Ein Eldorado für westliche Sicherheitsfirmen
In den letzten Wochen hat die Terrororganisation "Al-Qaida im Maghreb" immer wieder Anschläge verübt, wobei sie bewusst Ausländer ins Visier nahm. Wenn es um den Schutz westlicher Wirtschaftsaktivitäten in Algerien geht, wittern – nicht nur - Sicherheitsfirmen dort das große Geschäft. Von Bernhard Schmid
Noch einmal mit dem Schrecken und einigen leichten Verletzungen davon gekommen sind die zehn Personen, die am 21. September östlich von Algier Opfer eines Anschlags auf einen Bus wurden.
Das Bombenattentat zielte auf die Techniker und Ingenieure der französischen Baufirma Razel ab. Zwei französische Angestellte der Firma, ein italienischer Mitarbeiter, sechs Algerier, der Fahrer sowie die fünf im Begleitschutz mitfahrenden Gendarmen wurden verletzt.
Blutige Bilanz
Allein im September dieses Jahres wurden 100 Menschen durch Attentate getötet, davon 33 seit dem Beginn des muslimischen Fastenmonats Ramadan.
Am 6. September versuchte ein Selbstmordattentäter Präsident Abdelaziz Bouteflika im ostalgerischen Batna zu töten. Der Attentäter konnte jedoch noch rechtzeitig vor Eintreffen des Staatsoberhaupts aufgegriffen werden. Dabei detonierte der von ihm mitgeführte Sprengsatz. Bilanz: 22 Tote und über 200 Verwundete.
Am 8. September sprengte sich ein weiterer Attentäter in einer Kaserne der Küstenwache in Dellys, in Nordostalgerien, in die Luft, wobei 34 Menschen ums Leben kamen.
Zu den jüngsten Anschlägen bekannte sich die Organisation "Al-Qaida im Maghreb". Diese Truppe, die in Algerien rund 400 bis 500 Kämpfer im Untergrund zählen dürfte und die letzte bewaffnete Islamistengruppe im Land darstellt, hat in den vergangenen Wochen nun mit ihrer Ankündigung weiter für Aufsehen gesorgt, ihre Aktivitäten auszuweiten.
Al-Zawahiris Terrorbotschaften im Internet
Am 20. September forderte die "Nummer zwei" der internationalen Kommandoebene von Al-Qaida, Ayman al-Zawahiri, ihre Anhänger zur Unterstützung der nordafrikanischen Branche der Organisation auf. Dieselbe solle "den Maghreb von den Franzosen und den Spaniern befreien, die in den ehemaligen Kolonien Nordafrikas präsent sind", forderte al-Zawahiri in einem Internet-Video.
Gleichzeitig schwadronierte al-Zawahiri, es gelte nun, an die große Zeit der arabischen Präsenz im damaligen Spanien (al-Andalus), nach den Eroberungen in der Frühzeit des Islam, anzuknüpfen.
Auf französischer Seite lehnt man eine Einschränkung wirtschaftlicher Aktivitäten in Algerien - als Konsequenz aus diesen Drohungen - jedoch strikt ab. Dies wird mitunter damit begründet, dass die dortige Sicherheitslage doch wesentlich weniger dramatisch sei als noch während des Bürgerkriegs in den 1990er Jahren.
Lukrative Geschäfte im boomenden Algerien
Objektiv trifft dies sicherlich zu. Denn kehrte man Algerien den Rücken, würde man nur den Terroristen in die Hände spielen, lautet die gängige Begründung vieler französischer Führungskräfte für ihren Verbleib in Algerien.
Darüber hinaus ist der neue algerische Markt auch zu lukrativ, als dass man ihn so einfach anderen Akteuren überlassen würde.
580 französische Unternehmen sind derzeit in dem nordafrikanischen Land präsent – und zwar in allen Branchen der algerischen Ökonomie:
vom Bausektor (Suez, Alstom, Vinci) über die Nahrungsmittel- (Danone, Bell, Castel) und die Automobilindustrie (Peugeot, Renault, Michelin) bis hin zu Dienstleistungsanbietern (wie u.a. den Banken BNP, Société Générale), dem Touristikunternehmen Accord oder der Supermarktkette Carrefour.
Erstmals bieten französische Finanzkonzerne, wie etwa die Gesellschaft Cetelem, die seit März 2006 im Lande tätig ist, den algerischen Haushalten direkte Verbraucherkredite an. Innerhalb eines Jahres hat die Cetelem etwas über 30.000 Kredite für Konsum auf Ratenzahlung im Gesamtwert von etwa 100 Millionen Euro vermittelt.
Im Jahr 2003 eröffnete die französische Kosmetikfirma Yves Rocher ihr erstes Geschäft im Stadtzentrum von Algier, inzwischen zählt sie 15 Verkaufsstellen in den algerischen Großstädten.
Im Januar 2006 öffnete der erste Supermarkt der Marke Carrefour seine Türen in Algier. Und die Fast-Food-Kette Quick, der französisch-belgische Konkurrent des US-Konzerns McDonalds, eröffnete schließlich im März 2007 sein erstes Schnellrestaurant in Algier, in unmittelbarer Nähe der altehrwürdigen Statue des antikolonialen Kriegerhelden Emir Abdelkader. Bis 2012 sollen es gar 20 werden.
Wirtschaftliches Gerangel um Marktanteile
Einem solchen "marktwirtschaftlichen Eldorado" - das durch das Ende der früheren staatssozialistischen Kontrolle über die algerische Ökonomie sowie den Anstieg des Rohölpreises - und damit der in Algerien zirkulierenden Geldmenge -, aber auch die Verbesserung der Sicherheitssituation ermöglicht wurde, werden die Franzosen sicher nicht einfach den Rücken kehren. Zumal auch die Konkurrenz allmählich Präsenz zeigt.
Mit über 12 Milliarden Euro Handelsvolumen sind gegenwärtig die USA zum wichtigsten Handelspartner Algeriens geworden. Allerdings sind sie bisher vorwiegend im Erdölsektor präsent - mit den Konzernen Anadarko, Halliburton und Bechtel - auch wenn die Pharmaindustrie, der Bankensektor sowie die Informatikbranche ebenfalls für die US-Firmen interessant sein dürften. Bislang sind rund 70 amerikanische Unternehmen in Algerien tätig.
Einen neuen, florierenden Geschäftszweig bilden unterdessen die privaten Sicherheits- und Personenschutzunternehmen. Die Situation stellt sich ähnlich wie im besetzten Irak dar, auch wenn diese noch lange nicht die Ausmaße der Privatisierung von Gewalt und des Geschäfts mit käuflicher Sicherheit erreicht haben dürfte.
Rund 60 solcher Sicherheitsfirmen werden im Moment in Algerien gezählt. Möglicherweise wird "Al-Qaida im Maghreb" aber künftig noch dazu beitragen, dass auch diese Businessbranche dort noch weiter prosperieren wird.
Bernhard Schmid
© Qantara.de 2007
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