Zwischen Disput und Dialog

Vor kurzem fand im Wüsten-Emirat Dubai zum siebten Mal das Internationale Filmfestival unter dem Motto "Bridging Cultures. Meeting Minds" statt. Hanna Labonté hat sich die Produktionen angesehen.

Vor kurzem fand im Wüsten-Emirat Dubai zum siebten Mal das Internationale Filmfestival unter dem Motto "Bridging Cultures. Meeting Minds" statt. Hanna Labonté hat sich die Produktionen angesehen.

​​ Dubai, so sind sich "Expatriats" und "Emiratis" in seltener Eintracht sicher, erwacht langsam wieder aus der Schockstarre, in die das kleine Wüsten-Emirat während der Finanzkrise gefallen war. Ob es jemals wieder zu seiner alten bizarr-futuristischen Schönheit zurückkehren wird, steht zwar in den Sternen, aber die Zeichen der Erholung sind unübersehbar.

Und so fand auch das 7. Internationale Filmfestival Dubais, der unbestrittene Höhepunkt im kulturellen Kalender der Stadt, in diesem Jahr wieder den verdienten Zulauf. Neben einer Vielzahl Prominenter und einem phänomenalen Filmprogramm, beeindrucken vor allem die stark gewachsenen Besucherzahlen. Überdies zeigt sich ein steigendes Interesse an nicht kommerziellen Filmen.

Vibrierende emiratische Filmszene

Auf dem Festival, das vom 12. bis 19. Dezember stattfand, wurden über 150 Filme aus 75 Ländern gezeigt, die – der Bevölkerungsstruktur Dubais entsprechend –, vor allem von den im Exil lebenden Emiratis angenommen wurden.

Eingang zum Filfestival-Kinosaal in Dubai; Foto: Hanna Labonté
Positive Resonanz bei "Emiratis" und "Expatriats" gleichermaßen: Vom 12. bis 19. Dezember wurden auf dem Filmfestival über 150 Filme aus 75 Ländern gezeigt, die alle gut besucht waren.

​​ Das Besucherbild in den Kinosälen wandelte sich jedoch völlig, als die inländischen Filmproduktionen, zumeist Kurzfilme, gezeigt wurden: Ob die internationalen Gäste fernblieben oder die emiratischen Zuschauer einfach mehr Interesse an den eigenen Filmen hatten, sei dahingestellt. Auf jeden Fall füllen sich die Säle mit gutgelaunten Emiratis, die jubelnd die junge, vibrierende Filmszene der Vereinten Arabischen Emirate bejubelten.

Diese ist allerdings noch immer überwiegend mit der fotografischen und schauspielerischen Umsetzung sowie mit ästhetischen und technischen Stilmitteln beschäftigt. Die sonst im arabischen Film sehr präsenten politischen Botschaften bleiben zwar manchmal auf der Strecke oder werden nur sehr subtil angedeutet. Dies mag allerdings auch in der Natur der künstlerischen Kurzform liegen, die am Golf auch literarisch gern gewählt wird.

Besonders der Kurzfilm "Melal" der emiratischen Regisseurin und Produzentin Nayla Al Khaja fand beim lokalen Publikum großen Anklang. Die Langeweile einer jungen emiratischen Frau auf Hochzeitsreise, ihre hoffnungsloses Bemühen um ihren Mann und ihr sorgenvoller Blick auf die Möglichkeit eines anderen Lebens, scheinen ins Herz der jungen Bevölkerung zu treffen. Die Frage, wie man zur arrangierten Heirat steht, betrifft und berührt die Kinobesucher: Sie wird im Film aufgeworfen, aber nicht beantwortet.

Die Dominanz des Politischen

Logo Dubai Filmfestival
Das Internationale Filmfestival Dubai (DIFF) findet seit 2004 jedes Jahr statt und gilt als Drehscheibe der Kinokultur im gesamten Mittleren Osten, Afrika und Asien sowie als Plattform renommierter arabischer Filmemacher.

​​Auffällig war, dass politische Sujets die Präsentationen dominierten. Der palästinensische Regisseur Abdallah Al Ghoul des 30-minütigen dokumentarischen Kurzfilms "Ticket von Azrael" über die palästinensischen Tunnelbauten nach Ägypten, konnte nicht zum Festival anreisen, weil er in Ägypten unter dem Vorwurf, er sei durch eben so einen Tunnel nach Ägypten gereist, im Gefängnis sitzt.

Der Film, der an nur einem Tag entstanden ist, zeigt junge Männer, die Versorgungstunnel aus Gaza graben. Al Ghoul zeigt die Aussichtslosigkeit, welche die Männer dazu bringt, sich einer solchen Gefahr auszusetzen. Es ist die Mischung aus Verzweiflung und Humanität, die diesen Film auszeichnet.

Auch in den Diskussionen im Anschluss der Filmpräsentationen ist das politische Element allgegenwärtig: Nach der Vorführung Omar Shargawis "Mein Vater stammt aus Haifa" wehrt sich etwa ein Zuschauer erbost über die kritischen Meinungen, die Shargawis Vater im Film über Palästina äußert, und löst so einen Disput über die eigene Identität aus: "Wir haben eine völlig andere Meinung".

Wer "wir" sind, und wen das "wir" ein- oder ausschließt wird in der Folge heftig diskutiert. Shargawi bringt das vereinende, das Wir-bildende Element in seiner Antwort auf den Punkt: "Natürlich, 'wir' sind nie einer Meinung." Gerade die Meinungsvielfalt lässt aber das "wir" im Dialog erkennen und erfinden.

Und hierin lag wohl eine der Stärken des diesjährigen Filmfestivals: Es bot eine Plattform für vielseitige Diskussionen, was daher dem diesjährigen Motto mehr als gerecht wurde. Und es eröffnete neue Möglichkeiten die junge, ambitionierte Filmszene der Region kennenzulernen und zu fördern.

Hanna Labonté

© Qantara.de 2010

Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de

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