Hinter Gittern
Das neue Gesetz sieht für Journalisten Geldstrafen von 200.000 bis 500.000 ägyptischen Pfund (umgerechnet 23.000 bis 57.000 Euro) vor, wenn sie "falsche" Informationen verbreiten, die der offiziellen Darstellung von Ereignissen wiedersprechen. Fünf Jahre Haft drohen denjenigen, die "Ideen" verbreiten, die "den Terrorismus" unterstützen. Das Gesetz wurde nach dem Mord an dem ägyptischen Generalstaatsanwalt Hisham Barakat im letzten Juni formuliert. Noch während seiner Beerdigung beklagte Präsident Abdel Fattah al-Sisi, das bestehende Recht schränke die "schnelle Hand der Justiz" auf unakzeptable Weise ein.
Kurze Zeit später griffen militante Kämpfer auf dem Sinai ägyptische Sicherheitskräfte an. Dem Militär zufolge kamen 17 Soldaten um. Allerdings berichteten internationale und ägyptische Medien unter Berufung auf ärztliche Quellen von mehr als 60 toten Soldaten. Eine Reihe von Gewaltakten auf dem Sinai haben die Öffentlichkeit erschüttert – und Zweifel daran geweckt, ob Al-Sisi wirklich in der Lage ist, den Terrorismus zu bekämpfen. Das Regime mag diese Art von Berichterstattung jedenfalls nicht.
Die Regierung setzt heimische und international Medien schon lange unter Druck, und es erhöht diesen Druck. Das Außenministerium hat ausländische Reporter darüber belehrt, welche Begriffe sie verwenden und welche sie meiden sollen. Es lehnt Wörter wie "Dschihadisten" und "Fundamentalisten" ab, und will stattdessen "Schlächter" und "Mörder" verwendet sehen. Mit Unterstützung von iMediaEthics, einer gemeinnützigen Organisation aus New York, hat Ägyptens staatlicher Informationsdienst zudem ausländische Journalisten angeleitet, ihre Berichterstattung an die des Verteidigungsministeriums anzupassen.
"Reporter ohne Grenzen" erstellen jährlich den World Press Freedom Index. In der Version von 2015 steht Ägypten auf Rang 158 von 180 Ländern. Dabei ist das neue Anti-Terrorgesetz noch gar nicht erfasst. 2014 und 2015 wurden bislang mindestens 30 Journalisten willkürlich mit dem Vorwurf, sie unterstützten eine "terroristische Organisation", verhaftet. So nennt die Regierung die Muslimbruderschaft.
Dem "International Committee to Protect Journalists" (CPJ) zufolge, saßen 18 Journalisten Anfang Juni 2015 wegen ihrer Berichterstattung in Haft. Das war die höchste Zahl, seit das CPJ 1990 damit begonnen hatte, gefangene Medienschaffende zu zählen. Das Komitee weist zudem darauf hin, dass die Festnahme von Journalisten normalerweise gewalttätig verläuft. Gängig sind demnach Schläge, Misshandlung, Hausdurchsuchungen und die Beschlagnahmung von Eigentum. Es ist sicherlich kein Zufall, dass das neue Gesetz Sicherheitskräfte von Strafverfolgung ausnimmt, wenn sie Zwangsmittel einsetzen, die aus Regierungssicht "notwendig und angemessen" sind.
Auch Auslandskorrespondenten erleben gegenwärtig Repression im Al-Sisi-Staat. So wurde etwa Alain Gresh, der Chefredakteur von Le Monde Diplomatique, in Kairo festgenommen und verhört, nachdem eine Frau angeblich gehört hatte, dass er in einem Café über Politik diskutierte. Ricard Gonzalez, der Kairo-Korrespondent der spanischen Zeitung El Pais, floh nach einer behördlichen Warnung aus seiner Heimat, ihm drohe die Festnahme. Kürzlich wurden drei Al-Jazeera-Journalisten zu drei Jahren Haft verurteilt, weil sie angeblich die verbotene Muslim Bruderschaft unterstützt hätten.
Seit das neue Gesetz in Kraft ist, hat die Regierung den Vertrieb von drei privatwirtschaftlich betriebenen Zeitungen unterbunden. Der Grund war, dass sie Kritik an Präsident al-Sisi veröffentlicht hatten.
Viele internationale und nationale Menschenrechtsorganisationen lehnen das neue Gesetz ab. Human Rights Watch teilte beispielsweise mit, es unterhöhle Grundrechte. Die Regierung bestreitet zwar, dass das Gesetz dazu dienen soll, die Pressefreiheit zu beschränken. Genau das ist aber seine Wirkung.
Ingy Salama
© Entwicklung und Zusammenarbeit 2015