Gewalt und Misshandlungen.
Viele Männer dagegen legen sich eine andere Erklärung zurecht: Für sie kommen die Frauen einfach nicht mit der Hausarbeit und ihren Schwiegereltern klar. Auch die Polizei und die Justiz spielen das Problem oft herunter.
Vor allem Analphabetinnen, und das sind immer noch über 80 Prozent der Frauen, wissen kaum etwas über ihre Rechte und haben keine Möglichkeit, mit anderen Personen als Familienmitgliedern zu sprechen.
Zudem verkleinert die schlechte Sicherheitslage den Aktionsradius vieler Frauen wieder. Väter und Ehemänner drängen Frauen und Mädchen in die Häuser zurück.
Taliban-Sturz hat wenig Veränderung gebracht
"Die Frauen stehen heute wieder viel schlechter da als kurz nach dem Sturz der Taliban", sagt Selmin Caliskan von medica mondiale. "Nach der starken Unterdrückung durch die Taliban gab es eine gewisse Euphorie. Doch heute verlieren viele Frauen jegliche Hoffnung, weil sich ihre Situation nicht verbessert."
Zwar gibt es auch Fortschritte, etwa im Bereich Bildung. Aber vor allem auf dem Land merken die Frauen davon wenig.
Diejenigen, die ihre Suizidversuche überleben, werden beschuldigt, der Familie Schande zugefügt zu haben. Die Gesellschaft missachtet sie, und nicht selten fordern die Familien der Ehemänner den Brautpreis zurück.
Die Ehemänner hingegen würden nur selten zur Rechenschaft gezogen, sagt die Kabuler Juristin Massouda Navabi. Und selbst wenn sie verurteilt werden, müssen sie ihre Strafe oft nicht vollständig absitzen, weil die Familien sie nach ein paar Monaten Haft freikaufen.
Claudia Isabel Rittel
© Entwicklung und Zusammenarbeit 2007
Qantara.de
Selbstmorde von Frauen in Afghanistan
Protest gegen Unterdrückung
Hunderte Frauen begehen in Afghanistan jedes Jahr Selbstmord. Grund sind die unerträglichen familiären Verhältnisse, an denen sich auch nach dem Ende der Taliban-Herrschaft häufig nichts geändert hat. In den letzten Jahren ist die Zahl der Selbsttötungen sogar gestiegen. Majed Malek berichtet.
Radio in Afghanistan
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Afghanische Zeitschrift "Malalai"
Die Stimme der afghanischen Frauen
Jamila Mujahed ist Herausgeberin des einzigen Frauenmagazins in Afghanistan. Für ihre Zeitschrift "Malalai", mit der sie sich für die Rechte von Frauen einsetzt, erhiehlt sie nun den Johann-Philipp-Palm-Preis für Meinungs- und Pressefreiheit. Petra Tabeling berichtet.